2018-06-18

Erklärung zu einer friedensfähigen Geld- und Gesellschaftsordnung entstanden im Rahmen der Dialogveranstaltung


„Christentum, Spiritualität und Wissenschaft für eine friedensfähige
Geld- und Wirtschaftsordnung“ von 11. bis 13. Mai 2018 im
Bildungszentrum St. Benedikt, A-3353 Seitenstetten


Seitenstetten, am 13. Mai 2018
Erklärung zu einer friedensfähigen Geld- und Gesellschaftsordnung
Präambel
Hundert Jahre nach dem Ende des Ersten Weltkrieges sehen manche von uns, dass sich Europa wiederum bewaffneten Konflikten nähert. Österreich hat eine besondere Verantwortung, als neutrales Land jede Form von Kriegsvorbereitungen im Vorfeld entschieden zu stoppen und sich für einen Frieden durch Verständigung in einem Dialog mit den Nachbarn und Zivilisationen einzusetzen.
Um Österreich als bevorzugten Standort mit seiner hochentwickelten Kultur, den sozialstaatlichen Errungenschaften und in seinen Funktionen des zwischenstaatlichen Ausgleichs zwischen den Völkern zu sichern, ist es notwendig, wesentliche Eckpunkte für den Erhalt einer entwicklungsfähigen und friedfertigen Gesellschaft zu beachten (siehe Anlage 2). Weltweiten Konflikten sollten wir nicht nur mit Symptombekämpfung begegnen, sondern die Ursachen von Krieg und Flucht, d. h. „Geld regiert die Welt“ hinterfragen und diese Situation in einem breiten Miteinander überwinden.
Erklärung
Die im Rahmen des Symposiums für eine friedensfähige Geld- und Wirtschaftsordnung versammelten Experten und Vertreter der Zivilgesellschaft haben im Anschluss an die Erklärung des Vorjahres zu den Nachhaltigkeitszielen der Vereinten Nationen (SDGs) folgende Schlussfolgerungen gezogen:
Bei den SDGs fehlen Zielsetzungen für eine nachhaltige Handels- und Finanzordnung. Wir verweisen daher auf die obengenannte Stellungnahme (siehe Anlage 1).
In der Zwischenzeit hat sich die geopolitische Lage dramatisch verschärft, wobei es sich überwiegend um Finanz- und Ressourcenkriege handelt.
Um den dahinterliegenden Absichten gegenzusteuern, halten wir die Beachtung und Einführung nachfolgender Grundsätze und Maßnahmen für unverzichtbar.
A)          Grundsätze: Gerechtigkeit, Friede und Bewahrung der Schöpfung – insbesondere der Lebensgrundlagen für die kommenden Generationen
Das Geldwesen ist als eine ausschließlich hoheitliche Aufgabe anzusehen.
Die im Symposium I formulierten Grundsätze mögen als zusätzliche Orientierung dienen (Anlage 2).
B)          Maßnahmen: a. Auf nationaler Ebene:
I.                   Die gesamte Geldschöpfung ist in die Hände des Gemeinwesens zu überführen (z. B. staatliches Vollgeld, Regionalwährungen, Bürgergeld).
II.                In die derzeit verlangten, künftig zu vereinfachenden Business-Pläne von Kreditwerbern sind nachhaltigkeits- und gemeinwohl-orientierte Vergabekriterien zu integrieren.
III.             Die Geschäftsbanken sind von den Investmentbanken zu trennen, um zu verhindern, dass mit Bankeinlagen zu Lasten der Bürger Spekulationsgeschäfte getätigt werden.
IV.              Zur Stabilisierung der Aktienmärkte und zur Verhinderung von missbräuchlichen Spekulationen ist eine Behaltefrist von mindestens 12 Monaten einzuführen.
V.                 Eine transparente Privathaftung für wirtschaftliche Entscheidungsträger beiMitverschulden sozialer und ökologischer Schäden ist einzuführen.
b. Auf EU-Ebene (Aufgabe für die österreichische Präsidentschaft):
Einführung einer strategischen Steuer-Reform zur Entschuldung der Staaten und
zur Finanzierung des Sozialwesens. Diese soll insbesondere enthalten:
I.                   Einführung einer Kapital-Umsatzsteuer auf alle Transaktionen in der Höhe von mindestens 1 Promille.
II.                Besteuerung des Verbrauches endlicher Ressourcen mindestens in der Höhe der Recycling-Kosten bzw. der Kosten der Ersatz-Technologie.
III.             Diese einnahmeseitigen Maßnahmen dienen zur Entlastung der menschlichen Arbeit von Steuern und Abgaben.
Zwingende Technologiefolgenabschätzung für alle Bereiche.
c. Auf globaler Ebene (UN):
Dringende Vereinbarung eines Weltwährungsabkommens (siehe Anlage 1), um die gegenwärtigen Finanz- und Ressourcenkriege hintanzuhalten.
Friedrich Embacher, Elektrotechniker, Volkswirt, Lebens- und Sozialberater
Franz Hörmann, Prof. für Rechnungswesen an der Wirtschaftsuniversität Wien
Ilse Kleinschuster, Medien- und Kommunikationsarbeit, Initiative Zivilgesellschaft Karin Körner, Psychiaterin und Kinderpsychiaterin, Psychotherapeutin
Michael Lipp, selbstständiger Programmierer
Josefa Maurer, Mitarbeiterin in Friedensinitiativen
Harald Orthaber, Landschaftsökologe, Fair und Naturangepasst Wirtschaften, Initiative Zivilgesellschaft
Tobias Plettenbacher, Landschaftsökologe, Gründer und Vereinsobmann von Wir gemeinsam Marianne Schallhas, Anglistin, Historikerin, Obfrau der Arge Gerecht Wirtschaften für Frieden und Bewahrung der Schöpfung
Alfred Strigl, Direktor vom Österr. Institut für Nachhaltige Entwicklung an der Universität für Bodenkultur, Wien
Heinrich Wohlmeyer, Hon. Prof, Ökologe, Ökonom und Jurist
Es gibt eine offene Unterstützerliste, gerne ergänzt und versendet von maurerjosefa@gmx.at
Dies ist die 2. Version unseres Aufrufs. Der ursprüngliche Text war knapper. Im ersten Satz der Präambel stand: „Hundert Jahre nach dem Ersten Weltkrieg nähert sich Europa wiederum einem Krieg“. Dieser Formulierung konnten manche von uns nicht zustimmen.
Adressaten:
Der Bundespräsident, alle Mitglieder der österreichischen Bundesregierung, Medien, EU Abgeordnete, alle Parlamentsklubs, die Kirchen, Sozialpartner, die Rektorenkonferenz.


Anlage 1
Vorhalt und Empfehlung
an das „Hochrangige Politische Forum 2017“
und das „Ministertreffen zur Beseitigung der Armut
und zur Förderung des Wohlstandes in einer sich wandelnden Welt“
unter der Schirmherrschaft des Wirtschafts- und Sozialrats der Vereinten Nationen
zur Umsetzung der im Jahr 2015 beschlossenen Nachhaltigkeitsziele (SDG).
Wir, eine Gruppe von Wissenschaftlern, Experten, Praktikern und Mitgliedern der Zivilgesellschaft, die auch praktische Erfahrungen in der internationalen und regionalen Politik haben, haben uns für eine dreitägige Konferenz zusammengefunden, um die Umsetzung der vereinbarten "Nachhaltigen Entwicklungsziele" (SDG) zu unterstützen und voranzutreiben. Da wir erkannt haben, dass die derzeit dominierende Finanzordnung, die
„Weltfinanzarchitektur“, Drehscheibe der bedrohlichen Defizite für eine nachhaltige Entwicklung ist, haben wir uns als Schlüsselfrage für unser Treffen zu folgender Fragestellung entschlossen:
Stellt die gegenwärtige „Weltfinanzarchitektur“ eine Behinderung für die Erreichung der SDG dar – und, wenn ja, welche Änderungen sind notwendig?
Deshalb haben wir unsere Diskussionen auf Ziel 17 konzentriert
– vor allem auf den Punkt 17.4 – und kamen zu folgenden Schlussfolgerungen:
Die gegenwärtige Gesamtsituation ist geprägt durch eine zunehmende, internationale Verschuldung aller Staaten – vor allem der Entwicklungsländer – und eine Überlastung mit Schuldendienstleistungen.
Letztere begrenzen die wirtschaftliche, soziale und ökologische Entwicklung. Vorgeschlagene Maßnahmen, wie Einnahmen durch bessere Besteuerung und andere Abgaben, auch die Erhöhung der ODA, können nicht wirklich wirksam sein, da man kein Wasser aus leeren Gläsern gießen kann. Die Vorschläge in Punkt 17.4 perpetuieren die gegenwärtige, nicht-nachhaltige finanzielle Situation, indem sie lediglich Ratschläge zur Linderung der wachsenden Belastung geben.
Um aber die strangulierende Finanzstrategie zu lockern und den Manövrierraum für die Verwirklichung der SDG zu erweitern, sind grundlegende Veränderungen im gegenwärtigen Weltfinanzsystem unvermeidlich.
Diese Änderungen müssen beinhalten:
a)         Ein neues Weltwährungsabkommen (World Currency Agreement – WCA), das eine internationale Rechnungseinheit einführt (könnte als bezeichnet werden) und Wechselkurse, die die Kaufkraftparität widerspiegeln, sowie Sanktionen für Überschüsse und Defizite in den Zahlungsbilanzen.
b)        Umstrukturierung des IWF zu einer demokratischen und gemeinnützigen Hilfseinrichtung und als Sekretariat für das WCA.
c)         Umstrukturierung der Weltbank-Gruppe zu einer wirksamen Wohlfahrtsverbesserungs-Entwicklungsbank, die weder bedingungslosen Freihandel noch die Privatisierung von öffentlichem Eigentum und Gemeinden noch die Aufhebung der Sozialdienste und sonstiger Staatsausgaben für das Gemeinwohl nach dem sogenannten Washingtoner Konsens vorsieht.
d)        In diesen Institutionen sollten alle Staaten gleiche Stimmrechte haben, um zu vermeiden, dass große und mächtige Nationen das System beherrschen und dies wiederum zu einer neuen Ungleichheit und indirekten Machtpolitik führt.


e)   Vereinbarung über einen Weltschuldenabbau, der eine Voraussetzung für eine erfolgreiche weltweite nachhaltige Entwicklung ist.
f)     Umleitung der Geld-Schöpfung von den Banken zu den Staaten (Regierungen), um ihnen eine selbstbestimmte Geldpolitik, den Zugang zu zinsfreiem Geld, eine angemessene strukturelle Entwicklung und eine Kreditkontrolle mit produktiver Zweckausrichtung zu ermöglichen.
g)   Die Welthandelsordnung muss reformiert werden, einerseits durch die Gewährung von Schutz für junge Industrie-Initiativen in Entwicklungsländern und andererseits durch die Einführung des für alle Transaktionen. Dies bedeutet, dass der freie Zugang zu einem bestimmten Markt nur gewährt wird, wenn der Exporteur/Importeur nachweisen kann, dass die Ware oder die Dienstleistung unter sozialen und ökologischen Bedingungen (Standards) produziert wurde, die den Bedingungen im Bestimmungsland entsprechen oder annähernd entsprechen. Ausgleichszahlungen sollten zur Schaffung eines fairen Wettbewerbs verwendet werden. Allerdings sollten diese Abgaben nicht in die nationalen Budgets (die Protektionismus induzieren) fließen, sondern in einen internationalen Entwicklungsfonds, der die Länder bei der Verbesserung ihrer Produktionsstandards und -systeme unterstützt.
Wir hoffen, dass unsere Vorschläge gut aufgenommen werden und wünschen zufriedenstellende Fortschritte in den gemeinsamen Anstrengungen.
Ass.-Prof. Dr. Alfred W. Strigl, Prof. Dr. Richard Werner (Southampton Business School, Großbritannien), Prof. Dr. Heinrich Wohlmeyer (Universität für Bodenkultur, Wien), Mag. Kathrin Latsch (Moneta, Hamburg), Dipl.-Ing Klaus Sambor (Runder Tisch Grundeinkommen, Wien), Dr. Marianne und Dipl.-Ing. Franz Schallhas (AG Gerecht Wirtschaften, Steinakirchen, Niederösterreich), Anton Winter (Nouvelle Alliance, Frankfurt a. M.)
(Übersetzung Ilse Kleinschuster und Heinrich Wohlmeyer, Wien, Mai und Juni 2017)
Das Hochrangige Politische Forum für Nachhaltige Entwicklung (HLPF, gemäß dem englischen Terminus «High­level Political Forum on Sustainable Development») der Vereinten Nationen ist das entscheidende UNO-Gremium zur Abstimmung der globalen Nachhaltigkeitspolitik. An den Sitzungen des HLPF nehmen alle UNO-Mitgliedsstaaten teil. Das Gremium wird auch als UNO-Nachhaltigkeitsforum bezeichnet. Die im Jahr 2015 verabschiedeten 17 Ziele für Nachhaltigkeit (SDG) formulieren als Ziel 17, dass die Umsetzungsmittel für die zuvor genannten 16 Ziele gestärkt und die Globale Partnerschaft für nachhaltige Entwicklung mit neuem Leben erfüllt werden sollen. Im Unterpunkt 17.4 heißt es, dass die Entwicklungsländer dabei unterstützt werden sollen, bei ihrer Verschuldung langfristig Nachhaltigkeit zu erreichen, und zwar durch koordinierte Schritte zur Unterstützung bei der Schuldenfinanzierung, durch Schuldenerlass und Umschuldungsmaßnahmen. Zudem gehe es darum, Mittel und Wege zu finden, die Notlagen in den hoch verschuldeten Entwicklungsländern zu lindern.


Anlage 2
Auszug aus der Schlusserklärung des Finanz-Symposiums Seitenstetten I (2015)
Eckpunkte einer zukunftsfähigen Gesellschaftsordnung
·           Jedem Menschen ist der gleiche Anteil an den Erträgnissen zuzusprechen, die dem Boden, der Luft und dem Wasser entstammen – das heißt, die natürlichen Ressourcen sind gerecht zu verteilen.
·           Die resultierenden Erträge sind prioritär für die gesellschaftliche Absicherung eines den aktuellen Technologien entsprechenden Lebensstandards zu verwenden.
·           Die unbegrenzte Vermehrung des Privateigentums ist hintanzuhalten.
·           Der zerstörerische Missbrauch von Naturressourcen ist in der Weise zu ahnden, dass diese an die Gemeinschaft übergehen.
·           Die Bilanzierungsregeln müssen ökologische und gemeinwohlbezogene Kriterien enthalten.
·           Für Prozesse gemeinschaftlicher Entscheidungen gilt das Subsidiaritätsprinzip.
Im Rahmen des Symposiums erhärtete sich die Einsicht, dass die bestehenden Heraus­forderungen mit Unterstützung durch eine neue Allianz zwischen der „Universitas-Academia“ und der Zivilgesellschaft bestmöglich zu bewältigen wären.


Anmerkungen
zur Erklärung zu einer friedensfähigen Geld- und Gesellschaftsordnung
Die Verfasser und Unterzeichner der „Erklärung zu einer friedensfähigen Geld- und Gesellschaftsordnung“ sehen ihre Verantwortung darin, intuitiv erfahrene wie auch wissenschaftlich gewonnene Einsichten im Sinne wertvoller Erkenntnisse der Gesellschaft zu vermitteln.
Sie legen ihre Erklärung, die als Ergebnis einer Vielzahl laufender Untersuchungen durch Experten und Mitglieder der Zivilbevölkerung zustande gekommen ist, vertrauensvoll in die Hände der Empfänger, auf dass diese ihre Verantwortung gegenüber der Bevölkerung nach bestem Wissen und Gewissen wahrnehmen mögen.
Literaturtipps
·           Ausstellungsführer von „Segen und Fluch des Geldes“, www.arge-gerecht­wirtschaften.at
·           Heinrich Wohlmeyer „Empörung in Europa – Wege aus der Krise“, Ibera / European University Press, 2014
·           Christian Felber „Geld. Die neuen Spielregeln“, Deuticke, 2014

·           Vorschläge zur Besteuerung von ATTAC https://www.attac.at/ziele/steuergerechtigkeit/in-3-minuten/loesungen.html

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