2016-08-06

Grundlegendes zur EU - Zum Referendum über die EU-Mitgliedschaft Grossbritanniens

von Professor Dr. Richard A. Werner


zf. Am 20. Juni 2016, 3 Tage vor der Abstimmung der Briten über einen Austritt aus der Europäischen Union, veröffentlichte Professor Richard A. Werner den folgenden Text. Er ist von grundlegender Bedeutung – vor wie nach der Abstimmung.

Die britische Bevölkerung sollte sich im klaren sein, worüber genau sie diesen Donnerstag beim EU-Referendum abstimmen wird. Was bedeutet es wirklich, in der EU zu bleiben? Was bedeutet es, sie zu verlassen?
Was die zweite Frage anbelangt, so war das vorherrschende Thema der Debatte die Frage, ob ein Verlassen der EU eine signifikante negative wirtschaftliche Auswirkung auf das Vereinigte Königreich haben würde. Premierminister David Cameron hat im Verbund mit den Führern des IWF, der OECD und verschiedenen EU-Institutionen düstere Warnungen darüber abgegeben, dass das Wirtschaftswachstum einbrechen, die Finanzlage sich verschlechtern, die Währung schwächer und die Exporte Grossbritanniens markant zurückgehen werden. Finanzminister George Osborne hat gedroht, die Renten der Rentner zu kürzen, sollten sie es wagen, für den Austritt zu stimmen. Aber was sind die Fakten?
Ich erhielt meine Ausbildung in internationaler Wirtschaft und Geldwirtschaft an der London School of Economics und habe an der Universität Oxford in Wirtschaftswissenschaften promoviert. Ich habe solche Fragen seit einigen Jahrzehnten studiert. Vor kurzem habe ich auch unter Verwendung hochentwickelter quantitativer Techniken die Frage getestet, wie gross die Auswirkungen auf das Bruttoinlandprodukt BIP eines Beitritts zu oder eines Austritts aus der EU oder der Euro-Zone wären. Das Ergebnis war, dass es auf das Wirtschaftswachstum keinen Einfluss hat, und jedermann, der das Gegenteil behauptet, orientiert sich nicht an Fakten. Der Grund liegt darin, dass Wirtschaftswachstum und Nationaleinkommen fast gänzlich von einem Faktor bestimmt werden, der im Inland entschieden wird, und zwar vom Umfang der Bankkredite, die für produktive Zwecke geschaffen werden. Betrüblicherweise war der in den letzten Jahrzehnten in Grossbritannien sehr gering, weshalb viel grösseres Wirtschaftswachstum möglich ist, sobald Schritte unternommen werden, um Bankkredite für Produktionszwecke anzukurbeln – unabhängig davon, ob Grossbritannien in der EU bleibt oder nicht (obwohl ein Brexit es wesentlich erleichtern würde, politische Schritte in diese Richtung zu unternehmen). Wir sollten uns auch daran erinnern, dass es einer viel kleineren Volkswirtschaft wie Norwegen – das man für viel abhängiger vom internationalen Handel hielt – extrem gut ergangen ist, nachdem seine Bevölkerung die EU-Mitgliedschaft in einer Volksabstimmung im Jahre 1995 ablehnte (was gegen die düsteren Warnungen und Drohungen der parteiübergreifenden Elite, der meisten Medien und dem vereinten Chor der Führer der internationalen Organisationen geschah). Nebenbei brauchten Japan, Korea, Taiwan und China nie eine EU-Mitgliedschaft, um sich innerhalb etwa eines halben Jahrhunderts vom Status einer sich entwickelnden Wirtschaft zu top industrialisierten Nationen zu bewegen. Das Argument düsterer wirtschaftlicher Folgen eines Brexit ist ein Schein-
argument.

Der Bericht der «Fünf Präsidenten»

Hinsichtlich der ersten Frage, nämlich was es bedeutet, in der EU zu verbleiben, sollten wir die EU selbst konsultieren. Glücklicherweise hat die EU im Oktober 2015 einen grösseren offiziellen Bericht über ihre grundlegenden Strategien und darüber, was sie in näherer Zukunft zu erreichen beabsichtigt, herausgegeben. Der Bericht wurde unter dem Namen der «Fünf Präsidenten» der EU herausgegeben. Falls Sie sich nicht bewusst waren, dass es überhaupt einen einzigen Präsidenten, geschweige denn fünf Präsidenten der EU gibt, so sind dies: der nichtgewählte Präsident der Europäischen Zentralbank, Goldmann Sachs’ Zögling Mario Draghi; der nichtgewählte Präsident der Europäischen Kommission Jean-Claude Juncker; der nichtgewählte Brüsseler Kommissar und «Präsident der Euro-Gruppe» Jeroen Dijsselbloem; der «Präsident des Euro Gipfels» Donald Tusk und der Präsident des Europäischen Parlamentes Martin Schulz. Was ist die Botschaft dieser nicht unerheblichen Zahl von EU-Präsidenten bezüglich der Frage, wohin die EU sich bewegt? Der Titel ihres gemeinsamen Berichtes ist eine Gratiszugabe: «Der Bericht der fünf Präsidenten (sic!): Die Wirtschafts- und Währungsunion Europas vollenden». (https://ec.europa.eu/priorities/publications/five-presidents-report-completing-europeseconomic-and-monetary-union_en)
Der Bericht beginnt mit dem offenen Eingeständnis, dass in der EU «angesichts von 18 Millionen Arbeitslosen viel grössere Anstrengungen für eine erfolgreiche Wirtschaftspolitik unternommen werden müssen». Gut gesagt. Aber was genau muss getan werden?
«Europas Wirtschafts- und Währungsunion bietet momentan das Bild eines Hauses, an dem jahrzehntelang gebaut wurde, das aber nur teilweise fertiggestellt ist. Mitten im Sturm mussten Mauern und Dach rasch befestigt werden. Jetzt ist es höchste Zeit, die Fundamente zu verstärken und die WWU zu dem zu machen, was sie eigentlich sein sollte […].»
«Wenn wir dieses Ziel erreichen wollen, müssen wir weitere Schritte ergreifen, um die WWU zu vollenden.»
Die Planer der Zentrale in Brüssel und bei der EZB in Frankfurt sind sich durchaus bewusst, dass unter ihrem Kommando in den letzten zehn Jahren eine historisch noch nie dagewesene ökonomische Verwerfung in der EU stattgefunden hat, mit massiven Vermögens- und Eigentumsblasen, Bankenkrisen und einer grossräumigen Arbeitslosigkeit in allen EU-Peripheriestaaten – mit mehr als 50 Prozent Jugendarbeitslosigkeit in Griechenland, Spanien und Portugal und dem Fehlen jeder seriösen Kontrolle der EU-Aussengrenzen, um einen Zustrom einer beispiellosen Zahl illegaler Immigranten und wirtschaftlicher Migranten zu verhindern.

Weitere Machtkonzentration in der EU

Allerdings verschliessen die Planer der EU-Zentrale noch immer die Augen vor der Tatsache, dass diese Probleme voll und ganz durch ihre verfehlte und verheerende Politik verursacht worden sind. Deshalb argumentieren sie, dass die Lösung solcher Probleme nur durch weitere Machtkonzentration in ihren Händen erreicht werden könne: «Wir brauchen mehr Europa», wie Frau Merkel sagt. (Bitte lesen Sie diese Behauptungen Merkels über die EU: www.euractiv.com/section/eu-priorities-2020/news/merkel-calls-for-politicalunion-to-save-the-euro/). Es ist das, was sie vorschlagen, in den kommenden Jahren umzusetzen, indem sie alle EU-Mitglieder in ein einziges Land umwandeln.
Damit macht der Bericht der fünf Präsidenten klar, dass die EU nicht einfach eine Freihandelszone ist. Dieses Projekt hatte man schon mit dem Maastricht-Vertrag von 1992 hinter sich gelassen, und ein völlig anderes Europa ist dann mit der Europäischen Verfassung von 2007 verankert worden – «Lissabon Vertrag» genannt, da die Völker Europas sie in verschiedenen Referenden ablehnten. (Bitte lesen Sie, was der Autor der zurückgewiesenen Europäischen Verfassung sagt: www.independent.co.uk/voices/commentators/valeacutery-giscard-destaingthe-eu-treaty-is-the-same-as-the-constitution-398286.html). Vielmehr ist die EU das Projekt, um jegliche nationale Souveränität und alle Grenzen innerhalb abzuschaffen und alle europäischen Länder, die es nicht schaffen, rechtzeitig auszusteigen, zu einem einzigen, fusionierten, gemeinsamen neuen Land zu verschmelzen, mit einer zentralen europäischen Regierung, zentralisierter europäischer Geld- und Währungspolitik, zentralisierter Steuerpolitik, zentralisierter europäischer Aussenpolitik und zentralisierter europäischer Regulierung, einschliesslich der Finanzmärkte und des Bankenwesens. Diese Vereinigten Staaten von Europa, ein undemokratischer Leviathan, den die europäischen Völker nie wollten, ist der krönende Abschluss des vielfach wiederholten Mantras der «immer engeren Union».

«Kontinuierlich und heimlich über mehrere Jahrzehnte umgesetzt»

Dieses Projekt ist kontinuierlich und heimlich über mehrere Jahrzehnte umgesetzt worden, trotz bedeutender und gleichbleibender grober Fehler und Skandale der Politik, in die auch die zentralen Planer verwickelt waren (1999 zum Beispiel trat die gesamte Europäische Kommission – die nichtgewählte Regierung und das Kabinett des europäischen Superstaates – mit Schimpf und Schande zurück, nachdem man entdeckt hatte, dass sie Bestechungsgelder angenommen hatte und an Betrug beteiligt war, während der EU-eigene Rechnungshof sich wiederholt weigerte, die offiziellen (Rechnungs-)Bücher der EU zu genehmigen.)
Aus wirtschaftlicher Sicht ist klar: Man muss nicht EU-Mitglied sein, um wirtschaftlich zu gedeihen, und ein Austritt muss das Wirtschaftswachstum Grossbritanniens überhaupt nicht beeinflussen. Es kann in der Europäischen Wirtschaftszone bleiben, wie Norwegen es getan hat, oder einfach ein Handelsabkommen vereinbaren, wie die Schweiz es tat, und in den Genuss des Freihandels kommen – die hauptsächliche Zielsetzung der europäischen Abkommen in den Augen der Öffentlichkeit. Die Politik ist ebenso klar: Der europäische Superstaat, der bereits gebildet worden ist, ist nicht demokratisch. Das sogenannte «europäische Parlament», einmalig unter Parlamenten, kann überhaupt keine Gesetzgebung vorschlagen – Gesetze werden von der nichtgewählten europäischen Kommission formuliert und vorgeschlagen. Wie ein russischer Beobachter kommentierte, ist das europäische Parlament eine Abnick-Farce, genau wie das Sowjetparlament zu Zeiten der Sowjetunion, während die nichtgewählte Regierung die Europäische Kommission bildet – das mit Kommissaren vollgestopfte Politbüro.

Finanzelite im Hintergrund

Big Business und die Grossbanken sowie die Zentralbanker und der IWF stellen die Finanzelite dar, die hinter dieser beabsichtigten Konzentration der Macht steht – mit der immer mehr Macht in die Hände von immer weniger Leuten gegeben wird. Die undemokratische Natur der EU-Institutionen hat ein derartiges Ausmass erreicht, dass ich ein vor kurzem zurückgetretenes Mitglied des EZB-Rates im privaten Rahmen gestehen hörte, dass seine grösste Sorge die undemokratische Natur und das Ausmass der EZB-Befugnisse ist, die zunehmend für politische Zwecke missbraucht worden sind. Diese Tatsachen sind durch den stetigen Tropf der Propaganda übertönt worden, welche von den mächtigen Eliten hinter der Schaffung der Vereinigten Staaten von Europa ausgeht.

«Starke Unterstützung der USA für all das»

Während dieser Jahre und Jahrzehnte ständigen Transfers von Befugnissen und Souveränität von den Nationalstaaten und ihren demokratisch gewählten Versammlungen an die nicht-gewählte Brüsseler Bürokratie habe ich mich immer über die offensichtlich starke Unterstützung der USA für all das gewundert. Jedes Mal, wenn der «Prozess» der «immer engeren Union» auf ein Hindernis zu treffen schien, intervenierte ein US-Präsident – unabhängig vom Namen des Posten-Inhabers oder seiner Parteizugehörigkeit –, um den störenden Europäern unmissverständlich zu sagen, dass sie sich am Riemen reissen und die Vereinigung Europas in einen einzigen Staat beschleunigen sollten. In der Ahnungslosigkeit meiner Jugend war mir das überraschend erschienen. Genauso wurde der britischen Öffentlichkeit von Präsident Obama gesagt, dass ein Aussteigen aus der EU keine gute Idee sei und sie besser für einen Verbleib stimmen sollte.
Es überrascht nicht, dass die globale Elite, die vom Trend zur Machtkonzentration profitiert hat, zunehmend hysterisch wird in ihren Versuchen, die britische Öffentlichkeit dazu zu überreden, für einen Verbleib in der EU zu stimmen; weniger klar ist dabei, warum der US-Präsident und seine Regierung so erpicht auf das EU-Projekt sein sollen. Von den europäischen Medien ist in der Vergangenheit gesagt worden, dass die Konzentration ökonomischer und politischer Entscheidungen in Europa arrangiert worden sei, um ein Gegengewicht gegen die US-Dominanz zu schaffen. Dies schien einige Pro-EU-Stimmen zu motivieren. Der US-Präsident wird doch sicher davon gehört haben?
Es gibt noch ein weiteres Rätsel. Erst gestern wurde ein eindrucksvoll aussehendes Flugblatt in den Briefkasten meines Hauses in Winchester gesteckt, das den Titel trägt: «Grundlegendes zur EU – Ihr Leitfaden zum Referendum». Herausgegeben hat es eine Organisation mit dem Namen «Europäische Bewegung». Die 16seitige, farbige Hochglanzbroschüre spricht sich für einen Verbleib der Briten in der EU aus. Wer ist diese «Europäische Bewegung» und wer finanziert sie? Diese wenig bekannte Organisation scheint finanzkräftig genug zu sein, um ein hochwertig gedrucktes Büchlein in jeden Haushalt des gesamten Vereinigten Königreiches schicken zu können.

Verdeckte US-Operationen seit 1945

Die Freigabe ehemals geheimer Akten hat beide Rätsel gelöst. Denn wie sich herausstellt, hängen sie miteinander zusammen. In den Worten des Wissenschaftlers der Nottingham University Richard Aldrich:
«Der Einsatz verdeckter Operationen für die konkrete Förderung der europäischen Einheit hat wenig akademische Aufmerksamkeit erfahren und wird immer noch mangelhaft verstanden. […] Die diskrete Injektion von über drei Millionen Dollar zwischen 1949 und 1960, hauptsächlich aus US-Regierungsquellen, war zentral für die Anstrengungen, um genügend Unterstützung der Massen für den Schumann-Plan zusammenzubekommen, für die Europäische Verteidigungsgemeinschaft und eine europäische Vereinigung souveräner Mächte. Dieser verdeckte Beitrag hat nie weniger als die Hälfte des Budgets der Europäischen Bewegung ausgemacht, und nach 1952 wahrscheinlich zwei Drittel davon.
Gleichzeitig suchten sie den entschiedenen Widerstand der britischen Labour-Regierung gegen föderalistische Ideen zu untergraben […]. Besonders überraschend ist auch, dass der gleiche kleine Trupp leitender Beamter, viele von ihnen aus westlichen [Anmerkung: das bedeutet US-]Geheimdienstkreisen, eine zentrale Rolle spielte bei der Unterstützung der drei wichtigsten transnationalen Elitegruppen, die in den 1950er Jahren entstanden: die Europäische Bewegung, die Bilderberg-Gruppe und Jean Monnets ‹Aktionskomitee für die Vereinigten Staaten von Europa› (ACUE). Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass zu einer Zeit, in der gewisse britische Antiföderalisten eine ‹besondere Beziehung› zu den Vereinigten Staaten als Alternative zu (vielleicht sogar als Zuflucht vor) europäischem Föderalismus betrachteten, gewisse europäische föderalistische Initiativen mit amerikanischer Unterstützung aufrechterhalten worden sein sollen.»

Es gibt noch viel mehr zu lesen in diesem explosiven Beitrag wissenschaftlicher Forschung (Richard J. Aldrich, «OSS, CIA and European unity: The American committee on United Europe, 1948–60», Diplomacy & Statecraft, 8(1) 1997, pp. 184–227, online bei www.tandfonline.com/doi/abs/10.1080/09592299708406035#.V2exrU36voo).

Wichtige Ergebnisse der wissenschaftlichen Forschung

Der britische Journalist und ehemalige Brüsseler Korrespondent Ambrose Evans-Pritchard war der einzige Journalist, der in zwei Artikeln in den Jahren 2000 und 2007 über solche akademischen Forschungsbefunde berichtete:
«Deklassifizierte amerikanische Regierungsdokumente zeigen, dass die US-Geheimdienste in den fünfziger und sechziger Jahren eine Kampagne führten, um ein vereinigtes Europa in Fahrt zu bringen. […] US-Geheimdienste finanzierten insgeheim die Europäische Bewegung und zahlten mehr als die Hälfte ihres Budgets. Einige der EU-Gründerväter standen auf der Gehaltsliste der USA […].
Die Dokumente bestätigen Vermutungen, die damals geäussert wurden, dass Amerika hinter den Kulissen aggressiv daran arbeite, Grossbritannien in einen europäischen Staat zu drängen. Damit wir nie vergessen: Die Franzosen mussten anfangs der fünfziger Jahre unter grösstem Protest an den föderalistischen Unterschriftentisch geschleift werden. Eisenhower drohte, die Marshall-Plan-Hilfe zu unterbrechen, sollte Paris nicht zum Kuss bereit sein und sich mit Berlin versöhnen. Frankreichs Jean Monnet, der führende Kopf der EU, wurde als amerikanischer Agent angesehen – was er tatsächlich war. Monnet diente während des Krieges als Roosevelts Mittelsmann in Europa und orchestrierte den misslungenen Versuch, de Gaulle von der Machtübernahme abzuhalten.
Ein Memorandum, das vom 26. Juli 1950 datiert, gibt Instruktionen für eine Kampagne, um ein voll ausgebildetes europäisches Parlament voranzutreiben. Unterschrieben ist es von General William J. Donovan, dem Leiter des Office of Strategic Services, das während des Krieges gebildet wurde und der Vorläufer der CIA ist. […] Washingtons wichtigstes Werkzeug bei der Gestaltung der europäischen Agenda war das American Committee for a United Europe, das 1948 geschaffen wurde. Vorsitzender war Donovan, inzwischen angeblich ein privater Anwalt. Der Vize-Vorsitzende war Allen Dulles, der CIA-Direktor in den fünfziger Jahren. Zum Vorstand gehörten auch Walter Bedell Smith, der erste Direktor der CIA, und eine Liste von Ex-OSS-Leuten und Beamten, die bei der CIA ein- und ausgingen. Die Dokumente zeigen, dass das ACUE (Monnets Aktionskomitee) die Europäische Bewegung finanzierte, die wichtigste föderalistische Organisation in den Nachkriegsjahren. 1958 zum Beispiel lieferte es 53,5 Prozent der Gelder der Bewegung. Die Europäische Jugendkampagne, ein Zweig der Europäischen Bewegung, wurde vollständig von Washington finanziert und kontrolliert.

«Gedungene Arbeitskräfte der USA»

Die Führer der Europäischen Bewegung – Retinger, der visionäre Robert Schumann und der ehemalige belgische Premierminister Paul-Henri Spaak – wurden von ihren amerikanischen Sponsoren alle als gedungene Arbeitskräfte behandelt. Die Rolle der USA wurde als verdeckte Operation gehandhabt. Die Gelder des ACUE kamen von den Ford- und Rockefeller-Stiftungen sowie Unternehmensgruppen mit engen Verbindungen zur US-Regierung.
Der Chef der Ford Foundation, Ex-OSS-Offizier Paul Hoffmann, diente in den späten fünziger Jahren auch als Chef des ACUE. Das Aussendepartement spielte ebenfalls eine Rolle. Ein Memo der europäischen Abteilung, das vom 11. Juni 1965 datiert, rät dem Vizepräsidenten der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, Robert Marjolin, die Währungsunion heimlich zu verfolgen.
Es empfiehlt, eine Debatte solange zu unterdrücken, bis der Punkt erreicht ist, an dem ‹eine Annahme deratiger Vorschläge praktisch unausweichlich werden würde›.
Fünfzig Jahre nach dem Vertrag von Rom wären die Architekten der US-Nachkriegs-Politik, denke ich, ganz zufrieden, wenn sie heute noch lebten. […]» 
(Auszüge aus Ambrose Evans-Pritchard: «Euro-federalists financed by US spy chiefs», «The Daily Telegraph» vom 19. September 2000; www.telegraph.co.uk/news/worldnews/europe/1356047/Euro-federalistsfinanced-by-US-spy-chiefs.html und Ambrose Evans-Pritchard: «The scare of a superstate has passed, but do we want to lose the EU altogether?», «The Daily Telegraph» vom 7. April 2007).
Kein Wunder, hat Herr Evans-Pritchard nun den Schluss gezogen, dass er für einen Brexit stimmen wird:www.telegraph.co.uk/business/2016/06/12/brexit-vote-is-about-the-supremacyof-parliament-and-nothing-els/

EU – das Resultat einer bedeutenden US-Geheimdienstoperation

Die Enthüllung, dass die EU das Resultat einer bedeutenden US-Geheimdienstoperation ist – faktisch bloss eine weitere geheime Kreatur der Täuschung, die von der CIA lanciert wurde (und die einen Ehrenplatz in der Galerie der Niedertracht einnimmt, in der auch Operationen unter falscher Flagge, Invasionen, Staatsstreiche und die Schaffung von Organisationen wie al-Kaida und IS zu finden sind) – löst das dritte Geheimnis, nämlich, wie um alles in der Welt die angeblich demokratischen europäischen Nationen eine derart undemokratische, faktisch diktatorische Struktur, konstruieren konnten. Mit der EU/den Vereinigten Staaten von Europa erreichten die USA nicht nur ihre geostrategischen Ziele in Europa, sondern hatten auch die Rolle der lästigen nationalen Parlamente eliminiert, die der Aussenpolitik der USA oder der CIA ab und zu in die Quere kommen können. Und ein weiteres Rätsel ist gelöst, und zwar, warum die EU vor ein paar Jahren der Anfrage der USA, dass US-Spionageagenturen Zugang zu allen europäischen E-Mails und Telefonanrufen erhalten sollten, so bereitwillig zustimmte …

Abschaffung der Souveränität und Unterordnung unter US-Interessen

Ein Votum für den Verbleib in der EU ist daher ein Votum dafür, das Vereinigte Königreich als souveränen Staat abzuschaffen und es in die undemokratischen Vereinigten Staaten von Europa aufgehen zu lassen, welche die europäischen Eliten unter US-Vormundschaft errichten. Dass die europäische Öffentlichkeit – und es scheint, sogar europäische Politiker – wenig oder keinen Einfluss auf wesentliche europäische Entscheidungen haben, kann man an der zunehmend aggressiven Haltung der Nato gegenüber Russ­land ersehen (die in Brüssel basierte Nato ist der militärische Arm der EU und steht offen unter direkter US-Kontrolle) und an den einseitigen Sanktionen gegen Russland, deren Einführung die USA den Europäern einfach befehlen konnten (und die zu bedeutenden Verlusten an Einkommen und Arbeitsplätzen in Europa führten, während sie amerikanischen Geschäftsinteressen Auftrieb geben). Die Einwanderungspolitik ist ein weiteres Paradebeispiel. Wenn die USA in der Vergangenheit die weitgehend homogenen europäischen Bevölkerungen als Quelle potentiellen europäischen Widerstandes gegen ihre Pläne für Europa betrachteten, dann macht die Politik zu deren Ersetzung mit balkanisierten gescheiterten «Schmelztiegeln» ebenfalls Sinn.
Norwegen stimmte 1995 über eine EU-Mitgliedschaft ab. Die führenden Parteien waren alle dafür. Die grossen Konzerne und die Zentralbanken, die grossen Pressekanäle und die Fernsehsprecher setzten verzweifelt Druck auf und drängten die norwegische Öffentlichkeit, für ein «Hinein» zu stimmen. Die Bevölkerung blieb standhaft und stimmte «draussenbleiben». Norwegen entwickelte sich prächtig. Und um so mehr wird dies Grossbritannien.    •
(Übersetzung Zeit-Fragen)
zf. In Zusammenhang mit der EU hat der Begriff «föderalistisch» eine besondere Bedeutung und meint in erster Linie die zunehmende Abgabe nationalstaatlicher Hoheitsrechte an die Zentrale in Brüssel.
Richard A. Werner ist deutscher Wirtschaftswissenschaftler und Professor für Internationales Bankwesen. 1989 Hochschulabschluss der London School of Economics mit First Class Honours; Doktorat in Volkswirtschaftslehre (zu Wirtschaft und Bankwesen in Japan) an der Oxford University; ab 1990 Studien im Rahmen des Graduiertenprogramms an der Universität Tokio mit Studien am Forschungsinstitut für Kapitalbildung der Japanischen Entwicklungsbank; Gastwissenschaftler am Institut für Geld- und Wirtschaftsentwicklung und Gastdozent am Institute for Monetary and Fiscal Studies beim Finanzministerium in Tokio. Weitere Tätigkeiten in Japan und bei der asiatischen Entwicklungsbank. Seine Studien zu den Hintergründen der japanischen Krise publizierte er unter anderem 2001 im Buch «Princes of the Yen», das in Japan auf Platz 1 der Bestsellerliste gelangte. 2004 folgte Werner einem Ruf an die Universität Southampton, England. Dort ist er derzeit Professor für Internationales Bankwesen und Direktor der Abteilung für Internationale Entwicklung sowie (Gründungs-)Direktor des Centre for Banking, Finance and Sustainable Development; Vorstandsmitglied und Beirat der Southampton Management School. Immer wieder ist er auch Gastprofessor an der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main. Richard Werner ist ausserdem Gründungsmitglied und Vorstand von Local First CIC, einem gemeinnützigen Unternehmen, das auch in England Lokalbanken nach dem Vorbild deutscher Sparkassen und Genossenschaftsbanken einführen will.


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