2010-11-04

Vereinfachtes Vertragsänderungsverfahren

Der Ordinarius für öffentliches Recht, Staatsrechtslehrer und Wirtschaftsprofessor Dr. Karl Albrecht Schachtschneider legte in der wichtigsten Verfassungsbeschwerde gegen den Beitritt Österreichs in die EU und die Folgeverträge von Amsterdam, Nizza und Lissabon eindrücklich dar, wie der Europäische Rat nur durch einfachen Beschluss den EU-Vertrag zum Teil oder ganz ändern kann, ohne dass die nationalen Parlamente zustimmen müssen (S 337 ff). In der Pressekonferenz anlässlich der Einreichung der Anträge beim österreichischen Verfassungsgerichtshof erklärte Prof. Schachtschneider genau dieses Vereinfachte Vertragsänderungsverfahren genauer (Video).

Inzwischen hat sich für Deutschland in dieser Sache etwas geändert. Das deutsche Bundesverfassungsgericht hat im Lissabonurteil (Klageschrift von Prof. Schachtschneider), festgestellt, das Rechtssetzungsakte im Vereinfachten Änderungsverfahren unbedingt durch das deutsche Parlament müssen. Immerhin eine Chance auf ein wenig Demokratie, auch wenn nicht zu erwarten ist, dass die EU-Erfüllungsgehilfen (Ausnahmen bestätigen die Regel) im deutschen Parlament ein solches Verfahren aufhalten werden. Es muss öffentlich gemacht werden, die Bürger kriegen die undemokratische Vorgehensweise der EU mit und können sich gegebenenfalls  bei Wahlen für die Entscheidung der Politiker rächen und Politiker wählen, die dem Gemeinwohl dienen und nicht der Hochfinanz.

Nun will die Europäische Union mittels Vereinfachten Änderungsverfahren den Art.122 des Vertrages über die Arbeitsweise der Union (AEUV), der ja einer der Voraussetzung für die Einführung der Gemeinschaftswährung EURO war, ändern: Dieser Artikel diente jetzt schon als Rettungsanker für die "Griechenlandhilfe" und den "Rettungsschirm" der EU. Es wurden zum Schutz der Währung EURO bis jetzt etwa 750 Milliarden in eine Zweckgesellschaft in Luxemburg von den Mitgliedsstaaten der EU (und vom IWF) eingezahlt um Staaten (Banken oder sonstige Finanzkonstruktionen), die sich verspekuliert haben und dadurch in Not geraten sind, zu helfen. Das ist klar gegen die EU-Verträge (Art. 125 AEUV u. Art. 123 AEUV) und wurde mit dem Art. 122 AEUV  (unrechtmäßig) gerechtfertigt. Der Artikel 122 AEUV sieht nämlich vor, dass bei Naturkatastrophen oder sonstigen Ereignissen finanziell "geholfen" werden darf. (Links: Zeit-Fragen Nr. 43/1. Nov. 2010 und hier)

Die blinde Rettung der Banken und sonstiger Finanzgebilden, die sich verspekuliert haben ist nicht vorgesehen und letzten Endes zu Lasten der Steuerzahler. Dieser Vertragsbruch wurde in Deutschland von 5 Professoren beim Bundesverfassungsgericht eingeklagt (Verfassungsbeschwerde, Pressekonferenz). Aktuell sollen die ersten 80 Milliarden Euro an Irland überwiesen werden. Es werden die sogenannten PIGS-Länder folgen. Allein Spanien hat etwa 750 Milliarden Euro Schulden. Der kleine Mann muss sparen, während die Finanzmächte munter weiter spekulieren dürfen.

 Prof. W. Hankel: Das Bundesverfassungsgericht hat die Klagen gegen die steuerfinanzierten Euro-Rettungsschirme als klare Verstöße gegen die EU-Verträge und unser Grundgesetz angenommen und diesmal nicht zurückgewiesen wie vor 12 Jahren  die Klage gegen die Einführung des Euro. Das Gericht hat die Klage den Beteiligten (Bundesregierung, Bundestag und Bundesrat) zur Stellungnahme vorgelegt 

Und in Österreich? 

Österreich ist mit rund 15 Milliarden beim "Rettungsschirm" (und Griechenlandhilfe) beteiligt und der Steuerzahler darf auf das nächste Sparpaket warten. Die Demokratie wir weiter mit Füßen getreten und von einer Direkten Demokratie ist man weit entfernt. (Links: www.direktedemokratie.atZeit-Fragen). Was hier den Bürgern in Österreich aufgezwungen wird,  hat nichts mit Nächstenliebe oder Hilfestellung zu tun. Ganz im Gegenteil: Diese Gelder dienen zur Aufrechterhaltung eines korrupten Systems, letztendlich zur Rettung von Banken und Konzernen. Das korrupte Geflecht von Finanzwelt und Politik ist eine Schwachstelle. Es gibt einen sehr einfachen Weg, die Macht der Großkonzerne zu beschneiden: Man muss sie zerschlagen.(Noriel Roubini. Das Ende der Weltwirtschaft und ihre Zukunft. S 298.)

Bundeskanzler Faymann versprach 2008 eine Volksabstimmung  einzuleiten, wenn der EU-Vertrag wieder grundsätzlich geändert wird. Rein rechtlich gibt es keine Notwendigkeit, aber Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) hat in seinem offenen Brief an die „Kronen Zeitung“ ein solches Referendum angekündigt, sobald die Interessen der Österreicher betroffen seien. Die FPÖ hat bereits die Abhaltung eingefordert. Faymann sieht keine Notwendigkeit.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.11.2010)

Diese geplante Änderung des EU-Vertrages wird jedem Einzelnen Österreicher schaden. Wenn diese Vertragsänderung keine substantielle Änderung sein soll, was den sonst? Die EU verfestigt weiter seine Staatlichkeit und wird zur Transferunion zu Lasten der tüchtigen Mitgliedsstaaten wie Österreich und zu Gunsten der Finanzoligarchie. Damit wird der internationale Irrweg des Raubtierkapitalimus gestützt. 

Herr und Frau Österreicher sollten sich bequemen die Politiker ins Gebet zu nehmen und eine Volksbabstimmung über solch schicksalhafte Entscheidungen zu fordern. Weiters Leserbriefe schreiben um die undemokratische Vorgehensweise der EU und der nationalen Regierungen aufzuzeigen. Im Ausland wurden schon Initiativen gestartet: 

Forderungen nach Referenden werden laut
In den Niederlanden und in Irland wächst der Druck auf die Regierung, eine Volksabstimmung über die angekündigte EU-Vertragsänderungen abzuhalten. Der rechte Politiker Geert Wilders hat ein Referendum gefordert Die gleiche Forderung kommt von den oppositionellen Sozialdemokraten.

Den Haag/Dublin.

Die EU-Staats- und Regierungschefs haben die Änderung des EU-Vertrags als Nebensächlichkeit heruntergespielt. Es gehe nur um eine Anpassung, um künftig mit Budgetkrisen im Euroraum besser umgehen zu können, war die Parole des EU-Gipfels in der vergangenen Woche. Doch nun wächst der politische Druck in den ersten der 27 Länder, erneut das Volk bei der Vertragsänderung einzubeziehen.

In Irland spricht sich die Sinn Fein für eine Volksabstimmung zur EU-Vertragsänderung aus. Sie argumentiert, dass ein von Deutschland durchgesetztes Insolvenzrecht für Euroländer zu einer weiteren Kompetenzübertragung nach Brüssel führen könnte. Die oberste irische Justizbehörde wird im Dezember die Notwendigkeit eines Referendums prüfen, sobald der endgültige Text von den Staats- und Regierungschefs der Union verabschiedet wurde.

Dänemark muss prüfen

Kommt es zu einer Kompetenzübertragung, so muss auch Dänemark die Notwendigkeit eines Referendums prüfen. Auch die neue britische Regierung unter dem Tory-Politiker David Cameron hat für diesen Fall eine Abstimmung in Aussicht gestellt. In Österreich wird die Abhaltung einer Volksabstimmung eine politische Entscheidung.

Brüssel (dpa) - Kanzlerin Angela Merkel verhandelt in Brüssel unter dem Damoklesschwert von Karlsruhe. Sollte sie keine juristisch wasserdichte Regelung in der EU zum dauerhaften Schutz vor neuen Finanzkrisen durchsetzen, droht ihr eine Niederlage beim Bundesverfassungsgericht, meinen Experten.
Die obersten deutschen Richter hatten im Mai den Erlass einer einstweiligen Anordnung gegen den Euro-Rettungsschirm zwar abgewiesen, um den Zusammenbruch des Währungssystems nicht heraufzubeschwören. Die Verhandlungen und das Urteil in der Hauptsache stehen aber noch aus.
«Es gibt rechtliche Grenzen, die wir zu beachten haben, das müsse auch unsere Partner berücksichtigen», sagt der CSU-Europapolitiker Thomas Silberhorn. Eine einfache Verlängerung des Euro-Rettungsschirms über das Jahr 2013 hinaus hätte nach seiner Ansicht vor Gericht keine Chancen.
Der Lissabon-Vertrag verbietet im Artikel 125, dass ein Staat einen anderen Staat «herauskaufen» kann («No-Bailout-Klausel»). Der Artikel 122 erlaubt dagegen finanziellen Beistand im Falle von Naturkatastrophen oder außergewöhnlichen Ereignissen, die außerhalb der Macht des EU-Mitglieds liegen. Darauf stützten sich die EU-Rechtsexperten, um die Milliardenhilfen für Griechenland zu ermöglichen.
Dass dies bei einer erneuten Finanzkrise rechtlich möglich ist, bezweifeln die Juristen. In diesem Fall könnte Karlsruhe deutsche Zusagen für die EU stoppen.
Aus: © sueddeutsche.de - erschienen am 28.10.2010
Weitere Informationen zu diesem Thema finden Sie ebenfalls auf www.bild.de.

Verweis: 1




2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Es gibt leider keine Politiker mehr die dem gemeinwohl dienen!

Wir werden solange bei der EU sein bis Österreich genauso arm und am Ende ist wie die andren EU Länder...
Die saugen uns aus wie Parasiten!!!

Helmut Schramm hat gesagt…

Das wollen wir uns gefallen lassen?