ev. Leider melden sich bis heute nur wenige Staatsrechtler zu Wort, welche die gegenwärtigen politischen Entwicklungen konsequent an den philosophischen Grundlagen der allgemeinen Staatsrechtslehre und deren Voraussetzung – der conditio humana, der naturgegebenen Bestimmung des Menschseins – messen. Einer von ihnen ist Karl Albrecht Schachtschneider – so auch in seinem in dieser Ausgabe dokumentierten Vortrag «Die Bürgerlichkeit des Bürgers». Ausgangspunkt seiner Kritik an supranationalen politischen Gebilden wie der Europäischen Union oder einer Weltregierung, an Zentralismus und Herrschaftsstrategien, aber auch am Konzept der neoliberalen Globalisierung und deren Strategien der Kapitalverkehrsfreiheit, der Deregulierung und Privatisierung staatlicher Aufgaben ist immer der Mensch als Träger der ihm eingeborenen, natürlichen Freiheit. Die Freiheit muss dem Menschen nicht verliehen werden, sie kann ihm nicht verliehen werden, denn sie ist mit ihm geboren, wie es kurz und prägnant in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte heisst: «Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Recht geboren.» Diese Freiheit ist die Grundlage allen Rechts und bestimmt auch die Bürgerlichkeit des Menschen: Als Zoon politicon, als gesellschaftliches Wesen ist der Mensch auf das Zusammenleben angelegt und angewiesen – und nur ein Zusammenleben, das der Freiheit des Menschen, dieser eingeborenen Grundvoraussetzung des Menschseins aller Menschen, entspricht, kann auch menschenwürdig genannt werden. Spätestens seit der Französischen Revolution ist diese Einsicht naturrechtlicher, humanistischer und aufklärerischer Philosophen auch in staatsrechtliche Begriffe gefasst worden. Der Bürger – nicht eine Aristokratie, nicht Feudalherren, nicht König oder Kaiser, nicht eine bestimmte Schicht oder Elite – der Bürger, der Citoyen, trägt den Staat: «Der Bürger ist die zentrale Figur der Republik, des freiheitlichen Gemeinwesens», das selbstverständlich unter dem Rechtsstaatsprinzip und dem demokratischen Prinzip ausgestaltet ist. Aus den zahlreichen grundlegenden Aspekten, die Schachtschneider im vorliegenden Beitrag aufgreift, sei an dieser Stelle vor allem einer hervorgehoben: Die kleine Einheit als einer Voraussetzung der Bürgerlichkeit des Bürgers: Die Selbstbestimmung verlangt einen gewissen Überblick über die eigenen Lebensverhältnisse: Hier trägt und überschaut der Bürger die Folgen seiner Entscheide unmittelbar selber; die Überschaubarkeit der Abläufe und insbesondere das föderalistisch strukturierte Gemeinwesen «ist eine wirksame Sicherung vor Irrtümern, vor allem aber ein wirksamer Schutz vor korrupten Politikern». Entsprechend deutlich weist Schachtschneider alle Konzepte zur Auflösung oder Privatisierung des Staates als gesellschaftlicher Lebensform auf der Grundlage der Freiheit und der Bürgerlichkeit des Bürgers zurück: Eine One-World-Politik im Sinne eines zentralen Weltstaates unter Ägide der heutigen Finanzmächte ist mit der Freiheit des Bürgers nicht zu vereinbaren, und jenseits von einer Völkerverständigung freier, selbstbestimmter Völker «zerstört der Internationalismus, genannt Globalisierung, die Bürgerlichkeit der Lebensverhältnisse, die Republikanität der Republiken». Und analog fordert er auch im Bereich von Freihandelsideologie, der von Recht und Gemeinwohlinteresse losgelösten Theorien der Gewinnmaximierung einen erneuten Aufbruch zur Besinnung auf die echten Grundlagen der Freiheit, die auch Verpflichtung ist. Ohne Bindung an Recht und Gerechtigkeit, an Vernunft und Gewissen, «ohne philosophische Fundierung ist der Versuch, zum Recht zu finden, zum Scheitern verurteilt [...]. Es geht um die Verteidigung des Rechts, das nur auf der allgemeinen Freiheit begründet sein kann […], um den Status, den der Bürger von Verfassung wegen» – und auf Grund seines Menschseins hat. «Ich wünschte, ein Bürger zu sein» Theodor Mommsen Die Bürgerlichkeit ist die Würde des Bürgers. Der Bürger wird in der Staatsrechtslehre vernachlässigt, jedenfalls in Deutschland. Der Bürger ist jedoch die zentrale Figur der Republik, des freiheitlichen Gemeinwesens. Bürgerliche Gleichheit in der FreiheitDer Bürger ist durch die Freiheit definiert. Er ist seinem Wesen nach frei. Freiheit ist immer auch und wesentlich die politische Freiheit, die Freiheit in der polis. Sie ist die Bürgerlichkeit des Bürgers. Der Bürger ist Mitglied einer Republik, eines Staates in der Verfassung der allgemeinen Freiheit, des Freistaates, eines Staates im eigentlichen Sinne, wie nach den Verfassungsgesetzen die Republik Österreich und die Bundesrepublik Deutschland1 und in der Schweiz, die als Eidgenossenschaft der Kantone verfasst ist. Alle drei Länder sind Bundesstaaten. Das stärkt die Republikanität durch föderale oder vertikale Gewaltenteilung. Deutschland und Österreich sind keine bündischen Republiken, sondern Bundesrepubliken, so wie Deutschland seine Staatsform nennt. Mit der Freiheit des Bürgers ist die bürgerliche Gleichheit verbunden. Die Freiheit ist immer die allgemeine Freiheit. Jeder Mensch hat die gleiche Freiheit. Die Gleichheit in der Freiheit ist das Grundprinzip, was viele Staatsrechtslehrer auch sagen, aber nicht wirklich dogmatisieren. Das führt zur Gleichberechtigung, zur Gleichheit in den Rechten, nicht etwa zu einem Rechtsprinzip der Gleichheit. Die Menschen sind alle sehr unterschiedlich. Niemand kann verlangen, dass er gleich einem anderen Menschen ist oder gleich gemacht wird oder dass er gleich jedem anderen behandelt wird. Das wäre nicht nur sachwidrig, ja unmöglich. Es würde die Unterschiede der Menschen verleugnen und missachten. Der Egalitarismus ist menschenverachtend, zumal wenn er soweit geht, dass Menschen benachteiligt oder gar geschwächt werden, um nicht stärker oder besser zu sein als andere oder die anderen. Der Lissabon-Vertrag aber nennt in Art. 2 EUV als einen der «Werte, auf die sich die Union gründet», «die Gleichheit von Frauen und Männern». Das ist kaum aus Versehen geschehen, sondern liegt in der Logik des Gender-Mainstreaming, das die «tatsächliche Gleichstellung» von Männern und Frauen zum Ziel hat. Mit welchem Mann soll eigentlich welche Frau gleichgestellt werden? Mann und Frau sind nicht nur von Natur unterschiedlich, sondern befinden sich regelmässig auch in unterschiedlichen Lebenslagen. Der Feminismus führt zur Missachtung der Natur. Die Gleichberechtigung ist auch nur erträglich, wenn der Bereich der Privatheit so zugemessen ist, dass die Menschen sich hinreichend in ihrer Unterschiedlichkeit entfalten können. Gleichmacherei erstickt nicht nur die freie Entfaltung der Persönlichkeit, ein Menschenrecht (Art. 12 AEMR; Art. 2 Abs. 1 GG), sondern auch die Entwicklung des Gemeinwesens. Egalitarismus ist extremer Sozialismus und zwingt zum Totalitarismus. Von der Bürgerlichkeit des Bürgers lässt er nichts übrig. Es gibt kein Spannungsfeld von Freiheit und Gleichheit, wie es allgemein, auch vom Bundesverfassungsgericht, mit dem Motto: je mehr Freiheit desto weniger Gleichheit und umgekehrt, vertreten wird (BVerfGE 5, 85 (206), ständig)2. Es gibt gleiche Freiheiten, gleiche Rechte. Auch dieses Motto beruht auf dem Missverständnis von Freiheit. Bürgerliche Freiheitslehre31. Bürgerliche RevolutionDie Französische Revolution war die Zeitenwende. Sie hat einen Bürgerstaat zu schaffen versucht und demgemäss eine bürgerliche Freiheitslehre hervorgebracht. Freiheit definiert die Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte von 1789 als das Recht, «alles tun zu können, was einem anderen nicht schadet» (Art. 4). Das Geniale dieser Erklärung, die, philosophisch von Rousseau vorbereitet, weitgehend Abbè Sieyes, dieser beraten von Kant, einem Schüler Rousseaus, formuliert hat, ist die Verbindung dieser Freiheitsformel mit dem Prinzip des Gesetzes als dem allgemeinen Willen, der volonté générale. Was nämlich ein Schaden ist, bestimmen die Gesetze, und diese Gesetze sind «der Ausdruck des allgemeinen Willens» (Art. 4 und Art. 6). Vieles empfindet man als schmerzlich, und trotzdem ist es nach dem Rechtsprinzip kein Schaden. Die französische Definition erfasst die äussere Freiheit, nicht auch die innere, die Sittlichkeit. Kant hat die Freiheitslehre vertieft und die innere Freiheit als Tugendpflicht hinzugefügt. Ohne die (formale) Tugend, die Sittlichkeit auch privaten Handelns, ist ein Gemeinwesen zu einem solchen Mass an Regulierung genötigt, dass es mit der Beweglichkeit die Bewegung einbüsst. Wenn das Schädliche durch die Gesetze bestimmt wird, bestimmen die Gesetze, der allgemeine Wille, die Grenzen der Handlungsbefugnisse. Die Gesetze können nur für alle zusammen gelten; denn sie sind der allgemeine Wille. Wenn sie nicht der Wille aller, also der Wille jedes Bürgers sind, haben sie keine allgemeine Verbindlichkeit, weil nur der eigene Wille bindet. Das ist die politische Freiheit. Die Gesetze werden je nach der Lage verändert, müssen allerdings immer die Würde des Menschen und damit die Menschenrechte achten. Jedenfalls gilt das neminem laede: Niemand darf durch sein Handeln anderen schaden. Freiheit verwirklicht sich somit in Gesetzen, die freilich dem Recht genügen müssen. Die Gesetzlichkeit sichert der Staat. Freiheit, Recht und Staat sind eine notwendige Einheit des bürgerlichen Gemeinwesens. Freiheitslehre ist zugleich Rechts- und Staatslehre. 2. Bürgerliche Freiheit durch Gesetze der BürgerFreiheit ist, dem selbst gegebenen Gesetz zu gehorchen, hat Jean-Jacques Rousseau, das politische Genie, gelehrt. Kant spricht von der «Idee der Würde eines vernünftigen Wesens, das keinem Gesetz gehorcht, als dem, das es zugleich selbst gibt» (GzMdS, S. 67). Frei ist der Mensch unabhängig von eines anderen nötigender Willkür (MdS, S. 345)4, aber auch unabhängig von den Neigungen, unabhängig von aller Determination, sagt Kant in der Dritten Antinomie der Kritik der reinen Vernunft (S. 426 ff.). Empirisch ist der Mensch gänzlich abhängig. Aber die Idee der Freiheit ist eine Unabhängigkeit des Menschen als Vernunftwesen von allen Determinanten. Diese Idee der Freiheit ist um der Menschheit des Menschen willen notwendig. Ohne diese äussere Freiheit wäre Recht nicht denkbar. Wir sind keine biologistischen Wesen, sondern geistige Wesen, die der praktischen Vernunft fähig sind. Die Idee der Freiheit macht die Würde des Menschen aus, die das die westlichen Verfassungsgesetze bestimmende Prinzip ist, etwa Art. 1 Abs. 1 S. 1 GG, vor allem aber Art. 1 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte von 1948. Die Menschenwürde ist der Grundwert, den auch Art. 2 EUV aufgegriffen hat. Wir sagen das nicht nur, sondern versuchen, das zu leben. Freiheit ist somit Gesetzgebung, eigene Gesetzgebung, die zugleich allgemeine Gesetzgebung ist, Autonomie des Willens. Zum Begriff eines Gesetzes gehört, dass das Gesetz für alle gilt. Das Wesen des Gesetzes ist eine Allgemeinheit und Notwendigkeit. Das Gesetz, das für mich gilt, gilt für jeden, der mit mir zusammen in einem Gemeinwesen lebt, aus dem einfachen Grund, dass wir zusammenleben. Das Handeln jedes einzelnen Menschen hat Wirkung auf alle. Das ist im näheren Umfeld leicht einsichtig. Genau genommen ist die Wirkung des Handelns weltweit. Wer handelt, der verändert die Welt. Er beeinträchtigt durch sein Handeln die anderen Menschen, er nötigt die anderen in ein anderes Leben. Wo einer sitzt, kann kein anderer sitzen. Das Handeln kann nur nach dem Satz volenti non fit iniuria rechtens sein, wenn alle dem Handeln zustimmen, wenn das Gesetz, nach dem der Mensch handelt, das Gesetz aller ist. Die allgemeine Gesetzgebung ist die Logik der allgemeinen Freiheit, der Gleichheit in der Freiheit. Weil wir alle aufeinander einwirken, müssen wir unter einem allgemeinen Gesetz leben, das aber das Gesetz jedes einzelnen ist. 3. Praktische Vernunft als Autonomie des WillensFreiheit ist Autonomie des Willens. Der Wille ist aus sich selbst heraus gesetzgebend. Ohne die Transzendentalphilosophie Kants kann das nicht verstanden werden. Der Mensch ist homo phaenomenon und homo noumenon, also ein dualistisches Wesen. Der homo noumenon, das Vernunftwesen, ist nur eins: vernünftig. Er kann sich seines eigenen Verstandes bedienen. Nur als solcher hat er einen Willen, der gesetzgebend ist. «Von dem Willen gehen die Gesetze aus» (MdS. S. 332). Als homo phaenomenon hat der Mensch keinen Willen, was die Hirnforschung gegenwärtig zu beweisen unternimmt. Aber die Menschheit hat die Idee der Freiheit als der Fähigkeit der Kausalität des Handelns. «Alle Menschen denken sich dem Willen nach als frei» (KrV, S. 675). «Ein jedes Wesen, das nicht anders als unter der Idee der Freiheit handeln kann, ist eben darum, in praktischer Hinsicht, wirklich frei», […] (GzMdS, S. 83)5. Um der praktischen Vernunft, die auch empirisch erkennbar ist, der Autonomie des Willens also, fähig zu sein, muss der Mensch selbständig sein. Kant ersetzt die dritte Maxime der Französischen Revolution, die Brüderlichkeit, durch das Prinzip der Selbständigkeit, völlig zu Recht. Nur wer selbständig ist, kann unabhängig sein. Der Selbständigkeit dient das Sozialstaatsprinzip. 4. Sittlichkeit und MoralitätDie äussere Freiheit als die Unabhängigkeit setzt die innere Freiheit voraus, die Sittlichkeit. Das Gesetz der Sittlichkeit ist das Sittengesetz. Die Entwicklung dieser Freiheitslehre danken wir ganz wesentlich dem Christentum. Das Sittengesetz ist nichts anderes als das Prinzip der Nächstenliebe, worauf Kant selbst hingewiesen hat (GzMdS, S. 25 f.; KpV, S. 205 f.). Das Sittengesetz bringt das Liebesprinzip auf die politische Formel. Es ist ein uraltes Gesetz, das der Gegenseitigkeit erwachsen ist, die im Menschen wie in allen Primaten, jedenfalls in deren Gruppe, stammesgeschichtlich angelegt ist. In der Bergpredigt hat Jesus mit der lex aurea das menschheitliche Prinzip der Gegenseitigkeit angesprochen. Ohne dieses Sittengesetz, ohne diese kooperative Haltung, würde die Menschheit schon wegen ihrer gegenläufigen Aggressivität zu Grunde gegangen sein. Sittlichkeit ist das stetige Bemühen, das Gesetz hervorzubringen, unter dem alle gut leben können, dem deswegen alle zustimmen können, ja zustimmen, sei es selbst oder vertreten, unter dem alle frei sind. Die Triebfeder, bei allem Handeln die Sittlichkeit zu wahren, also Bürger unter Bürgern zu sein, der an der allgemeinen Gesetzgebung mitwirkt und die Gesetzlichkeit seines Handelns zu seiner Maxime macht, ist die Moralität. Diese bürgerliche oder republikanische Moralität darf nicht mit dem Moralismus verwechselt werden, unter dem wir alle leiden, der Political correctness. Wir erleben in diesen Tagen einen Höhepunkt solcher Political correctness, im Falle Thilo Sarrazin. Die Disziplinierung Sarrazins durch die politische und mediale Klasse, allen voran die deutsche Bundeskanzlerin und der gerade gekürte deutsche Bundespräsident, ist genau das Gegenteil von Moralität. Gegen solches Unrecht muss sich jeder Bürger wehren. Wir brauchen «moralische Politiker», nicht «politische Moralisten», hat Kant klargestellt (ZeF, S. 233, 239). Deutschland, aber auch Österreich sind wie wohl alle Staaten dieser Welt voll von politischen Moralisten. In den Parteien und in den Medien grenzt das ans Unerträgliche. Aber die Grenzen scheinen überschritten. Moralismus ist ein wirksames Herrschaftsmittel und verfolgt immer illegitime Interessen. Er ist der Freiheit zuwider und achtet nicht die Würde des Menschen, jedes Menschen, der das Recht wahrt. Moralismus verletzt ein Menschen- und Grundrecht, dessen Achtung Bedingung der Republik ist, die Redefreiheit, von Kant als eine Tochter der Freiheit eingestuft (MdS, S. 345 f.). Moralität im Sinne der allgemeinen Freiheit dagegen fordert: «Handle pflichtmässig, aus Pflicht» (MdS, S. 521). Das besagt: Unterwerfe dein Handeln immer dem Prinzip der Gesetzlichkeit; denn das gewährleistet die allgemeine Freiheit und damit die Würde aller Bürger. Die Gesetzlichkeit hat ihre Materie in den Gesetzen und die sind, wenn sie gelungen sind, wenn sie die allgemeine Freiheit verwirklichen, sittlich. 5. Bürgerliche Freiheit als WeltrechtsprinzipDieser Freiheitsbegriff steht im Grundgesetz, nämlich in Art. 2 Abs. 1. Dieser lautet: «Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmässige Ordnung oder das Sittengesetz verstösst.» Er steht nicht nur im Grundgesetz, er ist das Weltrechtsprinzip an und für sich. Ich will jetzt keineswegs dem Universalismus der Menschenrechte als einer Rechtfertigung humanitärer Intervention das Wort reden. Mögen andere Länder ihren Religionen folgen. Ich handle erst einmal von Deutschland, Österreich und der Schweiz und weiter vom Westen. Ich scheue mich aber nicht zu sagen, dass diese Ethik universalistisch ist. Ethik ist die Lehre von der Freiheit; denn das Sollen gründet in der Freiheit, allein in der Freiheit. Fast alle Völker haben der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen zugestimmt, deren Artikel 1 diese Ethik klassisch formuliert: «Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren. Sie sind mit Vernunft und Gewissen begabt und sollen einander im Geiste der Brüderlichkeit begegnen.» Das fasst die kantianische Ethik in wenigen Worten zusammen. Das deutsche Grundgesetz folgt dieser Erklärung, musste ihr nach dem verlorenen Krieg folgen und ist ihr aus Überzeugung gefolgt, weil der Kategorische Imperativ das menschheitsbestimmende Prinzip ist, das ein deutscher Philosoph, freilich der bedeutendste, gedacht und formuliert hat. Die meisten deutschen Staatsrechtslehrer und erst recht die grosse Menge der Juristen in Deutschland können im Gegensatz zu den Lehrern der Philosophie mit dem Sittengesetz nichts anfangen, weil die erforderlichen Kantstudien ihnen zu viel Mühe machen. Hauptgrund der Vernachlässigung des Sittengesetzes im politischen und rechtlichen Diskurs ist jedoch, dass das Bundesverfassungsgericht den Begriff ausblendet, obwohl es die praktische Vernunft, das Gebot der Sittlichkeit, stetig praktiziert, als Verhältnismässigkeitsprinzip nämlich, als das uralte Rechtsprinzip des rechten Masses. Aber diesem philosophischen, weltrechtlichen, allein richtigen und zudem grundgesetzlichen Freiheitsbegriff sind andere Begriffe entgegengesetzt worden, die unsere politische Wirklichkeit bestimmen, nämlich der liberalistische Freiheitsbegriff, der auch den Neokapitalismus trägt. Er beruht auf der Herrschaftspraxis und stellt dieser klägliche Rechte des Untertanen, genannt Grundrechte, gegenüber. Freiheit versus HerrschaftDas monarchische Prinzip, das für den Konstitutionalismus ausweislich Art. 57 der Wiener Schlussakte des Deutschen Bundes als Leitprinzip der Verfassungen der Länder bestimmend war, ist durch die Revolutionen von 1918 in Deutschland und in Österreich beseitigt worden. Das monarchische Prinzip war ein Herrschaftsprinzip, aber es gibt in der Republik keinerlei Rechtfertigung für Herrschaft; denn Herrschaft ist das Gegenteil der Freiheit6. Es gibt nach wie vor Herrschaft, aber das ist Unrecht. Das begreift die deutsche und auch die österreichische Staatsrechtslehre nicht, das Bundesverfassungsgericht schon gar nicht. Kein Urteil dieses Gerichts hat so oft das Wort Herrschaft benutzt wie das Lissabon-Urteil vom 30. Juni 2009 (Absätze 213, 217 ff., 250, 263, 268, 270, 272, 280, 294 u.ö.). Es ist noch nicht gelungen, dieses suggestive Wort und diesen diffusen Begriff aus den Köpfen der Staatsrechtslehrer und erst recht der Politiker zu drängen. Letztere sind sehr einverstanden damit, dass sie, sogar demokratisch legitimiert, andere beherrschen, weil der Staat nun einmal ein Herrschaftsgebilde sei. Du sollst über einen anderen nicht herrschen wollen, hat ein bedeutender österreichischer Staatsrechtslehrer aus Salzburg postuliert, der leider viel zu jung durch Flugzeugunglück umgekommen ist, René Marcic. Auch einige wenige andere wussten das, etwa der Politikwissenschaftler Dolf Sternberger. Herrschaft ist der Gegenbegriff zur Freiheit. Max Weber hat die Herrschaft bekanntlich als die Fähigkeit definiert, den eigenen Willen auch gegen den widerstrebenden Willen eines anderen durchzusetzen. Die Republik ist demgegenüber die Staatsform der allgemeinen Freiheit. Freiheit muss aber republikanisch verstanden werden, sonst kann das Republikprinzip nicht verwirklicht werden. Praktiziert wird ein liberalistisch irregeleiteter Freiheitsbegriff. Dieser steht hinter dem neoliberalen Kapitalismus, der auf diese Weise eine Stütze in der Rechtslehre findet. Freiheit muss rousseauisch und kantianisch begriffen werden, wenn der Begriff der Freiheit der Würde des Menschen und der Gleichheit aller in der Freiheit gerecht werden soll. Eine Verfassung, welche die Ethik der Freiheit verbindlich macht, muss und kann uns niemand geben. Diese Verfassung ist mit uns geboren. Wir sind Menschen und haben deswegen Würde. «Die Würde ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt», stellt Art. 1 Abs. 1 S. 2 GG klar. Sie wird durch die «unverletzlichen und unveräusserlichen Menschenrechte als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt» materialisiert, zu denen sich nach Art. 1 Abs. 2 GG das deutsche Volk bekennt. Untrennbar mit den Menschenrechten oder mit der Menschlichkeit oder der Menschheit des Menschen verbunden ist ein politisches System, das dem gerecht wird. Ein solches System ist eine Republik. Diese republikanische Verfassung gibt uns kein Politiker, sondern sie steht uns zu, weil wir Menschen sind. Aber die Verfassungsgesetze, die nähere Materialisierung der Verfassung, sind eine Gestaltungsaufgabe, welche der jeweiligen Lage gerecht werden muss. Die Verfassung ist etwa das, was unabänderlich im Grundgesetz steht, jedenfalls so stehen sollte. Sie ist die Grundlage all der Prozesse, die ich in Sachen Europapolitik führe. Bürgerliche Privatheit Der republikanische Freiheitsbegriff ist nicht etwa nur im politischen Bereich massgeblich, sondern bei allem Handeln, sei dieses Handeln staatlich oder privat. Der Bürger ist sowohl eine staatliche als auch eine private Person. Er ist die wichtigste staatliche Figur. Er ist Glied des Staates. Er ist der Staat, freilich gemeinsam mit allen anderen Bürgern. Er ist Gesetzgeber und er vollzieht die Gesetze. Mit allem Handeln vollziehen Bürger die Gesetze, nicht nur die Verwaltung, die Exekutive. Bürger achten die Gesetze, d.h. die Gesetze bestimmen ihr Handeln. Wir verletzen andere nicht. Das ist jeweils Vollzug des staatlichen Gesetzes. Mit allem Handeln sind Bürger auch staatlich, verwirklichen das Staatliche, das gemeine Wohl. 1. Privatheit und SittlichkeitAber im Rahmen der Gesetze, die Bürger sich gemeinsam gegeben haben, um ein verträgliches Leben zu gestalten, ist jeder privat. Privatheit gibt das Recht zur freien Willkür, nicht etwa durch das Recht zur Willkür, ein wesentliches Missverständnis. Niemand hat das Recht, andere seinen Zwecken zu unterwerfen, andere auszunutzen, auszubeuten. Eine solche «Freiheit» ist nirgends geschützt und ist kein Rechtsprinzip. Kant hat den Kategorischen Imperativ auch in die Selbstzweckformel gefasst: «Handle so, dass du die Menschheit, sowohl in deiner Person, als in der Person eines jeden anderen, jederzeit zugleich als Zweck, niemals bloss als Mittel brauchest» (GzMdS, S. 61). Diese Formel hat das Bundesverfassungsgericht in wichtigen Urteilen als Objektformel (besser: Subjektformel) seiner Entscheidung zugrundgelegt (BVerfGE 5, 85 (204); 7,198 (205); 50, 166 (175); 96, 375 (399); 109, 279 (311 ff.)), freilich ohne Kant zu zitieren. Willkür gegen andere Menschen ist Missbrauch der Freiheit. Missbrauch von Rechten ist Handeln ohne Recht. Freiheit in dem Recht der freien Willkür steht genau für den Freiheitsbegriff, den ich vorgestellt habe. Bei der Bildung der Handlungsmaxime muss der Mensch immer, auch wenn er nicht durch Gesetz, also staatlich, gebunden ist, die Sittlichkeit seiner Maximen am Sittengesetz prüfen. Maximen sind die Prinzipien, nach denen man zu handeln pflegt. Manche haben nur eine, die Gewinnmaxime. Die Maximen müssen immer dem Prinzip des Rechts folgen. Jede Maxime muss so gestaltet sein, dass sie ein allgemeines Gesetz sein könnte, bei allem Handeln, insbesondere dem unternehmerischen Handeln. Es gibt keine andere Unternehmensfreiheit als diese. Unternehmerisches Handeln ist privat. Wenn der Staat als Unternehmer tätig wird, ist das Missbrauch einer Rechtsform, der Privatheitsform. Der Staat ist nur hoheitlich und nichts anderes. Die sogenannte Fiskuslehre, nach der der Staat auch Privatrechtssubjekt ist, ist grob verfassungswidrig7, bringt aber viel Geld und viele Pfründen. Deswegen wird sie praktiziert und findet immer ausgedehnter Anwendung, wesentlich durch die dem Kapitalismus dienenden Verträge der Europäischen Union und deren extensive Praxis gefördert. Immer muss der Unternehmer im Auge haben, ob sein unternehmerisches Handeln Prinzip eines allgemeinen Gesetzes sein könnte. Das dürfte vielfach versäumt werden. Im Rahmen der Sittlichkeit hat jeder das Recht, sein eigenes Glück zu suchen, The pursuit of happiness. 2. PrivatheitsprinzipEs gibt ein Privatheitsprinzip, das seine Grundlagen in den Grundrechten, aber auch in den Grundfreiheiten der Europäischen Union hat, einen Grundsatz und Vorrang der Privatheit der Lebensbewältigung8. Das berechtigt zu unterschiedlichen Lebenswegen, welche der Staat nicht über das Mass hinaus, das der Frieden im Innern erfordert, normieren darf. Im religiösen, im kulturellen, im familiären, im sexuellen, im sportlichen Bereich, aber durchaus auch im beruflichen und im unternehmerischen Bereich soll jeder möglichst privat sein können. Das ist die positive Lehre. Nur mit dieser Lehre können wir republikanisch leben und miteinander als Bürger bürgerlich, frei sein. Es kommen aber noch andere Voraussetzungen hinzu. Bürgerliche SelbständigkeitDer Mensch muss selbständig sein, um ein Bürger sein zu können. Die alte liberale Formel von Bildung und Besitz, die den Bürger des 19. Jahrhunderts kennzeichnete, hat noch immer ihre Richtigkeit, wenn sie republikanisch verstanden wird. 1. BildungSelbständigkeit verlangt nach Bildung, durch Bildung der, besser: von Persönlichkeit. Ausbildung von Fertigkeiten ist wichtig, reicht aber in keiner Weise, um Persönlichkeit zu bilden. Bildung ist zum einen die Fähigkeit und Bereitschaft, zu verstehen und zum anderen die Fähigkeit und Bereitschaft, verantwortlich zu handeln. Verständnis setzt Wissen und Erkenntnis voraus, insbesondere Wissen und/oder Erkenntnis um die bzw. von den Zusammenhängen des Lebens. Es gibt keine Bildung ohne philosophische und ohne geschichtliche Kenntnisse, vor allem der Geschichte des eigenen Volkes. Niemand kann alles wissen, aber die Offenheit für die Wissenschaft und die Bereitschaft zur Erkenntnis gehört zur Bildung. Wissenschaftlichkeit verlangt nach Kritizität. Verantwortliches Handeln heisst sittliches Handeln, Handeln in praktischer Vernunft, also moralisches Handeln. Das verlangt, dem Handeln Erkenntnisse der Wirklichkeit (Theorien), also die Wahrheit, und des Richtigen, also des Rechts und der Tugendlichkeit (Lehren), zugrunde zu legen. Sein und Sollen leiten das Handeln des gebildeten Menschen. Immer bezieht dieser die anderen Menschen in sein Denken und Handeln ein. «Eigene Vollkommenheit – Fremde Glückseligkeit» sind «die Zwecke, die zugleich Pflichten sind», Tugendpflichten (MdS. S. 515 und ff.). Der gebildete Mensch hat den «guten Willen» (vgl. Kant, GzMdS, S. 18). Der gebildete Mensch ist von der Liebe bestimmt, der Nächstenliebe, dem kategorischen Imperativ. Der gebildete Mensch kennt nicht nur Rechte, sondern auch Pflichten. Er ist bürgerlicher Aristokrat. Man kann die Notwendigkeit der Erziehung zur Persönlichkeit, zur aufgeklärten Persönlichkeit nicht leugnen. Die Erziehung muss den Menschen disziplinieren, kultivieren, zivilisieren und vor allem moralisieren (Über Pädagogik, S. 706 f.). Letzteres ist die schwierigste Erziehungsaufgabe. «Der Mensch soll nicht nur zu allerlei Zwecken geschickt sein, sondern auch die Gesinnung bekommen, dass er nur lauter gute Zwecke erwähle. Gute Zwecke sind diejenigen, die notwendigerweise von jedermann gebilligt werden; und die auch zu gleicher Zeit jedermanns Zwecke sein können» (Über Pädagogik, S. 707). Bildung ist eine Frage der Erziehung und der steten Arbeit an sich selbst, der Selbsterziehung. «Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen!», formuliert Kant als Leitspruch der Aufklärung (Beantwortung der Frage: Was ist Aufklärung? S. 53). 2. Besitza) Wesentlich ist die wirtschaftliche Selbständigkeit, ohne die es keine Autonomie des Willens, also keine Freiheit, gibt. Diese wird derzeit den meisten Menschen genommen. Jeder Mensch hat das Recht auf Freiheit und damit auf wirtschaftliche Selbständigkeit. Darum muss sich jedes Volk kümmern. Der Bürger muss aus dem Eigenen leben, von dem Seinen. Er muss «Besitz», sprich: Eigentum haben. Dafür genügen auch Rechte, etwa das Recht am Arbeitsplatz. Die Rechte müssen gesichert sein. Das macht den Rechtsstaat aus. Das wichtigste Instrument der Selbständigkeit ist ein Eigentum. Deswegen gibt es nicht nur ein Recht am Eigentum, das anerkannt ist, ein Recht auf Schutz des Eigentums, sondern auch das Recht auf Eigentum. Ein Recht auf Eigentum wird aber vom Bundesverfassungsgericht abgelehnt, von den deutschen Kommentatoren ebenfalls. Es steht aber in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte in Art. 179. Die Verteilungsgesetze müssen so gestaltet sein, dass jeder ein Eigentum hat, um selbständig sein zu können. Die Verteilung dessen, was ein Volk erarbeitet, leisten in erster Linie die Gesetze. Das Recht auf Eigentum erkennen auch einige Philosophieprofessoren, in der Rechtslehre sind Peter Häberle und ich wohl die einzigen, die diesen Schritt um der Freiheit willen gemacht haben. b) Die Schwächung der Rechte der Arbeitnehmer ist Ausdruck der Entbürgerlichung der Menschen, der Tendenz zur Versklavung der Menschen, die auch in der menschenverachtenden Entlohnung zum Ausdruck kommt. Die Arbeitnehmer haben ihr Eigentum am Arbeitsplatz eingebüsst. Der Internationalismus der Wirtschaft, vor allem des Kapitals, hat das möglich gemacht. Nur wenige, manche reden von 300 Familien, manche von 2 Millionen Menschen in der Welt, sind wirklich selbständig. Sie haben die Macht in unserer Welt und vermögen diese weitgehend zu beherrschen. Niemand darf aber die anderen Menschen beherrschen können. Die Verantwortung für die ganze Welt kann kein Volk übernehmen und darf kein Volk übernehmen wollen. Auch internationale «Eliten» haben nicht das Recht, die Verantwortung für die Weltbevölkerung an sich zu ziehen. Das führt unweigerlich zur Despotie, wenn nicht Tyrannis. Zur Bürgerlichkeit des Bürgers gehört auch das Recht auf Arbeit, genauso wie die Pflicht zur Arbeit10. Aus der Eigentumsgewährleistung verbunden mit dem Freiheitsprinzip folgt das Recht auf Arbeit. Diese gibt nicht etwa den Anspruch auf die bestmögliche Stelle. Aber es verpflichtet den Staat, wirtschaftliche Verhältnisse zu schaffen, die jedem Erwerbsarbeit ermöglichen. Das sind makroökonomische Verpflichtungen des Staates. Insbesondere darf der Staat nicht zulassen, dass die Arbeit in andere Länder abwandert, insbesondere nicht in Länder mit Sklavenarbeit, zum einen wegen der Missachtung der Menschenwürde, zum anderen weil das Lohndumping auch das Lohngefüge in den gut entwickelten Volkswirtschaften ruiniert, vor allem aber, weil die Arbeitsplätze Eigentum der Arbeitnehmer sind, über die zu disponieren nicht allein die Anteilseigner der Unternehmen, vielfach internationale Kapitalgeber mit reinen Renditeinteressen, das Recht haben. Zurück lassen die abwandernden Unternehmer Arbeitslose, für die deren Gemeinwesen einstehen muss. Trotz aller Bemühungen, diesen ein menschenwürdiges Leben zu ermöglichen, verlieren diese die Bürgerlichkeit. Zunächst muss der Staat in dem Land, in dem er Verantwortung hat, dafür sorgen, dass alle Arbeit haben. Alle müssen auch arbeiten wollen und die Verantwortung für ihr eigenes Leben übernehmen. Zum Bürger gehört die Selbstverantwortung. Denn Eigentum kann man nicht nur als ein Recht betrachten, das macht weder das Grundgesetz noch ist das philosophisch begründbar. Eigentum hat zwei Seiten: Eigentum verpflichtet auch, sein Gebrauch soll dem Wohl der Allgemeinheit dienen, stellt Art. 14 Abs. GG klar. c) Eigentum ist das wesentliche Recht der Privaten. Der Staat hat überhaupt kein Eigentum. Der Staat hat durchaus Rechte an Sachen, aber das ist kein Eigentum. Das ist Teil staatlicher Hoheit. Es ist ein folgenschweres Missverständnis, dem Staat Eigentum zuzugestehen. Aber der Bürger, als Privater, hat Eigentum; er ist aber auch sozial verpflichtet. Alles Eigentum ist sozialpflichtig. Das ist die Sittlichkeit des Eigentümers. Die Freiheit ist, wie gesagt, mit der Pflicht zur Sittlichkeit verbunden. Der Gebrauch des Eigentums ist frei, aber sittlich verpflichtet. Das gilt auch für den Unternehmer. 3. Globalistisches Eigentum ohne GemeinwohlbindungDie Sozialpflichtigkeit des Eigentums hat im internationalen Kapitalismus so gut wie keine Chance. Kapital ist Eigentum. Eigentum ist alles Eigene: das Mein und Dein, das der Staat durch Gesetze schützt11. Er muss es schützen, das ist seine Aufgabe, sofern nicht andere Verfassungsprinzipien dem entgegenstehen. Aber die von den Finanzmächten abhängigen Politiker haben Verhältnisse geschaffen, in denen die Sozialpflichtigkeit nicht mehr wahrgenommen werden kann, sondern das Eigentum nur als ein Recht zur Willkür missbraucht wird, genaugenommen als ein Recht zur Ausbeutung anderer. Auch den multinationalen Unternehmen wird, fragwürdig, Eigentum zugestanden. Das aber ist unberechtigt; denn diese haben nicht die Möglichkeit, dem Wesen des Eigentums zu genügen, nämlich die Sozialpflichtigkeit zu verwirklichen. Die Sittlichkeit des Eigentumsgebrauchs, also die Gemeinwohlverantwortung des Eigentümers, zumal des Unternehmers, ist ihnen durch die Internationalität verwehrt. Welchem Gemeinwohl sollen sie eigentlich dienen? Was ist denn das Gemeinwohl? Es gibt kein internationales Gemeinwohl, allenfalls wenig materialisiert, dass alle Menschen leben, möglichst gut leben. Das Gemeinwohl der Menschheit ist rechtlich verbindlich nicht definierbar. Wer sollte es definieren? Gemeinwohl ist ein formaler Begriff und kann nur durch die Gesetze definiert werden. Die Gesetze sind national oder jedenfalls einzelstaatlich, in der Europäischen Union weitestgehend unional. Kein Unternehmer kann wissen, welches Gemeinwohl er bei seinen internationalen Betätigungen für verbindlich halten soll. Er kann versuchen, den Menschenrechten zu dienen. Das fordern die Unternehmensethiker. Aber über die jeweiligen nationalen Gesetze hinaus kann er das Gemeinwohl des Landes, in dem er agiert, nicht verwirklichen, weil er es nicht zu definieren berechtigt ist; denn er ist nicht Bürger des Landes. Die Sittlichkeit als innere Freiheit setzt die Zugehörigkeit zum Gemeinwesen voraus, die existentielle Betroffenheit, die Verantwortlichkeit für das eigene Land, das Land der Väter und das Land der Kinder und Enkel, den Bürgerstatus. Nur wer der polis angehört, ist Politiker. Auf die systemische Gemeinwohlwidrigkeit des internationalen Unternehmertums gehe ich im Schlusskapitel gesondert ein. Freie RedeDas allerwichtigste Prinzip für die Bürgerlichkeit des Bürgers ist sein Recht zur freien Rede. Dieses Recht gefährdet die illegitime Herrschaft am stärksten. Kant mahnt die «Freiheit der Feder» als «das einzige Palladium der Volksrechte» an (Über den Gemeinspruch, S. 161). Die Machthaber bekämpfen die freie Rede mit allen Mitteln der sanften Despotie. Die harte Despotie vermeiden sie, weil sie weniger dauerhaft zu sein verspricht als die zähe sanfte Despotie. Sie habe in den meisten Medien ihre Hofschranzen. Diese missbrauchen die Pressefreiheit und die Rundfunkfreiheit, um Kritiker mundtot zu machen. Diffamierung ist ein erfolgreiches Herrschaftsinstrument. Die deutsche Verfassungsrechtsprechung gibt den oligarchischen Medien, die mit den ebenso oligarchischen Parteien ein enges Bündnis praktizieren, entgegen Art. 5 des Grundgesetzes weite Rechte zur Diffamierung, indem sie in herabsetzenden Äusserungen, in die wahrheitswidrige Tatsachenbehauptungen offen oder verborgen einbezogen sind, Meinungsäusserungen sehen, denen Grundrechtsschutz zugesprochen wird. Hinsichtlich der Tatsachenbehauptungen wird den Medien ein besonderes Recht zuerkannt, wegen ihrer öffentlichen Informationsaufgabe berechtigte Interessen im Sinne des § 193 StGB wahrzunehmen. Dabei wird von ihnen nur die im Journalismus erforderliche Sorgfalt verlangt, also so gut wie keine Sorgfalt12. So ist das in Deutschland, und ich denke, in Österreich ist es nicht, in der Schweiz sicherlich ein wenig besser. Verfassungsgeboten ist die strikte Verpflichtung der Medien, Presse, Rundfunk und Internet, auf Wahrheit und Richtigkeit. Das gebietet grösstmögliches Bemühen darum, jede Verletzung anderer zu vermeiden. Praktiziert aber wird vorsätzlicher Rufmord, vornehmlich mit eingeübten Parolen, wie Rechtsextremist, Ausländerfeind u.ä. Der Bürger hat nicht nur das Recht, sondern die Pflicht, seine Meinung zu sagen. Dadurch trägt er zur Verwirklichung der allgemeinen Freiheit und Verwirklichung des Rechts bei. Es geht in der Politik nur um das Recht. Politik ist «ausübende Rechtslehre», sagt Kant (ZeF, S. 229). Rechtserkenntnis bedarf des Diskurses aller mit allen und insbesondere natürlich des Diskurses der Parlamentarier. Der findet allerdings nicht statt. Vielmehr lassen sich die Abgeordneten von ihren Parteioberen weisen, wie sie zu stimmen haben, die wiederum lassen sich von mächtigeren Kräften sagen, welche Politik sie verfolgen sollen, sicher oft von fremden Diensten dieser Welt. Die Sache, über die sie abstimmen, kennen die Parlamentarier meist gar nicht. So war das jedenfalls bei der schicksalhaften Abstimmung über die neuen Verträge der Europäischen Union. Der Bürger muss das Recht der freien Rede leben, The freedom of speach. In den Vereinigten Staaten von Amerika hat die Redefreiheit einen besseren Stand, obwohl dort die Political correctness besonders hart gehandhabt wird. Deutschland hat keine Kultur der öffentlichen Diskussion, allenfalls wird eine solche vorgetäuscht, wenn es denen passt, die das Sagen haben. Die Medien fördern ihr heiliges Recht der freien Rede nicht. Wer nicht den «Mut» hat, das zu sagen, was sie vorschreiben, wird fertig gemacht. Das muss mit der Oligarchisierung der Medien, mit den Eigentümern der Medien zusammenhängen. So wie ich die Journalisten kenne, würden diese auch lieber die freie Rede pflegen. Sie dürfen das schlechterdings nicht. Wer die Völker beherrschen will, muss die Medien beherrschen. Jeder Bürger, der seine Bürgerlichkeit nicht verlieren will, muss den Rücken steif machen und sich sagen: Ich lasse mir nicht von der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung», von der «Süddeutschen Zeitung» und von der Welt und erst recht nicht von der Zeit meine Persönlichkeit nehmen und mein Recht zur freien Rede absprechen. Wenn diese Zeitungen meine Beiträge nicht veröffentlichen, dann schreibe ich eben dort, wo die Meinungsvielfalt gepflegt wird und die Wahrheit und Richtigkeit die Verlagsmaximen sind, auch wenn diese Zeitungen nicht die Hofpresse sind. Die Unterdrückung der freien Rede ist eine schwere Verletzung der Bürgerlichkeit des Bürgers. In dem Sinne kann ich alle nur auffordern, als Bürger zu bestehen. «Frei ist nur, wer seine Freiheit gebraucht» (Präambel der Bundesverfassung der schweizerischen Eidgenossenschaft). Kleine EinheitenEine weitere Voraussetzung der Bürgerlichkeit des Bürgers ist die kleine Einheit. Das demokratische Prinzip kann nur in kleinen Einheiten verwirklicht werden. Ich habe das schon früher in diesem Kreis vortragen können13. Ein Grossstaat Europa, gar ein Weltstaat, the One World, die von mächtigen Kräften, unterstützt von den Vereinten Nationen, angestrebt wird, kann nicht demokratisch und damit nicht freiheitlich sein. Die Agenda 21 der Vereinten Nationen von 1992, in Rio de Janeiro verabschiedet, vermag die Augen für die langfristige Zielsetzung der Globalisierung zu öffnen – eine Welt mit einer Weltregierung und gleichen (äusserst bescheidenen) Lebensverhältnissen für alle Menschen. Vielleicht werden in der postnationalen Welt, auf die die stetige Propaganda gegen die Nationen zielt, den Untertanen gewisse Rechte gewährt, nämlich die zu arbeiten und zu verbrauchen. Mehr ist nicht zu erwarten. Sie werden den Herren der Neuen Welt zu dienen haben. Bürger kann man in Grossstaaten nicht sein, schon gar nicht in einem Weltstaat. Bürgerlichkeit verlangt nach einem guten Verhältnis von Distanz und Nähe. Das beweist die Schweiz. Ohne eine Solidarität tragende Homogenität der Menschen14 gibt es keinen Bürgerstaat, kein Volk, sondern eine Menge von Untertanen, Bevölkerung (vgl. ZeF, S. 225 f.). Die vielfältige Strukturierung der Schweiz in die vielen Kantone, und die Regelungen der direkten Demokratie in der Schweiz, die jedenfalls in schicksalhaften Fragen die doppelte Mehrheit, sowohl die des Schweizer Volkes als auch die der Kantone, erreichen muss, um eine Verfassungsänderung zur Geltung zu bringen, ist eine wirksame Sicherung vor Irrtümern, vor allem aber ein wirksamer Schutz vor korrupten Politikern. Der Parteienstaat in Deutschland und wohl auch in Österreich ist demgegenüber ochlokratisch. Es herrschen wenige Parteiführer, gestützt von den Medienoligopolen und gesteuert von der Hochfinanz. Diese Entwicklung liegt in der Natur einer langdauernden Parteienherrschaft. Die oligarchischen Strukturen, die mit den Parteiprinzipien der Führung und Geschlossenheit verbunden sind15, verfestigen sich und geben illegitimen Mächten, auch fremden Diensten, berechenbaren Einfluss. Wegen der zunehmenden Fremdbestimmung verlieren Parteienstaaten die demokratische Legitimation und verfallen. Entweder werden sie revolutioniert, also in ein freiheitliches Gemeinwesen zurückgeführt, oder durch Umsturz in Diktaturen beendet. Das geschichtliche Grossbeispiel ist der Niedergang der römischen Republik im plebejischen Parteienstaat, der zur Machtergreifung Caesars und Augustus geführt hat und schliesslich Europa lange Jahrhunderte des Cäsarismus/Kaisertums und folgend des Monarchismus gebracht hat. Rom war für den Republikanismus zu gross geworden. Aber die Freiheit ist wichtiger als die Macht. Die One-World-Politik, das eigentliche Konzept der gegenwärtigen Finanzmächte und deren oft ahnungslosen Helfershelfer in Regierungen und Parlamenten, ist mit dem demokratischen Prinzip und damit mit der bürgerlichen Freiheit unvereinbar. Diese setzen kleine Einheiten voraus, in denen jeder Bürger die Chance hat, unter dem eigenen Gesetz zu leben. Die Strategie der Weltregierung und des Weltstaates ist menschenverachtend. Der Internationalismus, genannt Globalisierung, zerstört die Bürgerlichkeit der Lebensverhältnisse, die Republikanität der Republiken. Wir müssen uns wieder zu einer plurilateralen Welt hinbewegen, um der Freiheit willen. Alle Menschen haben das Recht auf Bürgerlichkeit, die sich nur in den Einzelstaaten verwirklichen lässt. Das Prinzip der kleinen Einheit realisiert sich in Europa in den Nationen. Das ist die geschichtliche Lage. Deutschland ist nicht klein. Für demokratische Verhältnisse ist es allenfalls durch den Föderalismus tragfähig. Allerdings ist der Föderalismus weitestgehend ausgehöhlt, weil die Länder kaum noch Gesetzgebungsmacht haben. Immerhin haben sie durch den Bundesrat erheblichen Einfluss auf die Gesetzgebung. Hinzu kommt der Kommunalismus. Es gibt eine Vielfalt von Republiken, die Universitäten, die Kammern, die Kirchen usw. Diese Vielfalt wirkt gewaltenteilig und stärkt mit der Selbstverwaltung die Freiheit. Möglichste Gewaltenteilung ist ein wesentliches Postulat des Rechtsstaatsprinzips16. Kleine demokratiefähige Einheiten sind die Schweiz, Österreich, Bayern, eher zu klein sind Bremen, das Saarland, vielleicht auch Hamburg. Die Nähe ist zu eng und erleichtert Korruption. Staat versus Gesellschaft?Es gibt Dogmatiken, welche die skizzierten Grundlagen eines bürgerlichen Gemeinwesens in Frage stellen, insbesondere die Dogmatik von der Trennung oder auch nur Unterscheidung von Staat und Gesellschaft, die freiheitlich daherkommt, aber herrschaftlich ist17. Der Gegensatz des Staates des Monarchen mit dessen Heer und Beamten und der Gesellschaft der Bürger, gekennzeichnet durch Besitz und Bildung, besteht nicht mehr, seit das monarchische Prinzip dem Republikanismus weichen musste und Träger der Staatsgewalt das Volk ist. Jetzt werden der Citoyen als der Staatsbürger und der Bourgeois als der Private, orientiert am Fabrikanten, von Karl Marx verächtlich dem Proletariat entgegengestellt, unterschieden. Das ist ganz falsch. Die Französische Revolution benutzt das Wort «Bourgeois» nicht, sondern «Homme», das ist der Mensch, und er ist «Citoyen». Es gibt in der Republik nur Citoyens, keine Bourgeois, aber der Citoyen soll durch Besitz und Bildung so selbständig sein wie ein Bourgeois, weil er sonst der Autonomie des Willens als der Freiheit nicht fähig ist18. Die Unterscheidung von Staat und Gesellschaft hat in Deutschland Ernst-Wolfgang Böckenförde, der lange im Bundesverfassungsgericht gesessen hat, wiederbelebt und fast alle Staatsrechtslehrer haben von ihm abgeschrieben. Die Lehre fällt zurück in das 19. Jahrhundert, in dem sie den Liberalismus richtig erfasst und wesentlich gefördert hat. Alle Gesetze, die Freiheit und Eigentum beeinträchtigten, bedurften der Zustimmung des Landtages. Diese wurde nicht immer gegeben, weil das das Geld der Bürger kostete. Fanal war der Budget-Konflikt Bismarcks. Folge war der Hochliberalismus, der durchaus Ähnlichkeit mit dem Neoliberalismus der Europäischen Union in Folge deren extensiv deregulierenden Grundfreiheiten hat19. Die republikanische Revolution hat dieser Dogmatik die Grundlage entzogen. Revolution ist übrigens Befreiung zum Recht. Jetzt ist der Staat Sache der Bürger, aller Bürger. Der Staat, das sind wir. Wir sind das Volk. Der Bürger als Citoyen ist, wie gesagt, sowohl staatlich als auch privat. Man kann soziologisch von Gesellschaft sprechen, warum nicht. Aber eine rechtliche Trennung von Staat und Gesellschaft gibt es in der Republik, dem freiheitlichen Gemeinwesen, dem Bürgerstaat, nicht. Die Trennungslehre ist der Rückfall zum liberalistischen Freiheitsbegriff. Dieser gesteht ein Recht zur Willkür zu, nicht zur freien Willkür. Jedem wird erlaubt, im Rahmen der Gesetze zu handeln, wie es ihm beliebt. Er darf lediglich die Gesetze nicht verletzen. Die Gesetze aber gibt der Staat, der Sache nach der Parteienstaat, der nicht mit der Bürgerschaft als der Gesellschaft identifiziert wird. So ist die Wirklichkeit des Gegensatzes der politischen Klasse zur Bevölkerung, die gar nicht mehr als Volk erfahren wird. Aber es gibt kein Recht der Willkürfreiheit. Ein Recht zur Willkür macht den anderen zum Objekt des Handelns. Demgegenüber ist das Grundprinzip eines freiheitlichen, eines bürgerlichen Gemeinwesens die Selbstzweckhaftigkeit jedes einzelnen Menschen. Jeder Mensch ist Zweck an sich selbst. Die Selbstzweckformel des kategorischen Imperativs habe ich oben zitiert. Republikwidriger Parteienstaat1. Parteienstaat als Verfallserscheinung der RepublikDer Parteienstaat lässt der Bürgerlichkeit der Bürger wenige Chancen. Der Parteienstaat ist die Verfallserscheinung der Republik20. Dieser verfällt wieder einem Prinzip, das dem monarchischen Prinzip entspricht, dem Parteienprinzip. Die Parteien haben die Macht im Staat. Wer sie steuert, kann man sich vorstellen. Das ist nicht öffentlich. Wie der Rettungsschirm für den Euro in diesem Frühjahr etabliert wurde, gibt zu denken. Das soll vom Präsidenten der Vereinigten Staaten mit Hilfe des französischen Präsidenten im Interesse der Hochfinanz durchgesetzt worden sein. Niemand wird dem Irrtum verfallen, dass die Bundeskanzlerin Angela Merkel derartige Entscheidungen wesentlich zu beeinflussen vermag. Sie hat weder die Befähigung noch hat Deutschland die Macht dazu. Sie gibt ihr Gesicht. Die Parteien sind an die Stelle der Aristokratie getreten, freilich bewirken sie eine Negativ-Auslese des politischen Personals. In einem alternden Parteienstaat setzen sich die bis in höchste Ämter hinein durch, die sich am besten den parteilichen Aufstiegsanforderungen anpassen, die Opportunisten, wie in jedem Herrschaftssystem. Das führt, gemessen am aristokratischen Prinzip der Republik, nicht gerade zu einer positiven Auslese. Die Besten sollen das Volk in den Staatsorganen vertreten, vor allem die charakterlich Besten, die die Sittlichkeit der Politik gewährleisten. Zur Republik gehört das Prinzip der Bestenauslese, wie Art. 33 Abs. 2 GG erweist. Das gilt auch für das Parlament. Aber die Politiker rühmen sich ihrer Durchschnittlichkeit. Wir bräuchten nicht nur neue politische Kräfte, meinetwegen neue Parteien, sondern vor allem ein gänzlich anderes Parteienrecht, damit andere Kräfte zum Zuge kommen, die eine andere Auslese ermöglichen. Führung und Gefolgschaft dürfen nicht länger die Strukturprinzipien der Organisationen sein, welche die Politik der Republik dominieren. Vielmehr muss der allgemeine Diskurs der Bürger um die richtigen Gesetze gestaltet werden. Das ist bisher noch nicht ernsthaft versucht worden. Die Aufgabe der Parteien nach Art. 21 Abs. 1 GG ist es, «bei der politischen Willensbildung des Volkes mitzuwirken», nicht das Volk von der Politik auszuschliessen. Die Parteien sollen die Besten zur Wahl vorschlagen, nicht die Besten an ihrer bürgerlichen Pflicht zur Politik hindern. Aber die Ausleseverfahren haben völlig versagt; denn die Parteien schlagen nur ihre eigenen Mitglieder vor, also sich selbst. Es ist unanständig, sich selbst für ein Amt zu bewerben. 2. Vertretung des Volkes versus RepräsentationGegen die Parteienherrschaft sind Volksentscheide, jedenfalls in existentiellen, schicksalhaften Fragen, aber auch als Korrektur zur fehlgesteuerten Repräsentation, unverzichtbar. Man darf den Begriff der Repräsentation nicht verkennen. Die überwiegende Staatsrechtslehre spricht bezeichnenderweise nicht von der «Vertretung des ganzen Volkes», wie das im Grundgesetz in Art. 38 Abs. 1 S. 2 steht, sondern von der Repräsentation, was keiner so ganz versteht. Das Grundgesetz kennt den Begriff der Repräsentation nicht. Er wurde von Carl Schmitt und dessen Schüler Gerhard Leibholz in die Verfassungsrechtslehre der Demokratie eingeführt21. Carl Schmitt hat seine Lehre der katholischen Repräsentationslehre abgeschaut, wonach die Kirche das Unsichtbare, nämlich Gott, sichtbar macht. Die Repräsentanten des Staates machen das ebenso unsichtbare Volk als politischer Einheit sichtbar, das Volk, das von der Bürgerschaft als der Vielheit der Untertanen zu unterscheiden ist. Den Bürger als Politiker kennt Carl Schmitt nicht. Die Freiheit ist für ihn kein politisches Formprinzip, sondern die Demokratie. Die aber ist Herrschaft von Führern. Das Volk der Einzelnen kann dem Führer zujubeln oder murren, mehr nicht. Demokratie ist Akklamation. Mit der Republik hat Carl Schmitt nichts im Sinn. «Der Führer schützt das Recht» war der Titel eines Aufsatzes Carl Schmitts in der Juristischen Wochenschrift 1934 nach dem Röhm-Putsch. Aber ich beziehe mich auf Schmitts Schriften aus der Weimarer Zeit, nicht die aus dem Dritten Reich. Die Repräsentation ist für Carl Schmitt eine Form der Herrschaft. Der Repräsentant ist ein Herr und deswegen darf er repräsentieren. Carl Schmitt ist der einflussreichste Lehrer der Repräsentation und damit der herrschenden Staatsrechtslehre, weltweit. Gerhard Leibholz hat im Parteienstaat eine plebiszitäre Form der Demokratie zu erkennen gemeint, also eine unmittelbare Demokratie. Stärker kann man die Bürgerlichkeit der Bürger kaum verhöhnen. Gerhard Leibholz hat zwanzig Jahre lang die Judikatur des Bundesverfassungsgerichts zum Wahlrecht und zum Parteienrecht bestimmt. Er hat kräftig dazu beigetragen, den vom Grundgesetz verfassten Bürgerstaat in einen Parteienstaat zu verwandeln, in dem es wirklich einen Gegensatz der politischen Klasse und der Bürger genannten Untertanen gibt. Repräsentation ist in der Staatspraxis ein anderes Wort für Herrschaft. Repräsentative Demokratie ist ein Herrschaftssystem. Aber dieses Herrschaftssystem entspricht in keiner Weise dem Freiheitsprinzip des Grundgesetzes. Es beseitigt die Bürgerlichkeit der Bürger. Internationale Unternehmen1. Globalisierung zu Lasten der VölkerDie internationalen Unternehmen ruinieren die Bürgerlichkeit der Bürger. Durch nichts kann ein global agierender Unternehmer Sittlichkeit verwirklichen. Er nutzt die ihm von den Ländern angebotenen Chancen der Gewinnmaximierung. Man gesteht ihm das zu und hat durch völkerrechtliche Verträge die Möglichkeiten internationaler Unternehmungen extrem ausgedehnt, zum Schaden der Völker. Der internationale Waren- und Dienstleistungsverkehr wird als Wettbewerb beschönigt, ist aber nichts anderes als ein Unterbietungswettlauf, in dem alle Standards an Arbeitsschutz, Umweltschutz, Rechtsschutz nivelliert werden, um sich den internationalen Unternehmen als Standort, genauer als Objekt der Ausbeutung, anzudienen. Das Kapital, das diese Unternehmen für ihre Aktivitäten benötigen, schafft das Finanzsystem durch gegenseitige Kreditierung, also kreditäre Geldschöpfung ohne realwirtschaftliche Leistung. Solche «leichten Kredite» werden zwingend notleidend, weil sie von der spekulativen Erwartung grosser Gewinne getragen sind, die sich mangels Wertschöpfung nur solange realisieren lassen, als für die kreditierte Produktion Absatzmärkte in den Ländern mit zahlungskräftiger Bevölkerung bestehen. Diese aber verarmen, weil ihnen die Produktionsstätten und damit die Arbeitsplätze genommen werden. Die unvermeidlichen, in der internationalistischen Wirtschaft systemischen Insolvenzen fangen die Einzelstaaten oder die Staatenverbünde auf und überwälzen die Kosten den Völkern, d. h. deren Steuerzahlern, wiederum um die Unternehmen und mehr noch die Banken, genauer das Ausbeutungssystem, zu erhalten. Die als Rechtfertigung angezogene Systemrelevanz der Banken besteht allein in deren unersetzbaren Funktion, die Finanzierung der Völkerausbeutung zu organisieren. Die Staaten können für die Kredite, welche die Banken ausgereicht haben, aber nur solange einstehen, bis sie selbst ihre Kreditwürdigkeit verloren haben und insolvent werden. Ohne willfährige Politische Klasse ist ein solches System nicht aufrechtzuerhalten. Aber auch die hinreichende Akzeptanz des ausbeuterischen Internationalismus in den Völkern ist nötig. Diese wird durch harte Propaganda abgenötigt, die jede Art von Kritik dieses Wirtschaftssystems in existenzgefährdender Weise diskriminiert. Nur wenige sind befähigt, ihre Kritik so zu formulieren, dass sie nicht leicht angreifbar sind, und haben die Kraft, die Wahrheit und das Richtige zu verteidigen. Die durch die Internationalität abgenötigte Deregulierung nützt nur den Unternehmern und den Banken, nicht den Völkern, nicht den Arbeitnehmern und Verbrauchern, jedenfalls nicht denen der entwickelten Industriestaaten, aber auch nicht denen der ausgebeuteten weniger entwickelten Länder; denn dort arbeiten die Menschen wie Sklaven. Die Entwicklung wird zur weltweiten Versklavung der Völker führen, wenn diese nicht Widerstand leisten. Der aber beginnt sich zu formieren. Die Menschen trauen den Politikern nicht mehr, zu Recht nicht. 2. FreihandelsideologieIn der Europäischen Union werden die Grundfreiheiten (Warenverkehrs-, Dienstleistungs-, Niederlassungs- und die Kapitalverkehrsfreiheit sowie die Arbeitnehmerfreizügigkeit) entgegen den Verträgen und entgegen den Verfassungsgesetzen, vor allem entgegen dem Demokratieprinzip, zur entrechtlichenden Deregulierung missbraucht. Treibende Kraft ist der Europäische Gerichtshof. Weltweit bewirkt das Gleiche die Welthandelsorganisation, die das grosse Wort frei für ihre menschenverachtende Politik reklamiert, nämlich Freihandel. Freihandel ist die richtige Politik, wenn die Voraussetzungen für den gegenseitigen Nutzen bestehen, nicht aber wenn das Wort Ausbeutung der Menschen in allen beteiligten Ländern kaschiert. Alle die Voraussetzungen des Freihandels, die David Ricardo einmal entwickelt hat und die Adam Smith beeindruckt haben, bestehen in der globalisierten Wirtschaft nicht. Aber in Deutschland meint man immer noch, Freihandel sei eine geradezu heilige Vokabel. Aber selbst Paul Krugman, der nun wirklich hinreichend liberalistisch, sprich neoneoliberal, eingestellt ist, muss in seiner Aussenwirtschaftslehre einräumen, dass die Voraussetzung komparativer Vorteile meist nicht bestehen22. Joseph Stiglitz hat der Freihandelsideologie die nötige Philippika gelesen23. Freihandel ist nicht jede Art von Aussenhandel, welcher den Unternehmern nützt, welche in den kostengünstigsten Standorten produzieren lassen, um die Produkte zu höchstmöglichen Preisen in den Wohlstandsländern, gegebenenfalls kreditfinanziert, zu vertreiben. Komparative Vorteile im Freihandel setzen die volle Auslastung aller Ressourcen jedes beteiligten Mitgliedstaates voraus. In Deutschland sind die Ressourcen in keiner Weise voll ausgelastet. Es nutzt seine Produktionsmöglichkeiten mit etwa 70%, aber hat nach den gesetzlich geschönten Statistiken knapp 3 Millionen, nach sachgerechten Kriterien etwa 7 Millionen Arbeitslose. Vor allem ohne Vollbeschäftigung gibt es keine komparativen Vorteile im Aussenhandel, sondern absolute Vorteile, wenn nämlich die Niedriglöhne vornehmlich in Ostasien die Spanne zwischen den Kosten der Produktion und den Preisen für die Waren und Dienstleistungen in den (noch) wohlhabenden Staaten auszudehnen erlauben. Das ist die Optimierung der Ausbeutung. Das Geschäft ist ergiebig. Aber in den Hochlohnländern bleiben die Arbeitslosen zurück, die bezahlt werden müssen, die die Volkswirtschaft nicht weniger kosten als die beschäftigten Arbeitnehmer, aber nicht mehr zum Volkseinkommen beitragen. Volkswirtschaftlich verteuert sich der Konsum. Die internationalen Unternehmer und deren Finanziers sind die Profiteure. Die Verlagerung der Unternehmen in die Niedrigkostenländer verletzt die bürgerliche Sozialpflichtigkeit der Unternehmen krass. 3. Eigentümer der UnternehmenWem gehören die Unternehmen richtigerweise? Nicht nur den Anteilseignern, den amerikanischen Pensionskassen, dem saudischen Herrscherhaus oder wem auch immer, sondern sie gehören allemal auch den Stakeholdern, den Gläubigern, den Arbeitnehmern, aber sie gehören auch dem Gemeinwesen24. Jedes Unternehmen ist auch Unternehmen der Bürgerschaft. Es gehört auch dem Staat. Das verwirklicht sich in der Hoheit des Staates über die Unternehmen. Der Staat kann den Unternehmen Gesetze geben, kann die Arbeitsverhältnisse regeln, den Umweltschutz durchsetzen, Steuern, auch im Interesse der gerechten Verteilung, erheben. Die Unternehmen müssen die Gesetze vollziehen. Die Gesetzlichkeit gehört zu ihrem Handeln. Der Staat gehört zu den Akteuren der Unternehmen. Die Bürger leben von den Unternehmen. Und sie haften mittelbar oder unmittelbar für die Unternehmen, etwa indem sie für die Kredite der Banken einstehen. Aber die Vorstände nehmen ihnen die Unternehmen, ihr «Eigentum», indem sie den Unternehmensstandort verlagern. Sie gehen zur reinen Gewinnmaximierung in das Ausland. Sie verlassen das Land und lassen die Menschen mit deren Kosten zurück. Sie können das, weil sie nicht daran gehindert werden. 4. Ohne Sozialpflichtigkeit kein EigentumEine solche Politik hat mit Sozialpflichtigkeit von Unternehmen und mit Gemeinwohlverwirklichung nichts zu tun. Wenn diese Art der Globalisierung der Wirtschaft ökonomisch vorteilhaft wäre und den Reichtum der Nationen fördern würde, was die Freihandelslehre postuliert oder propagiert, dann wäre sie erwägenswert. Davon kann aber keine Rede sein. Es werden nur die Reichen reicher, d.h. die Unternehmen, die global agieren, und die hinter diesen stehenden Finanziers, zumal die Banken, machen grosse Gewinne, wie man an den Bezügen der Vorstandsmitglieder feststellen kann. Die neoneoliberalen Propagandisten dieser gemeinwohlwidrigen Globalisierung meinen, die kritisierte unternehmerische Internationalisierung auf die Eigentumsgewährleistung stützen zu können. Das ist falsch. Die multinationalen Unternehmen erfüllen die tatbestandlichen Voraussetzungen des Eigentumsgrundrechts nicht. Markt und Wettbewerb fördern die unternehmerische Effizienz, aber nur, wenn die Gesetze den Unternehmern einen Rahmen setzen, der sie nachhaltig zur praktischen Vernunft zwingt. Weiterhin werden die Unternehmen ihrer Sozialpflicht nur gerecht, wenn sie sich dieser nicht ohne Nachteile entziehen können und sie nicht durch die Möglichkeit des Standortwechsels die Macht haben, ihre Handlungsmaximen entgegen dem Gemeinwohl selbst zu bestimmen. Der internationalistische Kapitalismus hat die Grenzen überschritten. Wehe uns, was nach dem zu erwartenden Zusammenbruch des neuerlichen Hochkapitalismus kommt! Die enge Verbindung von Kapitalismus der Reichen und Sozialismus für die Armen, jeweils freiheitswidrige Systeme, ist liberalistisch, privatistisch, aber nicht frei, nicht privat. Sie ist internationalistisch und damit demokratiewidrig und folglich sozialwidrig. Der Mittelstand, die Bürger und die mittelständischen Unternehmen, welche das Gemeinwesen durch ihre Leistungen tragen, werden zunehmend überfordert und zerrieben. Die Bürger haben auf die Unternehmenspolitik so gut wie keinen Einfluss mehr, weil und insoweit sich jedenfalls die international tätigen Unternehmen der Staatsgewalt entziehen. Die Politik ist den Bürgern entgegen ihrer Staatsgewalt aus den Händen genommen worden. Dazu trägt die Übertragung der Hoheitsrechte auf die Europäische Union, die fast die gesamte Politik umfasst, wesentlich bei. Die Organe der Union sind durch einen Lobbyismus korrumpiert, der auch den Rest an demokratischer Legitimation der Unionspolitik beseitigt. 5. Verantwortungsfreies ManagementHinzu kommt die Verantwortungslosigkeit des Managements. Die Manager mögen ihre Sache, die Gewinnmaximierung im Interesse der Shareholder und zugleich im eigenen Interesse, bestmöglich bewerkstelligen, sie tragen aber keinerlei Verantwortung für ihr Handeln. Ethisch und damit vor allem rechtlich darf es kein Unternehmertum ohne Verantwortung der Leitung geben. Die Vorstände haften aber nicht persönlich. Gegen Schadenersatzansprüche sind sie versichert. Die Kosten tragen die Verbraucher, die Abnehmer, die Steuerzahler, aber auch die hilfsbedürftigen Armen. Nur die materielle Haftung vermag das Handeln hinreichend der Gesetzlichkeit zu unterwerfen. Hinzu kommt, dass die Untreue nach § 266 StGB so gut wie nicht verfolgt wird, auch weil die Staatsanwaltschaften fachlich überfordert sind. Oft mögen sie auch korrumpiert sein. Auch die Politiker müssen für den Schaden, den sie dem Volk vorsätzlich oder fahrlässig, jedenfalls grob fahrlässig, zufügen, finanziell verantwortlich gemacht werden. Es gibt keinen Grund, sie von dieser Verantwortung freizustellen, der jeder Beamte und jeder Arbeitnehmer ausgesetzt ist, im Falle der Rechtsbeugung auch der Richter. Wenn die Haftungspflicht der Politiker ernst genommen würde, wäre der Euro wohl kaum eingeführt worden, der Deutschland und Österreich Billionenschaden zufügt. Verteidigung der BürgerlichkeitDie bürgerwidrige Freiheitslehre schadet uns schicksalhaft. Dogmatik, Begriffe des Rechts, steuern das gemeinsame Leben, die fundamentalen Begriffe beeinflussen es folgenschwer. Sie verändern unsere Welt, führen uns zum Recht oder in das Unrecht. Mehr als gemeinsames Leben im Recht können wir nicht erreichen. Das ist die Idee des Rechtsstaates. Die Begriffe müssen im allgemeinen Diskurs erarbeitet werden. Ohne philosophische Fundierung ist der Versuch, zum Recht zu finden, zum Scheitern verurteilt. Der Niedergang unserer Kultur ist ein Verfall des Rechts. Wir stehen, denke ich, obwohl ich kein Historiker bin, mitten im grössten Kulturkampf unserer Geschichte. Es geht um die Verteidigung des Rechts, das nur auf der allgemeinen Freiheit gegründet sein kann, gegen eine rechtsferne, weil freiheitsferne Religion. Es gab immer wieder grosse Kulturkämpfe, die gleichzeitig Machtkämpfe waren. Der 30jährige Krieg ist ein Beispiel, das unvergesslich ist. Aber auch der Bürgerkrieg, den Adolf Hitler in und gegen Deutschland geführt hat und in den er Europa und die Welt hineingezogen hat, war ein Kulturkampf, denn er richtete sich wesentlich gegen das mosaische und menschheitliche Tötungsverbot. Die Grundlage der Freiheit ist das Leben, und das Recht jedes Menschen zu leben, muss der Menschheit und jedem Staat heilig sein. Ich bin «Mut zur Ethik» dankbar für den stetigen Beitrag zur Verteidigung der europäischen Kultur, der aufklärerischen Kultur, der westliche Kultur, die ja eng mit dem Christentum verbunden ist. Das «äusserste Ziel der Kultur» aber «ist die vollkommene bürgerliche Verfassung» (Anfang der Menschengeschichte, Anmerkung VI 57), in der die Bürger bürgerlich leben können. Es geht um den Status, den der Bürger von Verfassung wegen hat. Den gilt es zu verwirklichen. Das drängt, sich gegen den Verfall von Freiheit und Recht zu verteidigen, Widerspruch zu äussern, ja Widerstand zu leisten, wenn es zu weit geht, bis hin zur Separation. Es gibt auch in Deutschland das Recht eines Landes zur Separation aus einem Bundesstaat, der die Grundprinzipien der Republik, des Freistaates, verletzt, verfassungswidrige Kriege führt und das Land wirtschaftlich ruiniert. Der Freistaat Bayern etwa hätte längst das Recht, sich von der Bundesrepublik Deutschland zu lösen, weil die Bundesrepublik durch die Integration in die Europäische Union schon lange kein Rechtsstaat mehr ist. Den Bürgern ist die Bürgerlichkeit, nämlich die politische Freiheit, genommen. Ihre politische Freiheit ist unterlaufen. Ihr Eigentum ist gefährdet, weitgehend schon durch die Staatsschuldenpolitik verausgabt. Ihre Rede wird, wenn nicht bestraft, so doch verfemt. Über ihr Recht befinden Organe, die sie nicht gewählt haben und denen sie nicht vertrauen können. Durch Verarmung wird breiten Schichten des Volkes die Selbständigkeit genommen. Das Volkseinkommen wird in aller Welt verteilt, vornehmlich an die Reichen. Der Grossstaat, in den die Völker Europas hineingezwungen sind, lässt mangels demokratischer Strukturen Freiheit und Recht keine Chance. Der Grossstaat führt Kriege und ignoriert die Sehnsucht der Völker nach Frieden. In the One-World wird es keine Bürger geben, sondern nur Untertanen. Widerspruch, ja Widerstand ist geboten. Das Grundgesetz gibt in Art. 20 Abs. 4 das Recht. Für Bürger ist die Verteidigung von Freiheit und Recht sittliche Pflicht. • 1 Der Staat heisst übrigens «Deutschland» und nicht die «Bundesrepublik». Viele wollen das Wort Deutschland gar nicht mehr sprechen. Es soll möglichst vergessen werden. Aber der Name Deutschland ist eine Entscheidung für die Einheit des ganzen Deutschland im Sinne des Deutschen Reichs. Sie ist Theodor Heuss, dem späteren ersten Bundespräsidenten, zu danken. Die Sozialdemokraten wollten vom Bund deutscher Länder sprechen und schon dadurch die Teilung Deutschlands verfestigen. 2 Vgl. K. A. Schachtschneider, Freiheit in der Republik, S. 407 ff. 3 Dazu K. A. Schachtschneider, Freiheit in der Republik, S. 34 ff., 274 ff., 343 ff., 405 ff. 4 Kant wird aus den von W. Weischedel herausgegebenen Werken in zehn Bänden, 1968, jeweils mit den üblichen Abkürzungen der Schriften zitiert. 5 K. A. Schachtschneider, Freiheit in der Republik, S. 27 ff. 6 Herrschaftskritik bei K. A. Schachtschneider, Res publica res populi. Grundlegung einer allgemeinen Republiklehre. Ein Beitrag zur Freiheits-, Rechts- und Staatslehre, 1994, S. 71 ff.; ders., Freiheit in der Republik, 2007, S. 115 ff. 7 K. A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht. Kritik der Fiskustheorie, exemplifiziert an § 1 UWG, 1986. 8 K. A. Schachtschneider, Der Anspruch auf materiale Privatisierung. Exemplifiziert am Beispiel des staatlichen und kommunalen Vermessungswesens in Bayern, 2005, S. 67 ff. 9 Dazu K. A. Schachtschneider, Freiheit in der Republik, S. 551 ff. 10 K. A. Schachtschneider, Freiheit in der Republik, S. 579 ff.; ders., Recht auf Arbeit – Pflicht zur Arbeit, in ders. (Hrsg.), Transport – Wirtschaft – Recht, Gedächtnisschrift für J. G. Helm, 2001, S. 827 ff. 11 Vgl. K. A. Schachtschneider, Freiheit in der Republik, S. 537 ff., 544 ff. 12 Dazu K. A. Schachtschneider, Medienmacht versus Persönlichkeitsschutz, in: ders., Freiheit – Recht – Staat, hrsg. von D. Siebold/A. Emmerich-Fritsche, 2005, S. 268 ff. 13 K. A. Schachtschneider, Rechtsstaatlichkeit als Grundlage des inneren und äusseren Friedens, Mut zur Ethik, Grundrechte, Rechtsstaatlichkeit und Völkerrecht versus Krieg, 2002, S. 61 ff., 70 ff. 14 Dazu K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 1177 ff. 15 K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 1060 ff., 1086 ff. 16 Dazu K. A. Schachtschneider, Prinzipien des Rechtsstaates, 2006, S. 167 ff. 17 Wortführer Ernst-Wolfgang Böckenförde, Die verfassungstheoretische Unterscheidung von Staat und Gesellschaft als Bedingung der individuellen Freiheit, 1973; Kritik K. A. Schachtschneider, Freiheit in der Republik, S. 207 ff., insb. S. 226 ff. 18 K. A. Schachtschneider, Freiheit in der Republik, S. 636 ff. 19 Vgl. K. A. Schachtschneider, Verfassungsrecht der Europäischen Union, Teil 2: Wirtschaftsverfassung mit Welthandelsordnung, 2010, S. 71 ff. 20 Dazu K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 1045 ff. 21 Dazu K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 735 ff. 22 Internationale Wirtschaft, Theorie und Politik der Aussenwirtschaft, 7. Aufl. 2006, mit Maurice Obstfeld. 23 Die Schatten der Globalisierung, 2002; Die Chancen der Globalisierung, 2006. 24 K. A. Schachtschneider, Eigentümer globaler Unternehmen, 1999, in: ders., Freiheit – Recht – Staat, hrsgg. von D. Siebold/A. Emmerich-Fritsche, 2005, S. 633 ff., ders., Verfassungsrecht der Europäischen Union, 2. Teil: Wirtschaftsverfassung mit Welthandelsordnung, S. 646 ff. |
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