von Dr. Bruno Bandulet*
Wie ein kleines Volk am Polarkreis der EU trotzte und mit den Banken kurzen Prozess machte
«Die Moral von der Geschicht’: Weil Island nicht in der Euro-Zone war, konnte die Krone abwerten, und die Handelsbilanz samt Dienstleistungen ist längst wieder im Plus. Auch die Wirtschaft wächst wieder (ganz anders als in Griechenland). Und weil Island immer noch nicht in der EU ist, bewahrte es seine Selbständigkeit, seine Demokratie und seine Würde.»
Seit der diesjährigen Frankfurter Buchmesse wissen wir, dass die Isländer nichts lieber tun als Geschichten erzählen. Ich kenne auch eine, noch dazu eine wahre. Sie geht so: Es war einmal ein Land, dessen Banken so lange zockten und Schulden machten, bis sie vor dem Bankrott standen (das passierte vor drei Jahren). Da liess die Regierung die Banken einfach pleitegehen und verstaatlichte sie, damit der Zahlungsverkehr aufrechterhalten blieb (anders als in der EU, wo sie mit Steuergeldern gerettet wurden).
Die Regierungen in London und Den Haag wurden sehr böse und verlangten, dass die Steuerzahler des kleinen Landes für die Auslandschulden der Banken aufkämen. Sie handelten mit der Linksregierung des Landes ein Abkommen aus, wonach diese bis zum Jahr 2024 viele Milliarden Bankschulden abzahlen sollte (umgerechnet auf die Wirtschaftskraft Deutschlands sogar weit mehr als eine Billion Euro).
Als das Parlament das Gesetz verabschiedete, ging das kleine Volk so lange auf die Strasse, bis der Präsident die Unterschrift verweigerte (in Deutschland hingegen unterschrieb Horst Köhler und trat anschliessend zurück). Es kam zu einer Volksabstimmung, in der über 90 Prozent nein sagten. Darauf handelte die Regierung ein neues Abkommen aus, der Präsident unterschrieb wieder nicht, und das Volk stimmte wieder mit Nein. Seitdem ist die ganze EU sehr böse auf Island und will das kleine Land nicht beitreten lassen. Beitreten will aber nur die Linksregierung. Die Mehrheit des Volkes möchte lieber selbständig bleiben und die reichen Fischgründe für sich behalten.
Die Moral von der Geschicht’: Weil Island nicht in der Euro-Zone war, konnte die Krone abwerten, und die Handelsbilanz samt Dienstleistungen ist längst wieder im Plus. Auch die Wirtschaft wächst wieder (ganz anders als in Griechenland). Und weil Island immer noch nicht in der EU ist, bewahrte es seine Selbständigkeit, seine Demokratie und seine Würde. Ach ja, und gegen die Schuldigen an der Finanzkatastrophe, selbst gegen den früheren Ministerpräsidenten, ermittelt ein Sonderstaatsanwalt. In den Pleitestaaten der EU wird gegen niemanden ermittelt.
Die Regierungen in London und Den Haag wurden sehr böse und verlangten, dass die Steuerzahler des kleinen Landes für die Auslandschulden der Banken aufkämen. Sie handelten mit der Linksregierung des Landes ein Abkommen aus, wonach diese bis zum Jahr 2024 viele Milliarden Bankschulden abzahlen sollte (umgerechnet auf die Wirtschaftskraft Deutschlands sogar weit mehr als eine Billion Euro).
Als das Parlament das Gesetz verabschiedete, ging das kleine Volk so lange auf die Strasse, bis der Präsident die Unterschrift verweigerte (in Deutschland hingegen unterschrieb Horst Köhler und trat anschliessend zurück). Es kam zu einer Volksabstimmung, in der über 90 Prozent nein sagten. Darauf handelte die Regierung ein neues Abkommen aus, der Präsident unterschrieb wieder nicht, und das Volk stimmte wieder mit Nein. Seitdem ist die ganze EU sehr böse auf Island und will das kleine Land nicht beitreten lassen. Beitreten will aber nur die Linksregierung. Die Mehrheit des Volkes möchte lieber selbständig bleiben und die reichen Fischgründe für sich behalten.
Die Moral von der Geschicht’: Weil Island nicht in der Euro-Zone war, konnte die Krone abwerten, und die Handelsbilanz samt Dienstleistungen ist längst wieder im Plus. Auch die Wirtschaft wächst wieder (ganz anders als in Griechenland). Und weil Island immer noch nicht in der EU ist, bewahrte es seine Selbständigkeit, seine Demokratie und seine Würde. Ach ja, und gegen die Schuldigen an der Finanzkatastrophe, selbst gegen den früheren Ministerpräsidenten, ermittelt ein Sonderstaatsanwalt. In den Pleitestaaten der EU wird gegen niemanden ermittelt.
Lyon: Zum ersten Mal machten deutsche und französische Ökonomen gemeinsam Front gegen den Euro und berieten über ein besseres Währungssystem für Europa
Am 7. Oktober war Lyon, die alte Römerstadt an der Rhone, Schauplatz einer doppelten Premiere: Zum ersten Mal setzten sich deutsche und französische Ökonomen zusammen, und zum ersten Mal berieten sie über den Euro und seine Zukunft. Am Schluss herrschte weitgehende Übereinstimmung, dass die Einheitswährung scheitern wird und durch ein neues europäisches Währungssystem mit Rückkehr der nationalen Währungen ersetzt werden sollte.
Aus Deutschland war Ex-Bundesbanker Wilhelm Nölling angereist, nannte die Währungsunion «die Ursache unlösbarer Probleme» und zeigte sich «zu hundert Prozent sicher», dass die vom Bundestag abgegebenen Milliarden-Garantien eingelöst werden müssen. Das jüngste Euro-Urteil des Bundesverfassungsgerichts habe die Erpressbarkeit Deutschlands erhöht. Denn Karlsruhe habe für die deutschen Zahlungen keine klare Obergrenze gezogen. Nölling sieht folgendes kommen: sinkende Lebensstandards in der EU, Gelddrucken der Zentralbank, Kapitalflucht, Schwarzarbeit und Steuerverweigerung.
Joachim Starbatty, wie Nölling einer der Kläger in Karlsruhe, befasste sich kritisch mit der Geldpolitik der Europäischen Zentralbank. Der dritte deutsche Referent (der Autor dieser Zeilen) behandelte das Thema «Europa nach dem Euro».
Jean-Jacques Rosa (Paris) stellte die Frage, warum die in der EU herrschenden Eliten den Euro überhaupt eingeführt hätten. Antwort: «Weil ihre Ideen aus einer anderen Zeit stammen, aus der Zeit des kalten Krieges.» Ein europäischer Zentralismus werde nicht durchsetzbar sein, auch weil der äussere Feind fehle. Eine seriöse Prognose, wie lange der Euro überlebe und was danach komme, sei nicht möglich, weil es mit 17 Partnern unzählige Kombinationsmöglichkeiten gebe. «Der Abzug des Kapitals aus der Euro-Zone hat bereits begonnen.» Wenn sich an der offiziellen Euro-Politik nichts ändere, drohen Aufstände und Revolutionen, meinte Rosa. Gérard Lafay (Paris) plädierte für ein neues europäisches Währungssystem mit nationalen Währungen und für den Anfang für eine Umstellung eins zu eins (Beispiel: ein Euro gleich eine neue Deutsche Mark). Danach würden die einzelnen Währungen auseinanderdriften, bis sie auf Basis realer Wechselkurse fixiert werden.
Jean-Pierre Vesperini (Rouen) erinnerte daran, dass nicht Deutschland, sondern Frankreich – nämlich Mitterrand und die französischen Bankiers – den Euro gefordert und durchgesetzt hätten. Er bezifferte die Wachstumseinbussen, die Frankreich wegen des Euro erlitten hat, auf jährlich 0,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Allein dadurch habe sich das französische Haushaltsdefizit erhöht. Sein Kollege Gabriel Colletis (Toulouse) meinte, der Euro werde «von sehr mächtigen Interessen» verteidigt, «und deswegen bricht das Kartenhaus nicht so schnell zusammen».
«Kartelle sind keine nachhaltigen Organisationen», sagte dazu Professor Rosa, «in einem Kartell ist derjenige der Böse, der das Kartell bricht» – und erklärte damit sehr schön den Unwillen der deutschen Regierung, den ersten Schritt zu tun. Roland Hureaux (Toulouse), früher im Kabinett des Ministerpräsidenten und zusammen mit Michel Robatel (Lyon) Organisator der Konferenz, warf der offiziellen Euro-Politik «Unkenntnis des kulturellen Faktors in der Wirtschaft» vor, erwähnte das deutsche Inflationstrauma, das in Frankreich fehle, und bekräftigte die gemeinsame Absicht, die in Lyon begonnene deutsch-französische Kooperation fortzusetzen, zunächst mit einer Tagung in Deutschland. Dass Frankreich in Lyon eine solche Phalanx Euro-kritischer Professoren aufbieten konnte, war für die deutschen Teilnehmer eine neue und ganz überraschende Erfahrung.
Aus Deutschland war Ex-Bundesbanker Wilhelm Nölling angereist, nannte die Währungsunion «die Ursache unlösbarer Probleme» und zeigte sich «zu hundert Prozent sicher», dass die vom Bundestag abgegebenen Milliarden-Garantien eingelöst werden müssen. Das jüngste Euro-Urteil des Bundesverfassungsgerichts habe die Erpressbarkeit Deutschlands erhöht. Denn Karlsruhe habe für die deutschen Zahlungen keine klare Obergrenze gezogen. Nölling sieht folgendes kommen: sinkende Lebensstandards in der EU, Gelddrucken der Zentralbank, Kapitalflucht, Schwarzarbeit und Steuerverweigerung.
Joachim Starbatty, wie Nölling einer der Kläger in Karlsruhe, befasste sich kritisch mit der Geldpolitik der Europäischen Zentralbank. Der dritte deutsche Referent (der Autor dieser Zeilen) behandelte das Thema «Europa nach dem Euro».
Jean-Jacques Rosa (Paris) stellte die Frage, warum die in der EU herrschenden Eliten den Euro überhaupt eingeführt hätten. Antwort: «Weil ihre Ideen aus einer anderen Zeit stammen, aus der Zeit des kalten Krieges.» Ein europäischer Zentralismus werde nicht durchsetzbar sein, auch weil der äussere Feind fehle. Eine seriöse Prognose, wie lange der Euro überlebe und was danach komme, sei nicht möglich, weil es mit 17 Partnern unzählige Kombinationsmöglichkeiten gebe. «Der Abzug des Kapitals aus der Euro-Zone hat bereits begonnen.» Wenn sich an der offiziellen Euro-Politik nichts ändere, drohen Aufstände und Revolutionen, meinte Rosa. Gérard Lafay (Paris) plädierte für ein neues europäisches Währungssystem mit nationalen Währungen und für den Anfang für eine Umstellung eins zu eins (Beispiel: ein Euro gleich eine neue Deutsche Mark). Danach würden die einzelnen Währungen auseinanderdriften, bis sie auf Basis realer Wechselkurse fixiert werden.
Jean-Pierre Vesperini (Rouen) erinnerte daran, dass nicht Deutschland, sondern Frankreich – nämlich Mitterrand und die französischen Bankiers – den Euro gefordert und durchgesetzt hätten. Er bezifferte die Wachstumseinbussen, die Frankreich wegen des Euro erlitten hat, auf jährlich 0,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Allein dadurch habe sich das französische Haushaltsdefizit erhöht. Sein Kollege Gabriel Colletis (Toulouse) meinte, der Euro werde «von sehr mächtigen Interessen» verteidigt, «und deswegen bricht das Kartenhaus nicht so schnell zusammen».
«Kartelle sind keine nachhaltigen Organisationen», sagte dazu Professor Rosa, «in einem Kartell ist derjenige der Böse, der das Kartell bricht» – und erklärte damit sehr schön den Unwillen der deutschen Regierung, den ersten Schritt zu tun. Roland Hureaux (Toulouse), früher im Kabinett des Ministerpräsidenten und zusammen mit Michel Robatel (Lyon) Organisator der Konferenz, warf der offiziellen Euro-Politik «Unkenntnis des kulturellen Faktors in der Wirtschaft» vor, erwähnte das deutsche Inflationstrauma, das in Frankreich fehle, und bekräftigte die gemeinsame Absicht, die in Lyon begonnene deutsch-französische Kooperation fortzusetzen, zunächst mit einer Tagung in Deutschland. Dass Frankreich in Lyon eine solche Phalanx Euro-kritischer Professoren aufbieten konnte, war für die deutschen Teilnehmer eine neue und ganz überraschende Erfahrung.
Notizbuch
Dass die sogenannten Wutbürger jetzt auch in Deutschland gegen die Banken demonstrieren, ist schön und gut. Aber wo bleiben die Proteste gegen den Euro und gegen die verantwortlichen Politiker? Dass die europäischen Banken drei Jahre nach dem letzten Crash schon wieder wackeln, hat einen einfachen Grund: Sie sitzen – nach dem Stand vom Juni – auf Staatsanleihen Griechenlands, Irlands, Portugals, Italiens und Spaniens im Volumen von 556 Milliarden Euro. Genau das aber haben die Politiker von ihnen erwartet. Es ist ein durchsichtiges Ablenkungsmanöver, jetzt die Banken zu alleinigen Sündenböcken zu machen. Noch vor einem Jahr forderte Finanzminister Schäuble die deutschen Geldinstitute auf, ihre Mittelmeer-Anleihen nicht zu verkaufen. Ohne die Banken hätte der Euro nicht gegründet werden können. Und er hätte nicht so lange überlebt. Dasselbe gilt für die Versicherungskonzerne, die von den Regierungen gezwungen werden, zum Schaden der Versicherten in Staatsanleihen zu investieren.
Jörg Asmussen (SPD) hatte im Finanzministerium unter Peer Steinbrück die Voraussetzungen dafür geschaffen, dass die deutschen Banken massiv in minderwertige US-Immobilienpapiere einsteigen konnten, was den Steuerzahler zwecks Bankenrettung bisher 39 Milliarden Euro gekostet hat. Nun darf er künftig in der EZB den Euro retten helfen. Vor dem EU-Parlament empfahl er sich als «pragmatisch» und fügte hinzu: «Das ist etwas, was die Deutschen noch lernen müssen.» Nach Axel Weber und Jürgen Stark haben sie endlich einen Deutschen bei der EZB, der keinen Ärger macht. Allein seine üble Rolle im Aufsichtsrat der Mittelstandsbank IKB, an deren Ruin er keinen geringen Anteil hatte, hätte ausreichen müssen, ihn aus dem Verkehr zu ziehen.
Nicht nur die FDP-Mitglieder, auch die «FAZ»-Leser konnten über den permanenten Euro-Rettungsmechanismus (ESM) abstimmen. Stand bei Redaktionsschluss: 91 Prozent dagegen, 6 Prozent dafür.
Nachdem das slowakische Parlament den reformierten Euro-Rettungsschirm abgelehnt hatte, musste es noch einmal abstimmen, bis dann das Ergebnis stimmte. In Sowjetzeiten war das einfacher, da musste nur einmal die Hand gehoben werden. Jetzt haften also die armen Slowaken für die erheblich wohlhabenderen Griechen, der renitente Parlamentspräsident Richard Sulík verliert seinen Posten, und nach den Neuwahlen 2012 wird voraussichtlich der Linkssozialist Robert Fico wieder an die Macht kommen. •
Jörg Asmussen (SPD) hatte im Finanzministerium unter Peer Steinbrück die Voraussetzungen dafür geschaffen, dass die deutschen Banken massiv in minderwertige US-Immobilienpapiere einsteigen konnten, was den Steuerzahler zwecks Bankenrettung bisher 39 Milliarden Euro gekostet hat. Nun darf er künftig in der EZB den Euro retten helfen. Vor dem EU-Parlament empfahl er sich als «pragmatisch» und fügte hinzu: «Das ist etwas, was die Deutschen noch lernen müssen.» Nach Axel Weber und Jürgen Stark haben sie endlich einen Deutschen bei der EZB, der keinen Ärger macht. Allein seine üble Rolle im Aufsichtsrat der Mittelstandsbank IKB, an deren Ruin er keinen geringen Anteil hatte, hätte ausreichen müssen, ihn aus dem Verkehr zu ziehen.
Nicht nur die FDP-Mitglieder, auch die «FAZ»-Leser konnten über den permanenten Euro-Rettungsmechanismus (ESM) abstimmen. Stand bei Redaktionsschluss: 91 Prozent dagegen, 6 Prozent dafür.
Nachdem das slowakische Parlament den reformierten Euro-Rettungsschirm abgelehnt hatte, musste es noch einmal abstimmen, bis dann das Ergebnis stimmte. In Sowjetzeiten war das einfacher, da musste nur einmal die Hand gehoben werden. Jetzt haften also die armen Slowaken für die erheblich wohlhabenderen Griechen, der renitente Parlamentspräsident Richard Sulík verliert seinen Posten, und nach den Neuwahlen 2012 wird voraussichtlich der Linkssozialist Robert Fico wieder an die Macht kommen. •
Quelle: Deutschland-Brief, publiziert in «eigentümlich-frei», November 2011
* Der Verleger, Journalist und Buchautor Bruno Bandulet war unter anderem Chef vom Dienst bei der «Welt» und Mitglied der Chefredaktion der «Quick». Er ist Herausgeber des Informationsdienstes «Gold & Money Intelligence (G&M)». Von 1995 bis Ende 2008 war er Herausgeber des Hintergrunddienstes «DeutschlandBrief», der seit Anfang 2009 als Kolumne in «eigentümlich frei» weitergeführt wird.mehr>>
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