Gesamte Sitzung (Audio):
2015_12_03_Hearing_Verfassungsausschuss.mp3
Am 3.12 fand das zweite Expertenhearing zum EU-Austritts-Volksbegehren statt. Die Proponenten verliesen das Parlament aus Protest. Die Diskussion fand aber trotzdem statt. Hier meine Meinung dazu:
Die Bundesregierung,
die Parlamentsparteien, alle nominierten Experten des Verfassungsausschusses
lehnten den Austritt aus der EU ab. Argumentiert wurde hauptsächlich mit
Arbeiten von Univ. Prof. Dr. Fritz Breuss – er und alle namhaften
Wissenschaftler würden die makroökonomische Entwicklung der EU als Erfolg und
Gewinn für Österreich sehen. Die derzeitigen Rekordarbeitslosenzahlen wären angeblich
ohne EU-Mitgliedschaft noch höher. Die offenen Grenzen, die
Gemeinschaftswährung Euro und die EU-Studentenaustauschprogramme
wären darüber hinaus die Gründe in der EU zu verbleiben. Auf die rechtlichen
und politischen Defizite der EU gingen die Experten kaum ein. Reformen der EU
hielten viele Experten und Abgeordnete allerdings für notwendig.
Mich haben
die wenigen Argumente für den Verbleib Österreichs in der EU überhaupt nicht
überzeugt. Die genannten Aspekte sind bestenfalls Halbwahrheiten. Wenn z.B. die
EU jährlich 18000 Arbeitsplätze geschaffen hat, wie viele hat sie dann
vernichtet, angesichts des Arbeitslosenrekords? Warum hat Österreich
Rekordstaatsschulden? Die wichtigsten Argumente für den Austritt Österreichs
aus der EU wurden gar nicht angesprochen, geschweige denn ausreichend
diskutiert. Der Austritt Österreichs aus der EU ist für mich nach wie vor
notwendig, weil so umfassende Reformen der EU-Verträge gar nicht möglich sind.
Die Grundfreiheiten der EU, der Europäische Binnenmarkt - er ist ja sozusagen
das Fundament der EU - ist schon der Grundfehler, hat Prof. Dr.
Schachtschneider dargelegt. „Frei ist das Kapital und nicht der Mensch“, so
Prof. Schachtschneider, der auch eine Verfassungsbeschwerde verfasste, die sich
jeder durchlesen sollte. Das demokratische Defizit der EU ist untragbar: Das
Europaparlament ist nur eine Versammlung von Vertretern der Mitgliedsstaaten
und kann von sich aus keine eigenen Gesetze beschließen. Es kann auch kein
echtes Parlament sein, sonst müsste man ja vorher die notwendigen
verfassungsrechtlichen Schritte samt Volksabstimmungen in allen
Mitgliedsstaaten durchführen.
Es ist ein zweifellos ein Vorteil, die offenen
Grenzen, kein Stau, kein Geldwechseln. Und es ist schön, dass die EU die
Studenten fördert. Fördern ist eigentlich ein falscher Ausdruck. Die
eingezahlten Mitgliedsbeiträge Österreichs werden ja nur zum Teil wieder an
Österreich retourniert. Österreich fördert die EU mit derzeit jährlich 3
Milliarden Euro. Mehr als 2/3 dieses Geldes wird für den Agrarfonds und den
Kohäsionsfonds oder Umverteilungsfonds verwendet. Bezieher der Agrar-Förderungen sind vor allem
Landwirtschaftskammern, Tourismus- und Vermarktungsgesellschaften,
Lebensmittel- und Energiebetriebe, Stiftungen und kirchliche Einrichtungen –
also nicht etwa den kleinen Bauern, die die Landschaft tatsächlich pflegen. Mit
den Geldern für den Kohäsionsfonds wird fremden Ländern geholfen.
Die
Studenten könnten auch ohne EU-Mitgliedschaft Österreichs gefördert werden, so
wie das auch die Schweiz macht. Nach dem Ausschluss aus dem „Erasmus“ -
Programm der EU ersparte sich die Schweiz ab 2014 viel Geld, weil sie keine
Gebühren an die EU mehr bezahlen musste, sondern die Studenten auf direktem Weg
billiger fördern konnte Die Eidgenossen brauchen kein Monsterabkommen aus
Brüssel, damit die Schweizer Studenten ein Auslandsemester machen und umgekehrt
die ausländischen Studenten in der Schweiz studieren können.
Die offenen Grenzen haben auch viele
Nachteile, wie die derzeitige Völkerwanderung aus allen möglichen Ländern
zeigt. Die meisten der so genannten Flüchtlinge haben gar keinen Asylstatus und
viele sind Wirtschaftsmigranten. Sie dürften gesetzlich nicht ungestraft die
österreichische Grenze passieren oder gar durch Österreich „geschleppt“ werden.
Die Kriminalität ist mit den offenen
Grenzen sicher gestiegen.
Haben die
im Verfassungsausschuss genannten wissenschaftlichen Arbeiten bezüglich der
positiven makroökonomischen Wirtschaftsentwicklung in der EU auch alle Aspekte
berücksichtigt? Auch die negativen Folgen durch das vorgeschriebene neoliberale
Wirtschaftsystem der EU und die Belastungen des österreichischen Sozialsystems
dadurch? Die extremen Nachteile des
Herkunftslandprinzips der EU? Ich sehe keine komparativen Vorteile des von der
EU festgelegten Wirtschaftssystems der offenen Marktwirtschaft mit freiem
Wettbewerb. Es sind einseitige Vorteile der wenigen Gewinnern, die immer
reicher und reicher werden. Die Schere zwischen Arm und Reich öffnet sich immer
mehr. Alle paar Jahre müssen die Finanzjongleure dann von den Steuerzahlern der
Mitgliedsländer gerettet werden. Viele Bürger zittern um ihren Arbeitsplatz und
ihre Pension, die Sozialstandards insgesamt werden immer niedriger. Der Euro wurde
ohne Volksabstimmung und entgegen den Versprechungen vor der Volksabstimmung
1994 eingeführt. Nach Prof. Dr.Wilhelm Hankel könnte ein Ecu für internationale
Geschäfte und wieder nationale Währungen mit Auf- und Abwertmöglichkeit eingeführt
werden. So könnten die schwachen Volkswirtschaften abwerten und wieder
wettbewerbsfähig werden und die starken Volkswirtschaften aufwerten und den
Wohlstand der Bevölkerung steigern.
Die Kaufkraft
der EU-Währung „Euro“ ist gegenüber dem Schilling gesunken. Das spürt jeder,
der ehrlich ist. Ich sehe nicht, dass es Österreich insgesamt vor dem Beitritt
zur EU 1995 schlechter gegangen ist und bin mir sicher, dass es der Mehrheit
der Österreicherinnen und Österreicher ohne EU auch jetzt viel besser ginge. Im Gegenteil: Wer in meiner Jugendzeit
arbeiten wollte, der fand in der Regel schnell Arbeit. Heute zittert jeder um
seinen Arbeitsplatz und sogar junge Menschen tun sich sehr schwer trotz guter
Ausbildung einen passenden Arbeitsplatz mit gerechter Entlohnung zu finden.
Das
Beispiel Schweiz zeigt, dass es ohne EU möglich ist, viel weniger Arbeitslose
und Staatsschulden zu haben. Die Eidgenossen haben auch ein größeres
Bruttoinlandsprodukt pro Kopf und eine wesentlich geringere Staatsverschuldung.
Wurden in den genannten Studien auch die durch das EU-System, genauer durch die
Kapitalverkehrsfreiheit, in die EU gebrachte Finanzmarktkrise und die
Euro-Rettung berücksichtigt? Die Zahlungen und Haftungen für die Euro-Rettung?
Der Schweiz schadete im Verhältnis die Krise nicht so sehr, weil sie sich
besser schützen konnte. Wurden die Milliarden für andere Staaten, wie
Griechenland, in den Studien berücksichtigt?
Wurden die EZB-Inflationspolitik und die Staatenfinanzierung
mitkalkuliert? Allein die Steigerung des BIP um 0,9 % als Referenz zu nehmen
genügt nicht! Ohne EU mit dem Schweizer Modell hätte Österreich so wie die Schweizer
wirtschaftlichen Erfolg, dadurch könnte es allen Österreichern besser gehen und
wir wären als neutraler Staat nicht auf der Liste des Terrors.
Es ist
unglaubwürdig, dass die EU-Mitgliedschaft Österreichs für alle mehr Vorteile
gebracht hätte. Ein Teil der Österreicher mag aus dem von der EU
vorgeschriebenen „Extrem-Kapitalismus“ profitieren - die Reichen werden ja reicher - das gilt aber
nicht für meisten Menschen, deren Standard immer mehr sinkt.
Sogar der im Verfassungshearing als Referenz genannte
Univ. Prof. Dr. Fritz Breuss schreibt in seiner Studie zur Ostöffnung: „Die
Ostöffnung war daher für die österreichische Volkswirtschaft insgesamt ein
großer Erfolg, nicht aber für alle Beteiligten.“ Und in einer anderen Schrift
von Prof. Dr. Breuss: „Seit der stagnierenden Wirtschaftsentwicklung in Europa
nach den diversen Krisen (Große Rezession 2009, Euro-Krise seit 2010,
Unsicherheiten durch die Ukraine-Russland-Krise 2013/14) scheint der
„EU-Wachstumsbonus“ langsam zu verblassen.“
Der Ökonom
Stephan Schulmeister kritisiert das neoliberale Ausbeutersystem der EU:
„Vergleicht
man abschließend die Performance der Wirtschaft in Österreich und in der Eurozone in den vier Entwicklungsphasen seit 1955
mit der jeweils dominanten ökonomischen Doktrin und den entsprechenden
makroökonomischen Rahmenbedingungen, so ergibt sich folgendes Bild:
In der
Eurozone hat sich das mittelfristige Wachstumstempo nahezu stetig verlangsamt.
Die
ökonomische und soziale Performance Österreichs übertraf jene in der Eurozone
am stärksten in jener Phase (…) in der
sich die Wirtschaftspolitik in Österreich noch an (austro)keynesianischen
Prinzipien orientierte, die übrigen Länder der Eurozone aber nicht mehr.“
Dieser
Befund lässt für die kommenden Jahre wenig Gutes erwarten. Denn auf die
Vertiefung der Krise als Folge der neoliberalen Spar- und Reformmaßnahmen
reagiert die Politik mit einer Erhöhung der Dosis. Vorboten dessen sind die
Forderungen nach Verlängerung der Arbeitszeit ohne Lohnausgleich (also nach
Senkung der Reallöhne) sowie nach weiteren Leistungskürzungen im Bereich der
sozialen Kranken-, Pensions- und Arbeitslosenversicherung. ++
Am 26.1 ist die nächste Sitzung. Diesmal dürfen 2 Experten der Proponenten sprechen. Die Sitzung dauerd 2 Stunden (11-13 Uhr im Budgetsaal) und das EU-Austritts-Volksbegehren mit ihrer Sprecherin und 2 Stellvertretern wird im Mitterpunkt stehen. Allerdings wird bereits am 27.1 im Plenum des Parlaments die Entscheidung der 183 Abgeordneten fallen. Das ist natürlich auch keine echte Demokratie. Es ist ja keine Zeit für die Abgeordneten die Argumente zu überprüfen und abzuschätzen. Man hat nur den Eindruck, dass es sowieso für die Fraktionen und der Regierung klar ist, dass sie das Volksbegehren wieder mal schubladieren wollen. Aber wer weiß, vielleicht finden sich einige mutige Abgeordnete, die einen Entschließungsantrag stellen, oder gar einen fertigen Gesetzesantrag für den Austritt Österreichs aus der EU vorlegen. 5 wären mindestens nötig!
Am 26.1 ist die nächste Sitzung. Diesmal dürfen 2 Experten der Proponenten sprechen. Die Sitzung dauerd 2 Stunden (11-13 Uhr im Budgetsaal) und das EU-Austritts-Volksbegehren mit ihrer Sprecherin und 2 Stellvertretern wird im Mitterpunkt stehen. Allerdings wird bereits am 27.1 im Plenum des Parlaments die Entscheidung der 183 Abgeordneten fallen. Das ist natürlich auch keine echte Demokratie. Es ist ja keine Zeit für die Abgeordneten die Argumente zu überprüfen und abzuschätzen. Man hat nur den Eindruck, dass es sowieso für die Fraktionen und der Regierung klar ist, dass sie das Volksbegehren wieder mal schubladieren wollen. Aber wer weiß, vielleicht finden sich einige mutige Abgeordnete, die einen Entschließungsantrag stellen, oder gar einen fertigen Gesetzesantrag für den Austritt Österreichs aus der EU vorlegen. 5 wären mindestens nötig!
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