„Christentum, Spiritualität und Wissenschaft für eine friedensfähige
Geld- und Wirtschaftsordnung“ von 11. bis 13. Mai 2018 im
Bildungszentrum St. Benedikt, A-3353 Seitenstetten
Seitenstetten, am
13. Mai 2018
Erklärung
zu einer friedensfähigen Geld- und Gesellschaftsordnung
Präambel
Hundert Jahre nach dem
Ende des Ersten Weltkrieges sehen manche von uns, dass sich Europa wiederum bewaffneten Konflikten nähert. Österreich hat eine besondere Verantwortung, als neutrales Land jede Form von Kriegsvorbereitungen im Vorfeld entschieden zu
stoppen und sich für einen Frieden durch
Verständigung in einem Dialog mit den Nachbarn und Zivilisationen
einzusetzen.
Um Österreich als
bevorzugten Standort mit seiner hochentwickelten Kultur, den sozialstaatlichen Errungenschaften und in seinen Funktionen des
zwischenstaatlichen Ausgleichs zwischen den Völkern zu sichern, ist es
notwendig, wesentliche Eckpunkte für den Erhalt einer entwicklungsfähigen und
friedfertigen Gesellschaft zu beachten (siehe Anlage
2). Weltweiten Konflikten sollten wir nicht nur mit Symptombekämpfung begegnen,
sondern die Ursachen von Krieg und
Flucht, d. h. „Geld regiert die Welt“ hinterfragen und diese Situation in einem
breiten Miteinander überwinden.
Erklärung
Die im Rahmen des Symposiums für eine friedensfähige
Geld- und Wirtschaftsordnung versammelten
Experten und Vertreter der Zivilgesellschaft haben im Anschluss an die
Erklärung des Vorjahres zu den Nachhaltigkeitszielen der Vereinten Nationen
(SDGs) folgende Schlussfolgerungen gezogen:
Bei den SDGs fehlen Zielsetzungen für eine nachhaltige
Handels- und Finanzordnung. Wir verweisen
daher auf die obengenannte Stellungnahme (siehe Anlage 1).
In der Zwischenzeit hat sich die geopolitische Lage
dramatisch verschärft, wobei es sich überwiegend
um Finanz- und Ressourcenkriege handelt.
Um den dahinterliegenden Absichten gegenzusteuern, halten
wir die Beachtung und Einführung
nachfolgender Grundsätze und Maßnahmen für unverzichtbar.
A)
Grundsätze:
Gerechtigkeit, Friede und Bewahrung der Schöpfung – insbesondere der Lebensgrundlagen für die kommenden Generationen
Das Geldwesen ist als eine ausschließlich
hoheitliche Aufgabe anzusehen.
Die im Symposium I formulierten Grundsätze mögen als
zusätzliche Orientierung dienen (Anlage 2).
B)
Maßnahmen: a. Auf nationaler Ebene:
I.
Die gesamte
Geldschöpfung ist in die Hände des Gemeinwesens zu überführen (z. B. staatliches Vollgeld,
Regionalwährungen, Bürgergeld).
II.
In die derzeit
verlangten, künftig zu vereinfachenden Business-Pläne von Kreditwerbern sind nachhaltigkeits- und
gemeinwohl-orientierte Vergabekriterien zu integrieren.
III.
Die
Geschäftsbanken sind von den Investmentbanken zu trennen, um zu verhindern,
dass mit Bankeinlagen zu Lasten der Bürger Spekulationsgeschäfte
getätigt werden.
IV.
Zur Stabilisierung
der Aktienmärkte und zur Verhinderung von missbräuchlichen Spekulationen ist eine Behaltefrist von mindestens 12 Monaten einzuführen.
V.
Eine
transparente Privathaftung für wirtschaftliche Entscheidungsträger beiMitverschulden
sozialer und ökologischer Schäden ist einzuführen.
b. Auf EU-Ebene (Aufgabe für die
österreichische Präsidentschaft):
Einführung einer strategischen Steuer-Reform zur Entschuldung der Staaten
und
zur Finanzierung des
Sozialwesens. Diese soll insbesondere enthalten:
I.
Einführung einer
Kapital-Umsatzsteuer auf alle Transaktionen in der Höhe von
mindestens 1 Promille.
II.
Besteuerung des
Verbrauches endlicher Ressourcen mindestens in der Höhe der Recycling-Kosten bzw. der Kosten der
Ersatz-Technologie.
III.
Diese
einnahmeseitigen Maßnahmen dienen zur Entlastung der menschlichen Arbeit von Steuern und Abgaben.
Zwingende
Technologiefolgenabschätzung für alle Bereiche.
c. Auf globaler Ebene
(UN):
Dringende Vereinbarung eines Weltwährungsabkommens (siehe
Anlage 1), um die gegenwärtigen Finanz-
und Ressourcenkriege hintanzuhalten.
Friedrich Embacher, Elektrotechniker,
Volkswirt, Lebens- und Sozialberater
Franz Hörmann, Prof. für Rechnungswesen an der Wirtschaftsuniversität
Wien
Ilse Kleinschuster, Medien-
und Kommunikationsarbeit, Initiative Zivilgesellschaft Karin Körner, Psychiaterin
und Kinderpsychiaterin, Psychotherapeutin
Michael Lipp, selbstständiger Programmierer
Josefa Maurer, Mitarbeiterin in
Friedensinitiativen
Harald Orthaber, Landschaftsökologe,
Fair und Naturangepasst Wirtschaften, Initiative Zivilgesellschaft
Tobias Plettenbacher, Landschaftsökologe,
Gründer und Vereinsobmann von Wir gemeinsam Marianne Schallhas,
Anglistin, Historikerin, Obfrau der Arge Gerecht Wirtschaften für Frieden
und Bewahrung der Schöpfung
Alfred Strigl, Direktor
vom Österr. Institut für Nachhaltige Entwicklung an der Universität für Bodenkultur, Wien
Heinrich Wohlmeyer, Hon.
Prof, Ökologe, Ökonom und Jurist
Dies ist die 2.
Version unseres Aufrufs. Der ursprüngliche Text war knapper. Im ersten Satz der Präambel stand: „Hundert Jahre nach dem Ersten Weltkrieg nähert sich
Europa wiederum einem Krieg“. Dieser Formulierung
konnten manche von uns nicht zustimmen.
Adressaten:
Der Bundespräsident, alle Mitglieder der österreichischen
Bundesregierung, Medien, EU Abgeordnete,
alle Parlamentsklubs, die Kirchen, Sozialpartner, die Rektorenkonferenz.
Anlage 1
Vorhalt
und Empfehlung
an das „Hochrangige Politische Forum 2017“
an das „Hochrangige Politische Forum 2017“
und das „Ministertreffen zur Beseitigung der Armut
und zur Förderung des Wohlstandes in einer sich wandelnden Welt“
unter der Schirmherrschaft des Wirtschafts- und Sozialrats der Vereinten Nationen
zur Umsetzung der im Jahr 2015 beschlossenen Nachhaltigkeitsziele (SDG).
und zur Förderung des Wohlstandes in einer sich wandelnden Welt“
unter der Schirmherrschaft des Wirtschafts- und Sozialrats der Vereinten Nationen
zur Umsetzung der im Jahr 2015 beschlossenen Nachhaltigkeitsziele (SDG).
Wir, eine Gruppe von
Wissenschaftlern, Experten, Praktikern und Mitgliedern der Zivilgesellschaft,
die auch praktische Erfahrungen in der internationalen und regionalen Politik haben,
haben uns für eine dreitägige Konferenz zusammengefunden, um die Umsetzung der vereinbarten "Nachhaltigen
Entwicklungsziele" (SDG) zu unterstützen und voranzutreiben. Da wir erkannt haben, dass die
derzeit dominierende Finanzordnung, die
„Weltfinanzarchitektur“,
Drehscheibe der bedrohlichen Defizite für eine nachhaltige Entwicklung ist, haben wir uns als Schlüsselfrage für unser Treffen zu
folgender Fragestellung entschlossen:
Stellt die
gegenwärtige „Weltfinanzarchitektur“ eine Behinderung für die Erreichung der SDG dar – und, wenn ja, welche Änderungen sind notwendig?
Deshalb haben wir unsere Diskussionen auf Ziel 17 konzentriert
– vor allem auf den Punkt 17.4 – und kamen
zu folgenden Schlussfolgerungen:
Die gegenwärtige Gesamtsituation ist
geprägt durch eine zunehmende, internationale Verschuldung
aller Staaten – vor allem der Entwicklungsländer – und eine Überlastung mit Schuldendienstleistungen.
Letztere begrenzen die wirtschaftliche,
soziale und ökologische Entwicklung. Vorgeschlagene
Maßnahmen, wie Einnahmen durch bessere Besteuerung und andere Abgaben, auch die Erhöhung der ODA, können nicht
wirklich wirksam sein, da man kein Wasser
aus leeren Gläsern gießen kann. Die Vorschläge in Punkt 17.4 perpetuieren die gegenwärtige, nicht-nachhaltige finanzielle
Situation, indem sie lediglich Ratschläge zur Linderung der wachsenden Belastung geben.
Um aber die
strangulierende Finanzstrategie zu lockern und den Manövrierraum für die Verwirklichung der SDG zu erweitern, sind grundlegende Veränderungen im
gegenwärtigen Weltfinanzsystem unvermeidlich.
Diese Änderungen müssen beinhalten:
a)
Ein neues Weltwährungsabkommen
(World Currency Agreement – WCA), das eine internationale Rechnungseinheit einführt (könnte als
bezeichnet werden) und Wechselkurse, die die
Kaufkraftparität widerspiegeln, sowie Sanktionen für Überschüsse und Defizite
in den Zahlungsbilanzen.
b)
Umstrukturierung des IWF zu einer
demokratischen und gemeinnützigen Hilfseinrichtung und
als Sekretariat für das WCA.
c)
Umstrukturierung der Weltbank-Gruppe zu einer wirksamen Wohlfahrtsverbesserungs-Entwicklungsbank, die
weder bedingungslosen Freihandel noch
die Privatisierung von öffentlichem Eigentum und Gemeinden noch die Aufhebung der Sozialdienste und sonstiger
Staatsausgaben für das Gemeinwohl nach dem
sogenannten Washingtoner Konsens vorsieht.
d)
In diesen Institutionen sollten
alle Staaten gleiche Stimmrechte haben, um zu vermeiden, dass große und mächtige Nationen das System beherrschen und dies
wiederum zu einer neuen Ungleichheit und indirekten
Machtpolitik führt.
e)
Vereinbarung über einen
Weltschuldenabbau, der eine Voraussetzung für eine erfolgreiche weltweite nachhaltige Entwicklung ist.
f)
Umleitung der Geld-Schöpfung von
den Banken zu den Staaten (Regierungen), um ihnen eine
selbstbestimmte Geldpolitik, den Zugang zu zinsfreiem Geld, eine angemessene strukturelle Entwicklung und eine
Kreditkontrolle mit produktiver Zweckausrichtung zu ermöglichen.
g)
Die Welthandelsordnung muss
reformiert werden, einerseits durch die Gewährung von Schutz für junge Industrie-Initiativen in Entwicklungsländern und
andererseits durch die Einführung des für
alle Transaktionen. Dies bedeutet, dass der freie Zugang zu einem bestimmten
Markt nur gewährt wird, wenn der Exporteur/Importeur
nachweisen kann, dass die Ware oder die Dienstleistung
unter sozialen und ökologischen Bedingungen (Standards) produziert wurde, die den Bedingungen im Bestimmungsland entsprechen oder annähernd
entsprechen. Ausgleichszahlungen sollten zur Schaffung eines fairen Wettbewerbs
verwendet werden. Allerdings sollten diese Abgaben nicht
in die nationalen Budgets (die Protektionismus induzieren) fließen,
sondern in einen internationalen Entwicklungsfonds,
der die Länder bei der Verbesserung ihrer Produktionsstandards und -systeme unterstützt.
Wir hoffen, dass
unsere Vorschläge gut aufgenommen werden und wünschen zufriedenstellende Fortschritte in den gemeinsamen Anstrengungen.
Ass.-Prof. Dr. Alfred
W. Strigl, Prof. Dr. Richard Werner (Southampton Business School, Großbritannien), Prof. Dr. Heinrich Wohlmeyer (Universität für Bodenkultur,
Wien), Mag. Kathrin Latsch (Moneta, Hamburg),
Dipl.-Ing Klaus Sambor (Runder Tisch Grundeinkommen, Wien), Dr. Marianne und
Dipl.-Ing. Franz Schallhas (AG Gerecht Wirtschaften, Steinakirchen, Niederösterreich), Anton Winter (Nouvelle Alliance, Frankfurt a. M.)
(Übersetzung
Ilse Kleinschuster und Heinrich
Wohlmeyer, Wien, Mai und Juni
2017)
Das Hochrangige Politische Forum für Nachhaltige Entwicklung (HLPF, gemäß
dem englischen Terminus «Highlevel
Political Forum on Sustainable Development») der Vereinten Nationen ist das
entscheidende UNO-Gremium zur
Abstimmung der globalen Nachhaltigkeitspolitik. An den Sitzungen des HLPF
nehmen alle UNO-Mitgliedsstaaten teil. Das Gremium wird auch als
UNO-Nachhaltigkeitsforum bezeichnet. Die im Jahr 2015 verabschiedeten 17 Ziele für Nachhaltigkeit (SDG) formulieren als Ziel
17, dass die Umsetzungsmittel für die zuvor
genannten 16 Ziele gestärkt und die Globale Partnerschaft für nachhaltige
Entwicklung mit neuem Leben erfüllt
werden sollen. Im Unterpunkt 17.4 heißt es, dass die Entwicklungsländer dabei
unterstützt werden sollen, bei ihrer
Verschuldung langfristig Nachhaltigkeit zu erreichen, und zwar durch
koordinierte Schritte zur Unterstützung
bei der Schuldenfinanzierung, durch Schuldenerlass und Umschuldungsmaßnahmen.
Zudem gehe es darum, Mittel und Wege zu finden, die Notlagen in den hoch
verschuldeten Entwicklungsländern zu lindern.
Anlage 2
Auszug aus der Schlusserklärung des
Finanz-Symposiums Seitenstetten I (2015)
Eckpunkte
einer zukunftsfähigen Gesellschaftsordnung
·
Jedem Menschen
ist der gleiche Anteil an den Erträgnissen zuzusprechen, die dem Boden, der Luft und dem Wasser entstammen – das heißt,
die natürlichen Ressourcen sind
gerecht zu verteilen.
·
Die
resultierenden Erträge sind prioritär für die gesellschaftliche Absicherung
eines den aktuellen Technologien
entsprechenden Lebensstandards zu verwenden.
·
Die unbegrenzte Vermehrung des
Privateigentums ist hintanzuhalten.
·
Der
zerstörerische Missbrauch von Naturressourcen ist in der Weise zu ahnden, dass diese an die Gemeinschaft übergehen.
·
Die
Bilanzierungsregeln müssen ökologische und gemeinwohlbezogene Kriterien enthalten.
·
Für Prozesse gemeinschaftlicher
Entscheidungen gilt das Subsidiaritätsprinzip.
Im
Rahmen des Symposiums erhärtete sich die Einsicht, dass die bestehenden Herausforderungen mit Unterstützung durch eine neue
Allianz zwischen der „Universitas-Academia“ und der Zivilgesellschaft bestmöglich zu bewältigen wären.
Anmerkungen
zur Erklärung zu einer
friedensfähigen Geld- und Gesellschaftsordnung
Die Verfasser und Unterzeichner der „Erklärung zu einer
friedensfähigen Geld- und Gesellschaftsordnung“ sehen ihre Verantwortung darin,
intuitiv erfahrene wie auch wissenschaftlich
gewonnene Einsichten im Sinne wertvoller Erkenntnisse der Gesellschaft zu vermitteln.
Sie
legen ihre Erklärung, die als Ergebnis einer Vielzahl laufender Untersuchungen
durch Experten und Mitglieder der
Zivilbevölkerung zustande gekommen ist, vertrauensvoll in die Hände der
Empfänger, auf dass diese ihre Verantwortung gegenüber der Bevölkerung nach bestem Wissen und Gewissen wahrnehmen mögen.
Literaturtipps
·
Ausstellungsführer von „Segen und
Fluch des Geldes“, www.arge-gerechtwirtschaften.at
·
Heinrich Wohlmeyer „Empörung in
Europa – Wege aus der Krise“, Ibera / European University Press,
2014
·
Christian Felber „Geld. Die neuen
Spielregeln“, Deuticke, 2014
·
Vorschläge zur Besteuerung von ATTAC https://www.attac.at/ziele/steuergerechtigkeit/in-3-minuten/loesungen.html
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen