2017-03-26

60 Jahre Römische Verträge

Ein Beitrag zur Geschichte der heutigen EU:

  Strippenzieher Jean Monnet (Teil 1)



Jean Monnet
erzeugt den ersten europäischen Stahlbarren am 30. April 1953 in Esch-sur-Alzette. Kredit © Europäische Gemeinschaft, 2005

Wie ein Wallstreet-Banker die europäischen Staaten um ihre Souveränität brachte.

sm/rmh/an. Die heutige EU hat eine doppelte Geschichte. Eine vordergründige, die in den meisten Geschichtsbüchern zu lesen ist, und eine hintergründige, über die niemand etwas erfahren soll – eine Geschichte, die schon lange vor der uns allen bekannten Geschichte begonnen hat. Jean Monnet war das Scharnier zwischen diesen beiden Geschichtsversionen.

Im deutschsprachigen Raum ist es Andreas Bracher und seinem Buch ´Europa im amerikanischen Weltsystem. Bruchstücke zu einer ungeschriebenen Geschichte des 20. Jahrhundertsª (2001, ISBN 3-907564-50-2) zu verdanken, dass es kritische Fragen zur offiziellen Biographie des ansonsten für sakrosankt erklärten Gründervaters Europas gibt. Fragen, welche die Geschichte des Aufbaus eines supranationalen Gebildes nach dem Zweiten Weltkrieg in einem anderen Licht erscheinen lassen: nicht mehr als ein Projekt für eine Zusammenarbeit der Völker Europas und zur Sicherung des Friedens, sondern als ein Projekt im anglo-amerikanischen Weltmachtinteresse mit Jean Monnet als ´Erfinder und Lenker von Institutionen einer übernationalen Zusammenarbeit und als ein Zentrum angelsächsischer Einflussnahme auf dem Kontinent.

Denn das supranationale Europa der Nachkriegsjahre, so Bracher weiter, beruhte auf Initiativen, die häufig von Geldern aus den USA, nicht zuletzt vom Geheimdienst CIA, mitfinanziert wurden. Monnet war dabei das Werkzeug einer langfristig angelegten Politik, zu deren Zielen eben offenbar auch der europäische Einheitsstaat gehört.

Forschungsarbeiten der letzten Jahrzehnte abseits des Mainstreams wie die von Caroll Quigley (Katastrophe und Hoffnung. Eine Geschichte der Welt in unserer Zeit, deutsch 2007, ISBN 3-907564-42-1) oder von Antony C. Sutton (´Wallstreet und der Aufstieg Hitlers, deutsch 2008, ISBN 978-3-907564-69-1) haben dargelegt, wie der anglo-amerikanische Machtblock und deren Finanzeliten in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts auf zwei Weltkriege hingearbeitet haben. Dies entsprach der mehr als 100 Jahre alten geostrategischen Überlegung anglo-amerikanischer Machteliten, auf dem eurasischen Kontinent eine politische und wirtschaftliche Zusammenarbeit – mit einem etwaigen Kern aus Deutschland und Russland – um jeden Preis zu verhindern; denn eine solche enge Zusammenarbeit wurde von entsprechenden Kreisen in Grossbritannien und den USA als Bedrohung ihrer Weltmachtposition gedeutet.
Dieser Kurs wurde nach dem Zweiten Weltkrieg ganz offensichtlich beibehalten und zieht sich durch bis hin zu den geostrategischen Überlegungen des ehemaligen Sicherheitsberaters der US-Regierung Zbigniew Brzezinski, die dieser in seinem Buch "Die einzige Weltmacht. Amerikas Strategie der Vorherrschaft" (1999, ISBN 3-596-14358-6) ganz offen formuliert hat.

Auf die Frage nach dem Zweck des anglo-amerikanischen Europa-Projektes nach dem Zweiten Weltkrieg mit Monnet als dessen Promotor gibt schon Bracher eine erste Antwort: "Das Gesamtszenario dieser Jahre legt nahe, dass hier eine Gruppe von Menschen den kalten Krieg forciert und dann als Hintergrund für andere Pläne benutzt hat. Mit der Überbetonung der sowjetischen Gefahr entstand jene politisch-psychologische Situation, in der die Europäer bereit waren, sich unter dem Schild der USA zusammenzuschliessen, um damit die Westfesselung Deutschlands abzusichern. Monnet selbst umriss die Psychologie dieser Situation in seinen Erinnerungen so: "Die Menschen fassen grosse Entscheidungen nur dann, wenn eine Gefahr vor der Tür steht."

Eingedenk dieser Rolle Jean Monnets lohnt es sich, genauer der Frage "Wer war Jean Monnet?" nachzugehen. Sehr viel Material hierfür bietet die 1000seitige Biographie Eric Roussels, "Jean Monnet 1888-1979" (1996, ISBN 978-2213031538). Über die Hintergründe der Personen, mit denen Jean Monnet eng kooperierte, gibt es weiteres wertvolles Material.

Jean Monnet und die heutige EU

Die heutige EU ist ein supranationales Gebilde. Die Mitgliedstaaten haben einen grossen Teil ihrer Souvernitätsrechte aufgegeben. Es war Jean Monnet, der die Errichtung der supranationalen Institutionen in entscheidender Weise vorangetrieben hat. Sie wurden von oben herab implantiert mit dem Ziel, dass die einzelnen Staaten und ihre Bürger sich diesen Vorgaben anpassen und unterwerfen.1 Für Monnet waren von oben eingesetzte Institutionen wichtiger als solche, die von den Bürgern selbst entwickelt werden.

Der Lissabon-Vertrag, der im November 2009 in Kraft trat, bedeutet einen weiteren Verzicht der einzelnen europäischen Staaten auf ihre Souveränität und auf ihre Rechtsstaatlichkeit zugunsten einer volksfernen Herrschaft der EU-Institutionen. Souveränität und Rechtsstaatlichkeit und damit die Selbstbestimmung der verfassten Nation, wie sie seit der Französischen Revolution definiert ist, wurden Schritt für Schritt abgebaut, ein Vorgehen, das sich durch die gesamte Geschichte der EU zieht.
Monnet äusserte sein Leben lang, dass die Existenz von Nationalstaaten überflüssig, ja sogar gefährlich sei für die Erhaltung des Friedens. Folglich müssten diese abgeschafft werden. An ihre Stelle sollten die supranationalen "Vereinigten Staaten von Europa" treten, und an diese sollten die Nationalstaaten wesentliche Souveränitätsrechte abtreten.

Monnet ging aber noch weiter. In Theorie und Praxis waren ihm gewählte Volksvertreter – die ja den Souverän, das Volk vertreten – im Wege. Wann immer es ging, operierte er an ihnen vorbei und gründete zusätzlich zu schon bestehenden gewählten Vertretungen private "Komitees", die er mit Leuten seines Vertrauens aus allen Bereichen des öffentlichen Lebens besetzte.

Diese Komitees dienten dazu, Europa in Monnets Sinne zu organisieren und auch potentielle Gegenstimmen einzubinden. Eine besondere Rolle spielte dabei das Aktionskomitee für die Vereinigten Staaten von Europa.2
Zum anderen gab es Kommissionen, welche die Aufgabe hatten, die einzelnen Staaten von innen her umzubauen. So kam es in Frankreich 1945/46 zum Umbau ganzer Regionen nach amerikanischem Modell, z. B. durch das Riesenprojekt "Bas-Rhone-Languedoc".3 Wir erkennen hier die heute von der EU vorangetriebene "Regionalisierung" Europas, die sich ebenfalls gegen den Nationalstaat richtet und nach rein ökonomischen Kriterien durchgeführt wird, ohne Rücksicht auf gewachsene Strukturen. Die Untersuchungen von Pierre Hillard4 zeigen, dass ganz Europa heute schon von Organisationen, Assoziationen und Vereinen überzogen und durchzogen ist, die den Nationalstaat von innen her sprengen sollen.
Um diese Entwicklung zu ermöglichen, beschaffte Monnet immer wieder Gelder aus dem anglo-amerikanischen Raum. Dabei halfen ihm die Beziehungen zu seinen engsten Freunden aus Kreisen der Hochfinanz und der Politik – Beziehungen, die weit in die Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg zurückreichten.

Monnet, die Finanzeliten und die Weltmachtpolitik in der Weltkriegszeit

Schon lange bevor das "Vereinte Europa" offiziell im Gespräch war, betötigte sich Jean Monnet auf der internationalen Bühne des Geschäfts. Geboren 1888 als Sohn eines Kognakhändlers, verliess er die Schule mit 16 Jahren und ging nach London zu einem Geschäftspartner seines Vaters, um dort in die Arbeit der City5 eingeweiht zu werden. Nach zwei Jahren wurde er nach Kanada geschickt, wo er erste, ein Leben lang dauernde Kontakte knüpfte. Er schloss wichtige Verträge für die väterliche Kognakfirma ab, insbesondere mit der Hudson’s Bay Company, die das Privileg hatte, den Trappern Schnaps für die Indianer verkaufen zu dürfen. Unter den Managern der Hudson’s Bay Company lernte er Menschen kennen, die später das "Schicksal der Welt" mitbestimmen sollten.6

Bis zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs hielt sich Monnet in den USA auf und knüpfte wiederum ein Leben lang anhaltende Geschäftsbeziehungen. Reisen führten ihn nach England, Skandinavien, Russland und Ägypten. Als im Juli 1914 der Erste Weltkrieg begann, kam er nach Frankreich zurück.

Der 26jährige Jean Monnet wurde aber nicht zum Kriegsdienst eingezogen. Er hatte statt dessen eine vom Rechtsanwalt seines Vaters vermittelte Unterredung mit dem französischen Staatspräsidenten Rene Viviani.7 Diesem präsentierte er das Angebot der Hudson’s Bay Company, Frankreich einen Kredit über 100 Millionen Gold-Francs zugunsten der Banque de France zu bewilligen, damit es in den USA kriegswichtige Güter kaufen konnte. Das Geschäft kam zustande. Die Hudson’s Bay Company stellte der französischen Regierung zusätzlich zum Kredit auch ihre Handelsflotte zur Verfügung.
Nachdem das franko-amerikanische Geschäft getätigt war, begab sich Monnet nach London, um dort ein ähnliches franko-britisch-amerikanisches Geschäft in die Wege zu leiten. Bei diesen Verhandlungen lernte er einflussreiche Politiker und Geschäftsleute kennen.8

Monnet blieb jedoch nicht bei den rein geschäftlichen Angelegenheiten. Er verknüpfte Geschäft und Politik, indem er sich für die Gründung des Alliierten Komitees für Überseetransporte einsetzte. Nach der Gründung des Komitees im Jahr 1918 wurden 2 Millionen amerikanische Soldaten nach Europa verschifft.
Auf französischer Seite arbeitete Monnet als Berater eng mit dem "Superminister" Etienne ClÈmentel zusammen. Dieser hatte die Idee von einer permanenten, ¸ber den Kriegszeitraum hinweg andauernden interalliierten Kontrolle der Rohstoffe, eine Idee, die später in Form der Montanunion von Monnet verwirklicht wurde.

Getreu seiner Devise, dass der Mensch nur unter dem Druck der Verhältnisse – hier dem Druck der Kriegswirtschaft – zu Veränderungen bereit ist, hatte Monnet einen entscheidenden Schritt zur Verwirklichung seines "Lebensprojektes" getan: die Grenzen der Nationalstaaten wurden ¸berschritten, ein Abbau der Souveränitätsrechte hatte begonnen. Banken und Handelsgesellschaften konnten nun ohne nationale Schranken ihren Geschäften nachgehen – und dies mit Unterstützung der Politiker.

Auf Grund seiner engen Beziehungen zu englischen Politikern und Geschäftsleuten, zur amerikanischen Geschäfts- und Bankenwelt und zu einflussreichen französischen Politikern und Bankiers wurde Monnet zum stellvertretenden Generalsekretär des neu gegründeten Völkerbundes ernannt. Sein Beziehungsnetz umfasste alle, die für die Gestaltung der Nachkriegswelt verantwortlich waren.

Monnet nutzte den Völkerbund als Institution zur Vernetzung mit Entscheidungsträgern auf internationaler Ebene. Er arbeitete dort mit den hochrangigsten internationalen Funktionären zusammen und erweiterte sein Beziehungsnetz um weitere politische Bekanntschaften. Die Erweiterung dieses Netzes scheint Monnets Hauptaktivität dargestellt zu haben, denn er nahm nur an der Hälfte der Sitzungen des Völkerbundes teil und bearbeitete auch weit weniger Dossiers als die übrigen Mitarbeiter.9

Im Völkerbund ging es ihm nun darum, die im Krieg aufgebauten Strukturen zwischen den Nationen beizubehalten, da sie eine wichtige Voraussetzung für den internationalen Freihandel waren. Die andere wichtige Errungenschaft aus den Kriegserfahrungen, die Kooperation zwischen Politik und Geschäftswelt, war noch ausbaufähig, insbesondere im Bereich des Transport- und Kreditwesens.10

1922 verliess Monnet den Völkerbund und wendete sich verstärkt der Finanzwelt zu. Er wurde Vizepräsident der mächtigen amerikanischen Investment Bank Blair & Co, widmete sich Finanzoperationen von betr‰chtlichen Ausmassen und dehnte sein Beziehungsnetz in Amerika auf einflussreiche Persˆnlichkeiten aus.11 Ausserdem gr¸ndete er in den USA die Bank Monnet, Murnane & Co.12 Damit stand er im Zentrum der internationalen Hochfinanz und war an der Konstituierung von m‰chtigen anglo-amerikanischen Finanzsyndikaten beteiligt. In seiner Funktion als Vizepr‰sident der Bank Blair & Monnet Inc. mit Sitz in Paris spielte Monnet eine entscheidende Rolle bei der Stabilisierung der französischen Währung im Jahre 1926. Er genoss das Vertrauen des Präsidenten des Federal Reserve Board13 und übernahm infolgedessen offiziell die Rolle des Vermittlers zwischen Frankreich und den USA bei der Frage der Rückzahlung der französischen Kriegsschulden und der bilateralen Finanzbeziehungen. Er legte die amerikanische Position dar, die vorsah, dass die Banque de France mit anderen Notenbanken, insbesondere mit der Federal Reserve Verträge eingeht, und band so das früher so sehr auf Eigenständigkeit bedachte Frankreich enger an die USA. Weiterhin war er beteiligt an der Gründung der Bancamerica Blair und der Bank für internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) in Basel.

1936, nach der gegen den Versailler Vertrag verstossenden Besetzung des Rheinlands durch die deutsche Wehrmacht, lernte er in den USA den ehemaligen deutschen Reichskanzler Brüning kennen, der ihm glaubhaft versicherte, dass Hitler die Armee für einen neuen Krieg hinter sich haben würde, wenn die westlichen Demokratien jetzt nicht eingriffen. Aber Monnet unternahm nichts gegen den Ausbruch dieses Krieges. Im Gegenteil: Er hatte William Bullitt, den amerikanischen Botschafter in Paris, kennengelernt, der ein enger Vertrauter Roosevelts war. Und er gewann die amerikanische Regierung dafür, Kriegsflugzeuge für Frankreich zu bauen. Nachdem das Hindernis des amerikanischen Neutralitätsgesetzes überwunden war, führte auch dieses Geschäft zur Ankurbelung der amerikanischen Wirtschaft.   

1    In einem Brief an Dean Acheson (seit 1933 Staatssekret‰r im Finanzministerium von Roosevelt, Vize-Aussenminister von 1945–1949, US-Aussenminister von 1949–1953) ‰usserte Monnet am 23.11.1962: ´Dans la mesure o˘ les intÈrÍts sont de plus en plus unifieÈs, les vues politiques doivent Ítre de plus en plus communes […] Je pense que si nous voulons unir les hommes, nous devons unir les intÈrÍts d‘abord et pour cela il est nÈcessaire que les hommes acceptent d’agir selon les mÍmes rËgles, d’Ítre administrÈs par les mÍmes institutions. Je sais que cela peut sembler un long processus, mais un changement dans l‘attitude des hommes est nÈcessairement un processus lent.ª
´Im selben Masse, wie die Interessen mehr und mehr vereinheitlicht werden, m¸ssen die politischen Ansichten mehr und mehr gemeinschaftlich sein. Ich denke, wenn wir die Menschen vereinigen wollen, m¸ssen wir zun‰chst die Interessen verbinden, und aus dem Grunde ist es notwendig, dass die Menschen sich damit einverstanden erkl‰ren, nach denselben Regeln zu handeln, von denselben Institutionen verwaltet zu werden. Ich weiss, dass das ein langer Prozess zu sein scheint, aber eine Ver‰nderung in der Haltung der Menschen ist notwendigerweise ein langsamer Prozess.ª
Dean Acheson Papers, Box 28, Folder 288. Yale University Library, New Haven /Connecticut, zitiert nach E. Roussel, a.a.O. S. 766. ‹bersetzung des Verfassers.
2    Das Komitee wurde 1955 von Monnet selbst gegr¸ndet und existierte unter seiner Pr‰sidentschaft bis zum Jahre 1975.
3    Bas-RhÙne-Languedoc wurde nach amerikanischem Modell komplett umstrukturiert. ´il a fallu passer par-dessus toutes les administrations, crÈer une Haute AutoritȪ und ´...il y a eu des frictions avec les services officiels.ª ´Wir mussten ¸ber alle Administrationen hinweg eine Hohe Behˆrde gr¸nden. Es gab Friktionen mit den ˆffentlichen Stellen.ª Eric Roussel, a.a.O. S. 494f. ‹bersetzung des Verfassers.
4    Siehe dazu: Hillard, Pierre: La Marche irrÈsistible du nouvel ordre mondial, Paris: F.-X.de Guibert 2007.
5    Londoner Finanzplatz
6    Die Hudson’s Bay Company war das ‰lteste kanadische Handelsunternehmen. Es beherrschte den Pelzhandel in grossen Teilen Nordamerikas und wirkte in vielen Gebieten als britische De-facto-Regierung. Sein Netzwerk von Handelsposten stellte den Kern der sp‰teren offiziellen Behˆrden im westlichen Kanada und den USA dar. Gouverneur der Company war von 1916 bis 1925 Sir Robert Kindersley, den Monnet bereits bei seinem ersten Aufenthalt kennenlernte. Dieser Kindersley war von 1914 bis 1946 ebenfalls Direktor der Bank von England und schon seit 1905 Partner der Handelsbank Lazard Brothers & Co, deren Vorstandsvorsitzender er im Jahr 1919 wurde.
7    ´MaÓtre Benon, l’avocat de l’entreprise connaÓt bien RenÈ Viviani […] les relations maconniques unissant les deux hommes ont jouÈ un rÙle dans l‘affaire.ª
´MaÓtre Benon, der Rechtsanwalt des Unternehmens, ist gut bekannt mit RenÈ Viviani […] denn durch ihre Beziehungen zu den Freimaurern, […] die in der Sache eine Rolle gespielt haben, waren die beiden M‰nner miteinander verbunden.ª
Roussel, a.a.O. S. 48. ‹bersetzung des Verfassers.
8    Zum Beispiel Colonel House, eigentlich Edward Mandell House (1858–1938), wichtigster aussen-politischer Berater der Pr‰sidenten Woodrow Wilson und Roosevelt.
9    Von 70 Sitzungen nahm er an 30 teil. Siehe: Fleury, Antoine: Jean Monnet au secrÈtariat de la SDN, S.40, in: Bossuat, GÈrard – Wilkens, Andreas: Jean Monnet, l‘Europe et les chemins de la Paix. Colloque ‡ Paris 29.- 31. 5 1997. Publications de la Sorbonne 1999.
10    Jilek, Lubor : RÙle de Jean Monnet dans les rËglements d’Autriche et de Haute-SilÈsie, S. 47, in : Bossuat, GÈrard – Wilkens, Andreas, a.a.O.
11    John Mc Cloy, Wall Street Rechtsanwalt, Berater aller amerikanischen Pr‰sidenten von Roosevelt bis Kennedy, Pr‰sident der Nationalbank, Hochkommissar in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg. Verantwortlich daf¸r, dass die Zufahrtswege nach Auschwitz nicht bombardiert wurden, dass viele in N¸rnberg verurteilte Kriegsverbrecher vorzeitig aus der Haft entlassen wurden, dass Flick und Krupp ihr Vermˆgen zur¸ckbekamen. John Foster Dulles, Rechtsanwalt, Aussenminister unter Pr‰sident Eisenhower, Hauptvertreter der Eind‰mmungspolitik gegen¸ber dem Kommunismus (kalter Krieg). Walter Lippmann, weltber¸hmter Journalist deutsch-j¸discher Herkunft, enger Mitarbeiter Pr‰sident Wilsons und seiner grauen Eminenz Colonel House  bei der Abfassung des 14-Punkte-Friedensvertrags als Vorlage des Versailler Vertrags.
12    Monnet, Murnane & Co ist assoziiert mit der Chase Manhattan Bank, New York.
13    Federal Reserve Board, auch Board of Govenors genannt, ist der Vorstand des Federal -Reserve -Systems. Seine sieben Mitglieder werden f¸r 14 Jahre vom US-Pr‰sidenten bestimmt und vom Senat ernannt. Ihre Aufgabe ist die Ausgabe der Noten und die ‹berwachung der gesamten Bankpolitik

Teil 2: Zeit-Fragen 25/20. Juni 2011

Jean Monnet als Sondergesandter des amerikanischen Präsidenten Roosevelt

Im ersten Teil unserer Darstellung zu Jean Monnet (Zeit-Fragen Nr. 38 vom 27.9.2010 unter dem Titel «Moloch EU und Strippenzieher Jean Monnet»)1 haben wir gezeigt, wie Monnet, einer der sogenannten «Gründerväter Europas», sich als internationaler Kognakhändler und Bankier in den Jahren vor, während und nach dem Ersten Weltkrieg im angloamerikanischen Finanz- und Politikmilieu vernetzte. Im folgenden Teil werden wir Monnets diverse Aktivitäten bis 1945 beschreiben. Durch diese Aktivitäten zieht sich wie ein roter Faden das Bemühen, die Souveränität der europäischen Nationalstaaten anzutasten und aufzubrechen, mit dem Ziel der Herstellung eines grossräumigen Marktes, sprich Absatzmarktes im Interesse der US-amerikanischen Wirtschaft. In diesem Zusammenhang muss man auch seine Aktivitäten im Kontext der französischen Politik sehen. Im folgenden wird viel von Frankreich die Rede sein, dem ganz eindeutig – und das wird im dritten Teil unserer Untersuchung u. a. Thema sein – eine ganz bestimmte Rolle bei der Gründung der «Vereinigten Staaten Europas von Amerikas Gnaden» zugedacht war.
sh/rmh/an. Eine wohl sehr treffende Beschreibung Monnets und der Art, wie er sich bewegte, gibt die Journalistin und erste Alterspräsidentin des Europäischen Parlaments Louise Weiss (1893–1983), die Monnet recht gut kannte, in ihren Mémoires d’une Européenne: «Geniales Leuchten in den dunkelbraunen Augen des kleinen Jean Monnet, wenn er geheimnisvoll, lebendig und charmant seine Einfluss­netze knüpfte, die dem Völkerbund von Anfang an eine beträchtliche Macht sicherten. Seine Verhandlungen während des Kriegs hatten ihm alle Türen geöffnet und auch die Tresore der Finanzbastionen der City, der Wall Street, ja sogar der chinesischen Häfen. Die Eigentümer der Zeitungen kannten ihn, aber er schlich und glitt wie eine Natter zwischen den Federn ihrer Redakteure einher. Öffentlichen Verhandlungen, die ihn gefangengenommen hätten, zog er die freien Suggestionen seiner speziellen Vorstellungen vor. Er hatte so seine Art. Er war ein Eingeweihter. Diese Art faszinierte bald die ganze Welt.»2

Internationale Hochfinanz

Sehr früh also war Monnet ein einflussreicher Mann geworden, der eine erstaunlich breite Klaviatur besass, insbesondere für die damalige Zeit. Er ging bei den wichtigsten politischen Führern der Londoner und New Yorker Finanzelite und den hohen Beamten des amerikanischen Aussenministeriums ein und aus. 1923 hatte er den Völkerbund verlassen. Seit er 1926 Vizepräsident der neu eröffneten Europa-Abteilung der sehr mächtigen amerikanischen Investment Bank Blair & Co. geworden war, nahm er auch an Finanzoperationen von sehr hohem Niveau teil. Er organisierte die Vergabe von amerikanischen Krediten zur Stabilisierung des Franc im Jahr 1926, der des Zloty, der polnischen Währung, und im Jahr 1928 der des Leu, der rumänischen Währung. Kurz darauf übte er seine Tätigkeit als Finanzberater in China an der Seite von Chiang Kai-chek aus, organisierte Anleihen für die chinesische Regierung und gründete auf Vermittlung von John Forster Dulles, dem späteren US-Aussenminister, die Bank Monnet, Murnane & Co., um den Geldfluss nach China zu sichern. Diese Bank wird später auch einträgliche Geschäfte mit Hitler-Deutschland abschliessen.
Monnet fungierte als ausserordentlich geschickter und erfolgreicher Verbindungsmann zwischen den Interessen der US-amerikanischen Finanz-, Geschäfts- und Politikwelt einerseits und den entsprechenden Kreisen der restlichen Welt, insbesondere Europas.

Geschäfte und Souveränitäten

So war es nicht überraschend, dass der damalige französische Premierminister Daladier (1884–1970) ihn 1938, als England noch seine Appeasement-Politik betrieb3, beauftragte, in grösster Diskretion für die französische Armee Flugzeuge in Amerika zu besorgen, um die desolate Situation der französischen Luftwaffe zu verbessern. Bei der Ausführung dieses Auftrages lernte er durch Vermittlung von US-Botschafter W. Bullitt4 den amerikanischen Präsidenten (1933–1945) Roosevelt kennen. Die Schwierigkeiten bei diesem Projekt bestanden darin, dass Frankreich einerseits Probleme bei der Bezahlung hatte, der amerikanische Finanzminister (1934–1945) Henry Morgenthau aber die Finanzierung gesichert sehen wollte. Ausserdem mussten Wege gefunden werden, das Neutralitätsgesetz5 zu umgehen oder ausser Kraft zu setzen. Nachdem dieses im November 1939 gelockert worden war, kamen der britische Regierungsberater in Industrieangelegenheiten und Kabinettchef Chamberlains, Horace Wilson, der schon eine Schlüsselrolle in Chamberlains Appeasement-Politik gespielt hatte, und Monnet überein, die französischen und britischen Waffenkäufe zu vereinen.
Monnet, der sich schon während des Ersten Weltkriegs in London mit Waffenkäufen beschäftigt hatte, fand nun die gleichen Bedingungen vor, wie er sie schon damals gekannt hatte und übernahm auch die gleichen Funktionen.
Er hatte sehr schnell verstanden, dass die Amerikaner seit dem Ersten Weltkrieg eine grössere Rolle in der Welt spielten und sich darauf eingestellt.

Fusionierung der Souveränitäten

Die Idee einer engen britisch-französischen Union kam aus dem Chatham House6, das von 1925 bis 1956 von dem Geschichtsphilosophen Arnold Toynbee7 geleitet wurde. Seit 1938 hatte man in Verbindung mit dem «Zentrum für aussenpolitische Studien8 in Paris die Idee einer Annäherung der beiden Staaten in vielen kleinen Zirkeln unter Ausschluss der Öffentlichkeit diskutiert. Aber als Toynbee 1940 nach Paris fuhr, bekam das Projekt Publizität und Aktualität. Es wurde sozusagen lanciert: Bei seiner Rückkehr liess Toynbee in London ein Memorandum verfassen, den Acte d‘association perpétuelle, Gründungsakt einer dauerhaften Vereinigung Frankreichs und Englands. Dieser Plan diente auf der einen Seite dazu, Frankreich durch militärische, wirtschaftliche und politische Kooperation mit England gegen einen Angriff Hitler-Deutschlands zu stützen. Auf der anderen Seite war damit die Absicht verbunden, eine Fusion der Souveränitäten beider Länder herbeizuführen. Monnet schlug in Zusammenarbeit mit seinem Freund Vansittart9 dieses Projekt einer totalen Fusion der Souveränitäten vor. Die Idee war nicht ganz neu. Monnets Freund Bullitt hatte schon 1936 von «these dingy little states» in Europa gesprochen, die es eigentlich nicht wert seien als Staaten bezeichnet zu werden.10
Das Projekt war jetzt also lanciert. In England redeten insbesondere die Minister davon. In Frankreich führten es eher Intellektuelle und Pressekreise in die Diskussion ein. Bei seiner Realisierung spielte Jean Monnet eine Schlüsselrolle. 1939 begab er sich nach London und sandte parallel an den englischen Premierminister Churchill (1940 bis 1945 und 1951 bis 1955) und an den französischen Ministerpräsidenten Reynaud (Mai 1940 bis Juni 1940) eine Note, in der er seiner Befürchtung Ausdruck verlieh, dass Hitler England und Frankreich auseinanderdividieren könnte. Deswegen müssten die Verbindungen unauflöslich gemacht werden: Die Kräfte der beiden Staaten müssten wie eine einzige Kraft eingesetzt werden. Um seiner Argumentation noch weiteres Gewicht zu geben, fügte er – ein für ihn typisches Vorgehen – hinzu: Die fast unbegrenzte Produktionskraft der Amerikaner würde sich ihnen nur dann zur Verfügung stellen, wenn sie selbst eindeutig die Bereitschaft bekundeten, gemeinsam zu kämpfen. Ansonsten könne man die Hilfe der Amerikaner vergessen. Damit wurde Monnet im September 1939 ein «alliierter Funktionär» der britischen und französischen Regierung, der über den nationalen Interessen stand.11

Auf der falschen Seite?

Als Frankreich dann in der «drôle de guerre», dem «seltsamen Krieg», vom 10.5. bis 22.6.1940 Hitler-Deutschland unterlag, stellte sich für die französischen Eliten die Frage der Kapitulation und des Waffenstillstands oder des Weiterkämpfens von den französischen Kolonien aus. Durch eine gezielte Propaganda wurden die Namen von General Weygand und Marschall Pétain, beide Sympathisanten Hitler-Deutschlands und fanatische Antikommunisten, als Retter Frankreichs verbreitet. Der aus dem Ersten Weltkrieg in gewissen Kreisen mit grossem Ansehen verbundene Name des Marschall Pétain, dem sogenannten «Sieger von Verdun», verleitete viele Politiker dazu, ihm in den Waffenstillstand zu folgen. Pétain unterschrieb diesen als letzter Ministerpräsident der Dritten Republik, um danach Staatschef des neu geschaffenen Etat Français zu werden, der mit Hilfe eines Ermächtigungsgesetzes («les pleins pouvoirs») die Republik abschaffte und ein mit Hitler kollaborierendes autoritäres Regime, das nach dem Regierungssitz benannte Vichy-Régime installierte. Charles de Gaulle, der in jungen Jahren als Berufssoldat auch ein Bewunderer Pétains gewesen war, vollzog diesen Schritt nicht mit. Er verurteilte den Waffenstillstand mit Nazi-Deutschland und begab sich mit einigen Mitstreitern nach London. Von dort aus forderte er mit der Erlaubnis Churchills am 18. Juni in seinem berühmten Appel du 18 Juin über die BBC das französische Volk auf, den Waffenstillstand nicht zu akzeptieren und den Kampf an der Seite Englands und Amerikas weiterzuführen. Nur einige wenige waren bei ihm, mit denen er dann eine Widerstandsorganisation, das Comité National Français (CFN) aufbaute.
Hier in London begegneten sich Jean Monnet und de Gaulle.
Wie ist es nun zu erklären, dass Monnet, der offiziell ein erklärter Gegner Vichy-Frankreichs war, de Gaulle keineswegs unterstützte, als dieser 1940 in London begann, den Widerstand gegen die deutsche Besatzung Frankreichs zu organisieren?
Monnet fuhr in die USA, um dort im Auftrag Churchills Waffen für England zu kaufen. Er blieb dort und wurde in den harten Kern des Beziehungsnetzes im engsten Kreis um Präsident Roosevelt integriert. (Dean Acheson, Staatssekretär im Aussenministerium; Felix Frankfurter, Richter am obersten amerikanischen Gerichtshof; Francis Biddle, Justizminister; Phil Graham, Medienzar)12 Während dieser Zeit verkehrte er auch in Exilkreisen, die gegen de Gaulle bei der amerikanischen Regierung intrigierten. Monnets diverse Argumente, de Gaulle sei ein Diktator, faschistisch, psychotisch, sei Hitler ähnlich, habe keine Legitimation, die Franzosen zu vertreten usw. wurden beliebig benutzt, um ihn zu desavouieren und als Kopf einer Nachkriegsregierung unmöglich zu machen.13 
De Gaulles Position passte ihnen nicht, weil er mit all ihm zur Verfügung stehender Kraft die Souveränität Frankreichs wiederherstellen wollte. Über die Landung der US-amerikanischen Flotte in Algerien14 wurde de Gaulle in London weder informiert, geschweige denn darin einbezogen.
Die amerikanische Regierung glaubte, in General Giraud15 einen passenden Mann gefunden zu haben, den sie für ihre Zwecke benutzen konnte. Er wurde im Dezember 1942 zum Hochkommissar für Französisch Nord- und Westafrika gemacht. Es musste ihm nur noch schnell ein demokratisches Mäntelchen umgehängt werden, damit er für die Weltöffentlichkeit präsentabel wurde. Diese Aufgabe übernahm Monnet in seiner Funktion als Sondergesandter des amerikanischen Präsidenten Roosevelt. Einen französischen Auftrag hatte er nicht.16 Die Tatsache, dass Giraud in Algerien die rassistischen bzw. faschistischen, an Hitler-Deutschland angelehnten Vichy-Gesetze gegen Juden und Résistance-Kämpfer anwandte, wurde in diesem Zusammenhang von den Machthabern als quantité négligeable angesehen. Eine Tatsache, die um so schwerer wiegt, als ohne die aktive Unterstützung von etwa 400 Widerstands-Kämpfern die Landung der alliierten Streitkräfte im November 1942 wesentlich schwieriger gewesen wäre, da die Vichy-Verwaltung erheblichen Widerstand leistete.
Diese Tatsachen zeigen deutlich, dass de Gaulle nicht der «Mann Amerikas» war und die Vorwürfe ihm gegenüber als Propagandalügen angesehen werden müssen.

 Aktiv im Dienste Roosevelts

In Algier befolgte Monnet als direkter Sondergesandter Roosevelts dessen Aufträge. Dabei halfen ihm grosse Summen amerikanischer Gelder, ermöglicht durch den Lend-Lease-Act.17 Insgesamt erhielt Frankreich auf diesem Wege während des Krieges 4 Milliarden Dollar. Monnet organisierte damit u.a. die Versorgung der «Forces françaises libres». Dabei arbeitete er eng mit dem jungen Finanzberater Christian Valensi zusammen, der wie Monnet über ein bedeutendes Beziehungsnetz auf beiden Seiten des Atlantiks verfügte und auch nach Kriegsende massgeblich beteiligt war an der Beschaffung amerikanischer Kredite zusätzlich zu Geldern aus dem Marshall-Plan.18 Gleichzeitig boykottierte Monnet das nationale Befreiungskomitee in London unter Führung de Gaulles, der von der Gesamtheit der französischen Résistance anerkannt und mit deren Leitung beauftragt worden war. Als jedoch immer deutlicher wurde, dass es an de Gaulle kein Vorbeikommen gab, bezog man ihn mit ein, in der Hoffnung, ihn in einem grossen Komitee «ertränken» zu können, d. h. kaltzustellen.19
Hier in Algier wurden die konkreten Pläne für den Wiederaufbau Frankreichs und Europas nach dem Krieg entworfen und die zukünftigen «Regierungsmannschaften» aufgestellt. Monnet wirkte dabei entscheidend mit. Er selbst war im provisorischen Kabinett oder «grossen Komitee» als Minister für Waffenbeschaffung, Versorgung und Wiederaufbau vorgesehen. Er brachte seine in den USA entwickelten Vorstellungen vom wirtschaftlichen Aufbau Frankreichs und Europas ein und traf bei all den Männern, mit denen er seit den Zeiten im Völkerbund Kontakte geknüpft hatte, auf offene Ohren. Gleichzeitig versuchten Eisenhower und Roosevelt über General Giraud direkt Einfluss auf die Politik des Komitees zu nehmen, indem sie die Einstellung der amerikanischen Waffenlieferungen in Aussicht stellten für den Fall, dass Giraud seine Stellung in dem Komitee, die durchaus umstritten war bei den Franzosen, nicht behalten würde.
Monnet hatte in seinen «amerikanischen Jahren» auf Grund seiner engen Beziehungen zur dortigen Machtelite deren Vorstellungen vom Nachkriegseuropa aufgenommen. So war er eng mit dem späteren Aussenminister John Foster Dulles befreundet, der 1941 in einem Artikel vorschlug, Europa nach dem Krieg zentralistisch zu reorganisieren, und behauptete, es sei verrückt, den einzelnen europäischen Staaten wieder die volle Souveränität zuzugestehen.20 Das amerikanische Magazin «Fortune» und der Journalist John Davenport, zu denen Monnet sehr enge Beziehungen unterhielt, war das Sprachrohr der Hochfinanz und der amerikanischen Kartelle. 1943 wurde dort die Gründung einer europäischen Transportgemeinschaft vorgeschlagen, die über den Staaten stehen sollte, sowie eine europäische Währungsunion, die von einer europäischen Bank dirigiert werden sollte. Europa sollte sich eng an Amerika und England anlehnen. Monnet nahm die amerikanische Botschaft auf: Schnell handeln, um Westeuropa zu einen und einen grossen Markt schaffen mit oder ohne gemeinsame Behörde, schliesslich Frankreich dazu anstiften, eine europäische Föderation zu schaffen, um Deutschland einzubinden. 1943 entwirft er eine Denkschrift für das CFLN21, in der er die Gründung einer Wirtschaftsgemeinschaft vorschlägt, die von einer französischen Initiative ausgehen soll, «um eine demokratische Ordnung in Europa zu schaffen. Eu­ropa kann zu einem Staat werden, der Frieden und Glück bringt», indem er sich über die nationalen Souveränitäten erhebt.22 Die Rolle Frankreichs ist damit festgelegt: Speerspitze der europäischen Einigung mit Monnet als treibender Kraft ohne jede parlamentarische Legitimation.
Diese in den USA entwickelten Vorstellungen und Pläne für das Nachkriegs­-­Eu­ropa geben eine erste Antwort auf die Frage, warum die USA de Gaulle ausbooten wollten. Seine Psychiatrisierung und Abstemplung als Faschist waren Mittel zu dem Zweck, den Kopf der Bewegung, die für die Souveränität Frankreichs eintrat, auszuschalten. Wenn man de Gaulle selbst liest und die Untersuchungen zu den Hintergründen der amerikanischen Aussenpolitik des 20. Jahrhunderts, wie wir sie in unserem ersten Artikel angedeutet haben, einbezieht, so kommt man der Wahrheit ein weiteres Stück näher.23

De Gaulle und Roosevelt – Pläne für die Welt nach dem Krieg

De Gaulle beschreibt in seinen Memoiren seine Unterhaltung mit Roosevelt im Juli 1944 in Washington. Im Laufe dieser Unterhaltung legte Roosevelt seine Strategieüberlegungen für die «Welt» nach dem Zweiten Weltkrieg dar. Roosevelts Vision erschien de Gaulle mehr als beunruhigend für Europa und insbesondere Frankreich. De Gaulle führt wörtlich aus: «[Roosevelt] gedenkt nun ein internationales System zu schaffen, das auf ständige Intervention hinausläuft. Er denkt an ein Viererdirektorium: Amerika, Sowjetrussland, China und Grossbritannien sollen die Weltprobleme regeln. Ein Parlament der Vereinten Nationen soll der Macht dieser ‹vier Grossen› einen demokratischen Anstrich geben. Aber wenn man [das heisst die USA] die Welt nicht auf Gnade und Ungnade den drei anderen ausliefern will, muss solch eine Organisation, meint Roosevelt, die Anlage amerikanischer Stützpunkte in allen Teilen der Erde und zum Teil auch auf französischem Gebiet einschliessen. Roosevelt glaubt, auf diese Weise die Sowjets in eine Gemeinschaft hineinbringen zu können, die ihre Ambitionen in Schach halten wird und in der Amerika seine Klientel um sich scharen kann. Von den «vier Grossen» ist, wie er weiss, das China Chiang Kai-cheks von seiner Hilfe abhängig, während die Engländer, sofern sie nicht ihre Dominien verlieren wollen, sich seiner Politik beugen müssen. In bezug auf die mittleren und kleineren Länder wird er in der Lage sein, auf sie dank amerikanischer Hilfeleistungen einzuwirken. Schliesslich werden das Selbstbestimmungsrecht der Völker, die amerikanische Auslandshilfe, das Vorhandensein amerikanischer Stützpunkte in Afrika, Asien und Australien dem Entstehen neuer souveräner Staaten förderlich, die die Zahl derer vermehren werden, die den Vereinigten Staaten verpflichtet sind. In solcher Perspektive können die eigentlichen Probleme Europas … nur von nebensächlicher Bedeutung sein».24
De Gaulle erkannte in dieser Konzeption einen ausgesprochenen «Willen zur Macht» und den Willen, Europa zu dominieren. Er wies darauf hin, dass dieser Plan den Westen in Gefahr bringen würde. «Werde man nicht, wenn man Westeuropa als zweitrangig behandele, gerade der Sache schaden, der man zu dienen glaubt: der Sache der Zivilisation?» […] «Der Westen ist es, sage ich zu Präsident Roosevelt, den man wieder aufbauen muss. Wenn das geschehen ist, wird ihn sich die übrige Welt wohl oder übel zum Vorbild nehmen. Wenn es nicht geschieht, wird es der Barbarei gelingen, alles hinwegzufegen. Westeuropa ist trotz seiner Zerrissenheit für den Westen von wesentlicher Bedeutung. Nichts kann den Wert, die Kraft, die Ausstrahlung der alten Völker ersetzen.»25
Roosevelt sprach dann von seiner grossen Enttäuschung über das französische Volk, das sich einfach so von den Nazis hatte überrennen lassen. De Gaulle, der sehr höflich war, entgegnete ihm nichts. Aber er dachte: Wenn Amerika Frankreich sowohl nach dem Ersten Weltkrieg geholfen hätte, wie auch zu Beginn des Zweiten, oder wenn man ihn, General de Gaulle, unterstützt hätte anstelle des Vichy-Regimes, dann wäre es vielleicht anders gekommen. Es wird damit deutlich, dass de Gaulle die angebliche Enttäuschung Roosevelts als unehrlich empfand. Er verliess Roosevelt mit der Überzeugung, dass in den Beziehungen der Staaten untereinander die Logik und das Gefühl nicht schwer wögen im Vergleich zu den Realitäten der Macht. Allein was man sich nehme und was man zu halten wisse habe Bedeutung. Frankreich könne nur auf sich selber zählen, wenn es wieder seinen Platz unter den Nationen erlangen wolle.26    •

1    Siehe «Moloch EU und Strippenzieher Jean Monnet», in Zeit-Fragen Nr. 38 vom 27.9.2010. Genauso wie in unserem ersten Teil stützen wir uns auch in diesem Teil auf die Biographie von Eric Roussel Jean Monnet 1888–1979, Fayard 1996, ISBN 978-2-213-03153-8. Wir stützen uns zusätzlich auf ein weiteres Werk von Eric Roussel Le naufrage. Paris, Editions Gallimard, 2009
2    Louise Weiss, Mémoires d’une Européenne. (Erinnerungen einer Europäerin). Paris, Albin Michel, 1971, p. 141 Zitiert nach: Eric Roussel, Le naufrage. Paris, Editions Gallimard, 2009. Übersetzung des Verfassers.
3    Mit Appeasement-Politik ist die Beschwichtigungspolitik gemeint, die in erster Linie von Grossbritannien in den Jahren 1935–1939 verfolgte Politik der Zugeständnisse, der freundlichen Zurückhaltung und des aktiven Entgegenkommens gegenüber Hitlers Machtinteressen. Verantwortlich für diese britische Politik zeichnete Premierminister (1937–1940) Neville Chamberlain.
Seine Haltung, der sich Daladier und Mussolini anschlossen, ermöglichte Hitler in den Jahren 1935– 39 die Einverleibung von Saarland, Rheinland, Österreich, Sudetenland (Münchner Konferenz von 1938) und der restlichen Tschechoslowakei.
4    William C. Bullitt (1891–1967) arbeitete 1919 in der Verhandlungsdelegation des amerikanischen Präsidenten Wilson bei der Pariser Friedenskonferenz und galt als Unterstützer des Internationalismus, der dem Isolationismus in den USA gegenüberstand. 1933 arbeitete Bullitt im Wahlkomitee von F. D. Roosevelt und schrieb dessen aussen­politische Reden. Bullitt lernte Monnet 1934 in Moskau kennen, als er dort Botschafter war. Von 1936 bis 1940 war er Botschafter in Frankreich.
5    Die verschiedenen Neutralitätsgesetze schrieben ein Verbot von Waffenexporten und finanzieller Unterstützung für kriegführende Staaten vor. Aber durch die Ergänzung der «Cash-and-Carry»-Klausel erlaubte man den Kriegführenden, amerikanische Waren gegen Barzahlung zu erwerben und sie mit eigenen Schiffen abzutransportieren. Dank dieser erfindungsreichen Klausel war der gewinnbringende Absatz von kriegsnützlichem Material wie Erdöl, Baumwolle, Kupfer, Stahl, Lastwagen etc. auch weiterhin gewährleistet. Erich Angermann, Die Vereinigten Staaten von Amerika seit 1917. München 1966, S. 208. In: Walther Hofer, Herbert R. Reginbogin, Hitler, der Westen und die Schweiz 1936–1945. Zürich 2001.
6    Chatham House, bis 2004 auch Royal Institute of International Affairs genannt, ging 1920 aus dem bereits 1911 gegründeten Round Table hervor, der von Lord Milner in der Tradition des britischen Imperialisten Cecil Rhodes ins Leben gerufen wurde, um eine neue, liberale Form des Imperialismus zu propagieren. Sitz dieser mächtigen Denkfabrik ist das Gebäude eines früheren Earl of Chatham in London. Parallel dazu wurde das Council of Foreign Rela­tions (CFR) in New York gegründet. Seine Gründer, von Kritikern als Assoziation von Bankern angesehen, verfolgten von Anfang an das Ziel, dem Isolationismus entgegenzutreten. Eines der wichtigsten Ergebnisse der Arbeit des CFR in den letzten 100 Jahren ist es, den Isolationismus bis auf eine Randerscheinung zurückgedrängt zu haben. Der CFR garantiert die Kontinuität einer internationalistischen und interventionistischen Aussenpolitik. Über verschiedene aussenpolitische Netzwerke nimmt der CFR Einfluss auf die aussenpolitischen Eliten der wichtigen westlich orientierten Länder. In Deutschland sind das die «Deutsche Gesellschaft für auswärtige Politik» (DGAP) und «Atlantikbrücke». In Frankreich ist es das Institut français des relations internationales (IFRI). (Zu dessen Gründung siehe Fussnote 8.) In den Think tanks wurden und werden Wissenschaftler, Journalisten, Rechtsanwälte und Verleger kooptiert.
Zur Milner Group sei Carroll Quigley zitiert: «No country that values is safety should allow what the Milner group accomplished – that is, that a small number of men would be able to wield such power in administration and politics, should be given almost complete control over the publication of documents relating to their actions, should be able to exercise such influence over the avenues of information that create public opinion, and should be able to monopolize so completely the writing and the teaching of the history of their own period.» «Kein Land, dass seine Sicherheit wertschätzt, sollte erlauben, was der Milner Group gelang, nämlich dass eine kleine Gruppe von Männern in der Lage war, eine solche Macht in Regierung und Politik auszuüben, dass sie die fast vollständige Kontrolle über die Publikationen von Dokumenten, die mit ihren Handlungen zusammenhängen, hatten, dass sie in der Lage waren, einen solchen Einfluss auf die Informationsflüsse auszuüben, die die öffentliche Meinung erzeugen, und dass sie in der Lage waren Forschung und Lehre ihrer eigenen Periode so vollständig zu monopolisieren.» Carroll Quigley, The Anglo-American Establishment, Cover-Text. Übersetzung des Verfassers.
7    Arnold Toynbee (1889–1975) arbeitete sowohl im Ersten wie auch im Zweiten Weltkrieg für das britische Aussenministerium als Berater des «War Propaganda Bureau» und schrieb gegen die Mittelmächte und das Osmanische Reich gerichtete Propaganda-Pamphlete.
1919 war er Teilnehmer an der Friedenskonferenz von Versailles. Eines seiner letzten Werke: Menschheit – woher und wohin? Plädoyer für den Weltstaat (Stuttgart 1969)
8    Centre d’études de politique étrangère, 1935 von französischen Universitäten und mit Geldern aus der Stiftung des US-amerikanischen Stahl-Magnaten Carnegie, der auch das CFR grosszügig unterstützte, nach dem Beispiel des Chatham House gegründet. Vorläufer des heutigen Institut français des relations internationales (IFRI).
9    höchster Beamter im britischen Aussenministerium
10    Zitiert nach Roussel, a.a.O., S. 234.
11    Gérard Bossuat, S. 3
12    Roussel, a.a.O., S. 255 und 402
13    Roussel, a.a.O., S. 403
14    Algerien war zu der Zeit, ebenso wie Marokko und Tunesien, französische Kolonie und wurde von Vichy-freundlichen Gouverneuren verwaltet.
15    General Giraud entfloh auf abenteuerliche Weise, unter Mithilfe des Colonel Linarès, einem vollkommen loyal gesinnten Vertrauten Monnets, im April 1942 der deutschen Gefangenschaft. Er war Anhänger Pétains und der von diesem vertretenen Vorstellung eines autoritären, undemokratischen Staates, lehnte aber eine Kollaboration mit den deutschen Besatzern ab. Er lebte deswegen im französischen Untergrund, bis ihn die Alliierten «befreiten» und nach Gibraltar brachten.
16    Roussel a.a.O., S. 363, Couve de Murville. Er bearbeitete ihn wochenlang täglich für seine «erste demokratische Rede». (Fussnote: «Depuis des semaines il lutte pied à pied pour convaincre Giraud» und am 14. März 1943 war es dann so weit: «Et le 14 mars 1943 […] je prononçai le premier discours démocratique de ma vie.» Eric Roussel, a.a.O., S. 315 «Seit Wochen kämpft er Schritt für Schritt, um Giraud zu überzeugen.» «Und am 14. März 1943 hielt ich die erste demokratische Rede meines Lebens». (Übersetzung des Verfassers)
17     Gelder, die durch den Lend-Lease-Act, der von Präsident Roosevelt am 11.3.1941 unterzeichnet und mit dem die amerikanische Neutralität aufgehoben worden war, ermöglicht wurden. Siehe auch Fussnote 5.
In: James J. Dougherty, Lend-Lease and the Opening of French North and West Africa to Private Trade. Cahiers d’Etudes africaines, N° 59, XV-3, pp. 481–500; S. 481)
18     Nach Kriegsende handelte Valensi bei der amerikanischen Export-Import-Bank zusätzlich zu der einen Milliarde Dollar aus dem Marshall-Plan weitere umfangreiche Kredite für Frankreich aus. Auf diese Weise wurde die wirtschaftliche und finanzielle Abhängigkeit Frankreichs von den USA verstärkt und eine unabhängige und souveräne Politik nach innen und aussen verunmöglicht. In: Anne Sabouret, MM. Lazard Frères et Cie – Une saga de la fortune. Paris, Olivier Orban, 1987, S. 134
19    Roussel, a.a.O., S. 366. Siebenköpfiges Komitee, dem unter anderen de Gaulle, Giraud, André Philipp und Jean Monnet angehörten. André Philipp wurde als Vertrauter von de Gaulle in das Komitee berufen und wurde Kommissar für Innere Angelegenheiten. Unter dem stärker werdenden Einfluss von Jean Monnet entwarf er unter dessen Mithilfe und der von René Mayer einen Plan für ein Konzept von einer westeuropäischen Integration, zu der die Gemeinschaft der Schwerindustrie ein erster Schritt sein sollte.
20    Gérard Bossuat, Jean Monnet. Le blog d’Europe hebdo, 20.8.2009. S. 4
21    Comité français de la libération nationale
22    Gérard Bossuat, a.a.O., S. 4
23    Charles de Gaulle, Memoiren, 1942–1946, Düsseldorf 1961.
24    a.a.O., S. 222f
25    a.a.O., S. 224f
26    a.a.O., S. 225.




Europäische Integration (Teil 1)


Die Methode Monnet als Schlüssel zum Verständnis der Euro-Krise

von Dr. rer. publ. Werner Wüthrich
Es gibt heute unzählige Beiträge von Autoren, die die Vorgänge im Zusammenhang der Euro-Krise zu deuten versuchen. Vieles bleibt nach wie vor rätselhaft. Insbesondere ist die Frage nach wie vor ungeklärt, wie es überhaupt so weit kommen konnte. Der folgende Artikel will diese Frage klären, indem er bei den Ursprüngen ansetzt – bei den Heiligtümern der EU – nach der Devise «Back to the roots». Hier spielt die Schweiz – als Nicht-Mitglied der EU – eine besondere Rolle.
Jedes Land hat seine Heiligtümer und seine Symbole – die Schweiz das Rütli und den Bundesbrief, die USA die Freiheitsstatue und die Unabhängigkeitserklärung, Frankreich hat das Panthéon, wo Persönlichkeiten von nationaler Bedeutung begraben sind usw. Auch die EU hat ihre Heiligtümer. Wahrscheinlich ist nur wenigen bekannt, dass die Heiligtümer der EU sich nicht in Brüssel befinden, sondern im Nicht-Mitgliedland Schweiz und hier sorgfältig gehütet und gepflegt werden.
Jean Monnet hat die Geschichte Europas in der Nachkriegszeit zweifellos wesentlich geprägt. 1950 entwickelte er die Idee der Montanunion, der Vorgängerin der EWG und der späteren EU. Die westeuropäischen Länder sollten ihre Kohle- und Stahlindustrie gemeinsam verwalten. Sein eigentliches Ziel waren jedoch die «Vereinigten Staaten von Europa» nach US-Vorbild. Jean Monnet entwickelte diesen Plan im Frühjahr 1950 in neun Entwürfen, die er dem damaligen französischen Aussenminister Robert Schuman vorlegte. Dieser besprach das Projekt mit der eigenen Regierung und mit Bundeskanzler Adenauer. Am Abend des 9. Mai 1950 verkündete Schuman den Plan der Öffentlichkeit. – So ungefähr lautet die Gründungsgeschichte der heutigen EU. Seither wird der 9. Mai in vielen Ländern auch als EuropaTag gefeiert. 1952 wurde Jean Monnet zum ersten Chef der «Hohen Behörde» der Montanunion mit Sitz in Luxemburg ernannt. Bereits 1955 verliess er seinen Posten wieder, um sich für sein eigentliches Ziel einzusetzen, die Bildung der Vereinigten Staaten von Europa. 1955 gründete er ein Aktionskomitee, um zahlreiche Vertreter aus Parteien und Gewerkschaften aus den sechs Ländern der Montanunion einzubeziehen.
Wenige Tage vor der Unterzeichnung der Römischen Verträge am 15. März 1957 kam Jean Monnet in die Schweiz und richtete ein Büro für sein zuvor gegründetes Aktions­komitee für die Vereinigten Staaten von Europa in Lausanne am Genfersee ein. Wenig später kam ein Dokumentationszentrum dazu. Hier lagern alle Entwürfe und Gründungsdokumente der Montanunion, der EWG, der späteren Europäischen Union mit ihren verschiedenen Verträgen. 1957 gründete Jean Monnet in Lausanne einen Verein, der die Verwaltung seines Aktionskomitees übernehmen sollte. Die Ford-Stiftung in den USA ermöglichte die Gründung eines Zentrums für europäische Studien, und die Universität Lausanne errichtete den ersten Monnet-Lehrstuhl für europäische Integration, der bis in die 1990er Jahre von seinem Vertrauten Henri Rieden geführt wurde. Heute gibt es etwa 200 Lehrstühle dieser Art an den europäischen Universitäten. In Lausanne liessen sich zahllose Studenten aus der Schweiz und dem Ausland in den «Geist» Monnets einführen. Prominentester Student ist der spätere Bundesrat Jean-Pascal Delamuraz, der die Schweiz so nahe an die EU geführt hatte wie keiner vor und nach ihm.
Jean Monnet war oft in der Schweiz. 1978 gründete er kurz vor seinem Tod die «Fondation Jean Monnet pour l’Europe». Das grosse Kapital der Stiftung besteht – neben den vielen Dokumenten in den Archiven – aus ihrem weitgesponnenen Netz von Beziehungen. Über 300 Persönlichkeiten aus ganz Europa – viele von ihnen Politiker und hohe Beamte – gehören dem Stiftungsrat an. Präsident ist der frühere Präsident des Europa-Parlamentes, José Maria Gil-Robles. Auch Politiker und Ökonomen aus dem Nicht-Mitgliedland Schweiz gehören dazu. Vizepräsident ist der Schweizer Jakob Kellenberger, der als Staatssekretär die Verhandlungen der Bilateralen I geführt hatte und später zum Präsidenten des Internationalen Roten Kreuzes ernannt wurde. Der bekannte Ökonom und Publizist Stephane Garelli – viele Jahre Generaldirektor des WEF – ist im Vorstand.
Die Stiftung verleiht jedes Jahr eine Ehrenmedaille an Persönlichkeiten aus ganz Eu­ropa, die sich für das Stiftungsziel der «Vereinigten Staaten von Europa» verdient gemacht haben. Dazu gehören zum Beispiel der ehemalige Bundesrat Adolf Ogi und der ehemalige deutsche Bundeskanzler Helmut Kohl. Die Laudatio hielt Bundespräsidentin Micheline Calmy-Rey. Zu den Preisträgern gehören auch der frühere Bundeskanzler Helmut Schmidt, Jean Claude Juncker, Jacques Delors und Romano Prodi. Finanziert wird das Zentrum von der Eidgenossenschaft, vom Kanton Waadt und von der US-amerikanischen Ford-Stiftung. Zahlungen kommen auch aus Brüssel.
2003 unterzeichneten der Präsident der EU-Kommission Romano Prodi, Bundespräsident Jean-Pascal Delamuraz, der Waadtländer Staatsratspräsident und der Lausanner Stadtpräsident eine gemeinsame Willenserklärung, die «Fondation Jean Monnet pour l’Europe» fortzuführen. Das Zentrum in der «Ferme de Dorigny» soll ausgebaut und das Budget fast verdoppelt werden. «Europas» Heiliger Gral soll weiter in Lausanne ein «Ort des Nachdenkens und der Begegnung» bleiben.1

Methode Monnet

Wer sich mit der Person Jean Monnets befasst, stellt sich Fragen. Was ist das Besondere an dieser Person und an der Politik dieses Mannes, der 1979 zum ersten «Ehrenbürger Europas» ernannt wurde, obwohl er – abgesehen von seiner Funktion in der Montanunion – gar nie ein höheres politisches Amt wie Minister oder gar Staatspräsident ausgeübt hat? Was ist das Geheimnis am «Geist» Jean Monnets, der den Verlauf der Geschichte in Europa zweifellos wesentlich geprägt hat. Weshalb gibt es heute über 200 Monnet-Lehrstühle an Universitäten in ganz Europa – wie oben dargestellt auch im Nicht-Mitgliedland Schweiz? Weshalb ist er im Panthéon begraben und liegt dort neben Geistesgrössen wie Voltaire, Rousseau oder auch verdienstvollen Politikern und Persönlichkeiten wie dem Wider­standskämpfer Jean Moulin? Diese Frage ist so bedeutend, dass sie auch die Wissenschaft beschäftigen muss. Und sie tut es.
Ich beziehe mich im folgenden auf die Studie mit Titel «Jean Monnet – Person und Methode»,2verfasst vom Inhaber des Jean-Monnet-Lehrstuhls an der Universität Köln, Professor Wolfgang Wessels. Unter Politologen ist der Begriff «Methode Monnet» ein fester Begriff. Diese Studie ist vor zehn Jahren verfasst worden. Wer sie heute liest, hat den Eindruck, dass sie so aktuell ist, als ob sie erst gestern geschrieben worden wäre. Die wichtigsten Punkte sollen im folgenden wiedergegeben werden:
Wolfgang Wessels sieht die politische Bedeutung von Jean Monnet als «Kommunikator par excellence» und als «Realisator hinter den Kulissen». Monnet habe als Ideengeber für die Amtsinhaber gewirkt – ganz besonders für den französischen Aussenminister Schuman –, im Vorfeld der Gründung der EWG 1957. Jean Monnet gilt als Schöpfer und Gestalter überparteilicher Aktionsgruppen und transnationaler Netzwerke wie des «Comité d’action pour les Etats Unis de l’Europe», das in der Schweiz seinen Sitz hat und sich im Laufe der Jahre zu einem eigentlichen Zentrum für den «Geist» Monnets entwickelt hat. Viele Politiker – insbesondere auch deutsche Sozialdemokraten wie Willy Brandt und Helmut Schmidt – wurden hier in den «Heiligen Gral» (Wessels) Europas einbezogen.
Der Arbeitsstil von Jean Monnet war von intensiven, persönlichen Kontakten geprägt. Er unterstützte die regelmässigen Gipfelkonferenzen in Form des Europäischen Rates. Im Vordergrund stand die Gestaltung und Propagierung konkreter Vorhaben – mit Betonung der Ausrichtung auf das Ziel einer europäischen Föderation mit Vorbild der Vereinigten Staaten. Wenig Wert legte er auf die Diskussion «grosser Würfe», wie zum Beispiel das Projekt einer Verfassung der EG.
Monnet pflegte seine Netzwerke und bereitete seine Schritte auf verschiedenen Staats­ebenen sorgfältig vor. Er galt nicht als grosser Redner. Seine Stärke waren Zweiergespräche und Diskussionen in kleinen Gruppen.
Jean Monnet hatte – so Wessels – kein Verständnis für marktwirtschaftliche Kategorien aufgebracht. Ökonomen der sozialen Marktwirtschaft wie Walter Eucken, Wilhelm Röpke, Ludwig Erhard und Friedrich August von Hayek gehörten wohl nicht zu seiner «Lieblingslektüre». Monnets Vorschläge wirkten «pragmatisch, aber auch technokratisch und interventionistisch». Bei Visionen und Utopien blieb er bewusst unscharf. Sein Beitrag zu europäischen Leitbildern liegt – so Wessels – in seiner Methode.
In den Jahren, als de Gaulle Staatspräsident war, hat Monnet kaum Einfluss auf die Politik gehabt – verfolgte doch de Gaulle die Vision eines «Europas der Vaterländer». Die Gegnerschaft zwischen de Gaulle und Monnet war offenkundig.3 Der spätere sozialistische Präsident François Mitterand war später bemüht, diese Zurücksetzung wieder zu korrigieren. Er liess Monnet nach seinem Tod im Jahr 1979 ins Panthéon überführen.
Wolfgang Wessels kommt zum Schluss: «Wahrscheinlich ist sein Erbe – neben dem Schuman-Plan – insbesondere im Auf- und Ausbau seiner Netzwerke anzusiedeln. Er hat den europapolitischen Raum für neue Akteure geöffnet und damit die Basis für weiterreichende Entscheidungen gelegt.»
Die Hauptpunkte der Studie von Wolfgang Wessels lassen sich wie folgt zusammen­fassen:
1. «Solidarität der Tat»
Jean Monnet war kein Freund von langatmigen Diskussionen über Verfassungsentwürfe und Grundsatzerklärungen. Er bevorzugte es, gemeinsame, möglichst konkrete Projekte in Angriff zu nehmen, die den Integrationsprozess vorantreiben – und zwar auch dann, wenn der Ausgang vage ist. – Dazu ein Zitat von Jean Monnet: «Der Mensch akzeptiert die Veränderungen nur unter dem Druck der Notwendigkeit.»4 Mit anderen Worten: Krisen gehören zur Methode. Aus dem Mund der Politiker tönt es dann so: «Es gibt keine Alternative.»
2. Politik der kleinen Schritte
Monnet war gegen eine umfassende Übertragung von Souveränität auf die europäische Ebene, die ein Grossprojekt oder eine Verfassung mit sich gebracht hätte. Er bevorzugte eine Politik der kleinen Schritte. Nationale Kompetenzen sollen in kleinen konkreten Schritten nach Brüssel übertragen werden. Die Vereinigten Staaten von Europa sind für ihn der Endpunkt in einem mehrstufigen, langjährigen Prozess. Die bewusste Wahl von Etappen führte – so Wessels – zu den beliebten Zeitplänen in der Politik der EG und der späteren EU. Wessels: «Was ‹klein› anfängt, wird einer internen, endogenen Logik folgend zu einem nicht eindeutig festgelegten Ziel vorstossen.» Wessels spricht von einer zwangsläufig angelegten «Entwicklungsdynamik». […] «Nicht der institutionelle Gesamtentwurf steht im Vordergrund, sondern einzelne Schritte, die eine Föderation schrittweise aufbauen.
3. Ökonomische Instrumente als Hebel
Jean Monnet benutzte – so Wessels – ökonomische Instrumente als Hebel, um weitere ­politische Integrationsschritte umzusetzen. Konkrete Vorhaben der Wirtschaftspolitik werden so zum strategischen Instrument für einen Prozess hin zu einem politischen System, das er politisch unscharf mit einer «immer engeren Union» beschreibt. Wolfgang Wessels gibt zu: «Eine gemeinsame ökonomische Basis höhlt den politischen Souveränitätskern von Nationalstaaten zugunsten einer Entwicklung von inter- und transnationaler ­Politik zunehmend aus.» […] Der ökonomische Nutzen ist für Monnet nicht allein ausschlaggebend, sondern es geht um die Grundentscheidung für eine andere Form europäischen Zusammenlebens.
4. Elite-Entscheidungen
An diesem Punkt lässt der Inhaber des Jean-Monnet-Lehrstuhls der Universität Köln etwas Kritik einfliessen: «Die im Konsens getroffenen Elitebeschlüsse gelten nicht als bürgernah. Nationale Parlamente und Bürger bleiben aussen vor. Referenden gehören nicht zur Methode Monnet.»
5. Französisch-deutscher Schulterschluss als Treiber der Einigungspolitik
Unverzichtbar für die Methode Monnet ist die französisch-deutsche Übereinstimmung. Sie dient als «Peitsche» für alle integrationsunwilligen Staaten. Daraus leiten sich Begriffe wie «Kerneuropa», «Gravitationszentrum», «Pioniergruppe», «Europa der zwei Geschwindigkeiten» und ähnliches ab.
Heute entscheiden Merkel und Sarkozy praktisch alleine über grundlegende Fragen der EU. Alle andern, inklusive der meisten Medien, akzeptieren stillschweigend, dass die EU-Institutionen und die andern 25 Mitgliedstaaten ausgehebelt werden.
Wessels kommt in seiner Studie zum folgenden Schluss: Die Methode Monnet wurde seit dem Schuman-Plan mit Variationen verfolgt und erwies sich als produktive Erfolgsformel. «Alternative Konzepte wie konstitutionelle Ansätze föderaler oder intergouvernaler Natur sind dagegen weitgehend gescheitert.»

Was Wessels verschweigt

Wessels weist zwar darauf hin, dass der Aufbau und die Pflege von Netzwerken in der ­Methode Monnet von zentraler Bedeutung sind. Es fehlt jedoch der Hinweis, dass Jean Monnet nicht nur Netzwerke in Europa, sondern vor allem auch in den USA aufgebaut hatte – vor allem in Finanz- und Regierungskreisen. Die USA haben über diese Kontakte – ganz nach der Methode Monnet – die europäische Integration beeinflusst oder gar gesteuert. Monnet hat einige Jahrzehnte in den USA gelebt, war Vizepräsident einer Grossbank und hat selber eine Bank besessen. Im Zweiten Weltkrieg hat er an zentraler Position in der amerikanischen Kriegswirtschaft gearbeitet und war persönlich eng befreundet mit dem späteren US-Aussenminister John Foster Dulles. Mit anderen Worten: Monnet war auch ein Instrument der US-Aussenpolitik.
Heute sind die Archive aus jener Zeit offen und die Dokumente belegen eindeutig, dass die USA – auch über Monnet – die europäische Integration direkt beeinflusst oder gar gesteuert haben. Dazu zwei Beispiele5 aus der Schweiz:
1.    Am 9. September 1960 hielt der Delegierte für Handelsverträge, Weitnauer, am Ministertag eine Ansprache über die europäische Integration: Er sagte unter anderem: «Zu Beginn des Jahres haben die Amerikaner ihr Veto gegen einen Zusammenschluss der ‹Sechs› (der EWG) und der ‹Sieben› (der EFTA) in einer europäischen Freihandelszone eingelegt.» Er sprach von einer kleinen Gruppe entschlossener «Manager» des Europa-Gedankens – darunter Monnet –, die über die supranationalen Institutionen der Gemeinschaft ihr Ziel der Schaffung eines neuen Machtstaates in Westeuropa zu erreichen versuchen. Er brachte mit deutlichen Worten zum Ausdruck, dass die USA und mit ihr Monnet das Projekt der gesamteuropäischen Freihandelszone (der EWG und der EFTA-Länder) hintertrieben haben. Obwohl und nachdem alle Regierungen der europäischen Länder bereits zugestimmt hatten.6 Die Schweizer Diplomatie hatte sich damals sehr für dieses Projekt eingesetzt.
2.    Paul Jolles, Chef des Integrationsbüros, berichtete am 23.7.1963 dem Schweizer Bundesrat in einem als streng vertraulich eingestuften Dokument über ein Gespräch mit dem Leiter des Policy Planning Board des amerikanischen Staatsdepartementes über die europäische Integration wie folgt: «Mein Gesprächspartner vertritt vorbehaltlos die bekannte amerikanische Auffassung, dass das Nationalstaatentum in Europa historisch überholt sei und eine politische Einigung unvermeidlich erscheine, falls ­Eu­ropa weiterhin in der Weltpolitik eine Rolle spielen wolle. De Gaulle wird als Einzelerscheinung betrachtet.»

Es wäre auch anders gegangen

Die US-Aussenpolitik und mit ihr Jean Monnet haben in jenen Jahren in Europa Weichen gestellt für den weiteren Verlauf der europäischen Integration. Die Zusammenarbeit der Länder hätte sich auf eine freiheitliche Art entwickeln können, wie dies heute zum Beispiel zwischen den ASEAN-Ländern in Asien der Fall ist. Diese Länder, die sich 1997/98 in der «Asien-Krise» befanden, haben ihre Staatshaushalte und ihre Schulden eigenverantwortlich in Ordnung gebracht, ohne problematische, supranationale Instrumente wie EFSF und ESM einsetzen zu müssen. – ­Europa befindet sich in einem veritablen Schlamassel und droht im globalen Wettbewerb ins Hintertreffen zu geraten. Der viel beschworene Geist «Monnet» hat sich zu einem Ungeist gewandelt.

Methode Monnet als Schlüssel zum Verständnis der heutigen Krise

Wie oben schon erwähnt, hat Professor Wolfgang Wessels seine Studie vor zehn Jahren verfasst. Wenn wir heute die Ereignisse der letzten Monate und Jahre betrachten, so wird deutlich, dass die Methode Monnet nach wie vor aktuell ist. Mehr noch: Sie ist der Schlüssel zum Verständnis der Politik der EU – früher und auch heute. Wer die Methode Monnet als Richtschnur einbezieht, wird die aktuellen Ereignisse um den Euro unweigerlich etwas anders interpretieren als dies heute die meisten politischen Beobachter tun. Ich möchte dies am Beispiel von Helmut Kohl, des früheren deutschen Bundeskanzlers, erläutern. Helmut Kohl hat bei der Einrichtung der Gemeinschaftswährung Euro eine zentrale Rolle gespielt. Man kann mit Sicherheit davon ausgehen, dass seine Berater deutlich darauf hingewiesen haben, dass es problematisch sei, mit Ländern eine Währungsunion einzugehen, die von den wirtschaftlichen Strukturen, der industriellen Leistungsfähigkeit, der Mentalität und der Lebensart der Völker her so unterschiedlich sind, wie es die 17 Euro-Länder waren und heute sind. Viele Ökonomen haben damals gewarnt (wenn auch die meisten öffentlich geschwiegen haben).
Wer die Methode Monnet verinnerlicht hat, wie dies bei Helmut Kohl als Träger der Ehrenmedaille der Jean-Monnet-Stiftung wahrscheinlich der Fall ist, hat sich davon nicht abschrecken lassen. Er und die andern, die für dieses Projekt verantwortlich waren, werden gedacht haben: Es werden grosse Schwierigkeiten entstehen, das steht fest, aber wir nehmen sie bewusst in Kauf, weil sie uns helfen werden, unser Ziel der Vereinigten Staaten von Europa zu erreichen. Die unvermeidlichen ­politischen Turbulenzen werden weitere Integra­tionsschritte notwendig machen oder gar erzwingen.
Mancher Politiker wird so gedacht haben. Die heute gängige Meinung, dass die Verantwortlichen von damals unfähig oder gar blind waren, die Problematik ihres Tuns zu erkennen, überzeugt nicht.
Wir finden heute die Methode Monnet in Stellungnahmen und Reden von Politikern fast jeden Tag. Bundeskanzlerin Merkel und der französische Präsident Sarkozy geben permanent gemeinsam die Richtung vor: «Mehr Europa ist der Weg.» Sie peitschen der Bevölkerung fast täglich ein, wir müssten weitere nationale Kompetenzen vor allem im Fiskalbereich nach Brüssel übertragen (was zwangsläufig zu einer politischen Union führt). ­Helmut Schmidt hat am Parteitag der SPD in einer vielbeachteten Rede eine Ode auf die Europäische Union vorgetragen und zu weiteren «Integrationsschritten» aufgerufen, um die europäische Einigung voranzutreiben. «Das Gerede über eine Krise des Euro sei nur leichtfertiges Geschwätz.» An einer gemeinsamen Verschuldung der Euro-Staaten werde kein Weg vorbei führen. – Auch Schmidt ist Preisträger der Jean-Monnet-Stiftung.
Der heutige Präsident der Jean-Monnet-Stiftung, José Maria Gil-Robles, der früher Präsident des Europa-Parlaments war, hat sich vor kurzem in einem Gespräch wie folgt geäussert: «Jean Monnet, un des batisseurs de l’Europe unie, a conçu une methode simple, valable encore aujourd’hui: créer des réalisations concrètes qui créent des solidarités de fait. […] La crise grecque a réveillé les Européens qui ont pris des mesures de solidarité sans précédent, dans l’intérèt général. […] Il importe de placer le pouvoir décisionnel réel où il peut s’exercer le plus efficacement.» (Jean Monnet, einer der Erbauer des vereinigten Europas, hat eine einfache Methode entwickelt, die auch heute noch brauchbar ist: man schafft konkrete Umsetzungen, die faktische Solidarität schaffen. […] Durch die griechische Krise wurden die Europäer aufgerüttelt und haben im allgemeinen Interesse beispiellose Solidaritätsmassnahmen ergriffen. […] Es ist wichtig, die reale Entscheidungsmacht dort zu plazieren, wo sie am wirksamsten ausgeübt werden kann.) Er fordert auf, vorwärtszuschreiten, weil die «Nationalisten», wie er die Befürworter einer freiheitlichen Zusammenarbeit souveräner Nationen bezeichnet, in den Parlamenten nicht über 20 Prozent der Stimmen verfügten. (www.jean-monnet.ch)     •
(In Teil 2 folgt ein Artikel über den Schweizer Bundesrat Hans Schaffner. Er wird oft als Vater der EFTA bezeichnet. Er gehörte zu den Politikern, die eine andere Vision der europäischen Integration als Jean Monnet verfolgt und sich mit grossem Einsatz dafür eingesetzt haben. Er sah die Zukunft Europas als freiheitlichen Zusammenschluss souveräner Staaten.)
1    Vgl. www.jean-monnet.ch und Martin Arnold, Urs Fitze, Steffen Klatt, mitten drin – aussen vor, Die Schweiz und Europa, 2007
2    Wolfgang Wessels, Jean Monnet – Mensch und Methode. Überschätzt und überholt? Institut für höhere Studien Wien, Mai 2001
3    Im Zweiten Weltkrieg hatte de Gaulle Monnet noch in seine provisorische Regierung in London berufen. Nach dem Krieg verhalf er ihm zum einflussreichen Posten des Planungskommissärs. Als de Gaulle 1958 Staatspräsident wurde und die ­Vision eines «Europas der Vaterländer» in seine ­Politik einfliessen liess, kühlte sich ihr Verhältnis ab. Vgl. auch: «Jean Monnet als Sondergesandter des amerikanischen Präsidenten Roosevelt» in Zeit-Fragen vom 20.6.2011
4    Eric Roussel, Jean Monnet, S. 68,
ISBN 978-2-213-03153-8
5    Diplomatische Dokumente der Schweiz
(abrufbar: dodis.ch)
6    Vgl. auch Botschaft des Bundesrates über die Beteiligung der Schweiz an der Europäischen Freihandelsassoziation

Quelle: Zeit-Fragen 


Teil 2  


Das «europäische Orchester» wieder zum Klingen bringen

Europäische Integration (Teil 2)

Bundesrat Hans Schaffner und die EFTA

von Dr. rer. publ. Werner Wüthrich
Der erste Teil dieser Artikelfolge mit dem Titel «Die Methode Monnet als Schlüssel zum Verständnis der Euro-Krise» (Zeit-Fragen vom 12.12.2011) gab Einblick in die Entstehung der Europäischen Integration, wie sie heute von der EU verstanden wird, und in das Wirken von Jean Monnet und seinen Netzwerken. Es gab und gibt jedoch eine Gegenbewegung, die sich die europäische Integration anders vorstellte – nicht als Bundesstaat mit supranationalen Institutionen, sondern mehr als freiheitlichen Zusammenschluss souveräner Nationen, die das «europäische Orchester» wieder zum Klingen bringen. Dieser Gedanke fand in der Gründung der EFTA (European Free Trade Association) im Jahr 1960 seinen politischen Niederschlag.1 Auch ein Schweizer Politiker, Bundesrat Hans Schaffner, hat hier eine besondere Rolle gespielt. Er wird gelegentlich auch als Gegenspieler von Jean Monnet bezeichnet. Diese andere Art der «europäischen Integration» soll hier gewürdigt werden.
Das Wort Integration teilt mit andern Modewörtern das Schicksal, nicht klar definiert bzw. nicht klar definierbar zu sein. Im wirtschaftlichen Bereich versteht man darunter die mehr oder weniger enge Verflechtung der Volkswirtschaften zweier oder mehrerer Länder, die sich von «normalen» Beziehungen zwischen Staaten unterscheidet. Die Integration kann natürlich gewachsen oder Gegenstand bewusster, systematischer Förderung sein – und damit auch als politisches Instrument eingesetzt werden.
Der Begriff «Wirtschaftsintegration» hat sich seit dem Auftreten der Väter der Römischen Verträge (zur Gründung der EWG) – insbesondere Jean Monnets – in der politischen Debatte etabliert. Dieser Vorgang ist jedoch nicht neu. Wir finden eine Wirtschaftsintegration seit längerem zwischen den USA und Kanada oder auch zwischen Deutschland und Österreich. Oft dominieren die Grossen die Wirtschaft der Kleinen, was auch als Instrument der Herrschaft empfunden wird und Widerstand erzeugt.
Gemeinsam ist allen Formen der wirtschaftlichen Integration, dass sie eine politische Bedeutung haben. Die Wirtschaftsintegration der EU verfolgt das politische Ziel der Staatsgründung. So wird in der Präambel des Gründungsvertrages von Rom (1957) der feste Wille zum Ausdruck gebracht, «die Grundlagen für einen immer engeren Zusammenschluss der europäischen Völker zu schaffen». Es gehörte zum Credo von Jean Monnet und seinen Netzwerken, dass die Wirtschaftsintegration nur ein Schritt ist auf dem Weg zur Gründung eines europäischen Bundesstaates. Sie sahen die europäischen Völker als eine natürliche Einheit, als eine Gruppe von Einzelstaaten und Volksgruppen, denen es noch an einer entsprechenden Organisation fehlt, um zu einem einzigen Staat und einem einzigen Staatsvolk zu werden.
So unhinterfragt, wie es die Gründerväter um Jean Monnet erhofft hatten, ist die Geschichte zum Glück nicht verlaufen. Es gab auch damals zahlreiche «Unstimmigkeiten» und «Ungereimtheiten», die aus heutiger Sicht nicht so leicht zu verstehen sind. Nur ein Beispiel: Grossbritannien beteiligte sich an den Gründungsverhandlungen der EWG, zog sich vor deren Abschluss wieder zurück, half aktiv mit, die EFTA zu gründen, um nur wenige Monate später ein Beitrittsgesuch zur EWG zu stellen. Wie soll man das verstehen?

Dokumentensammlung

Die folgenden Zeilen basieren auf Dokumenten aus der grossen Sammlung «Diplomatische Dokumente der Schweiz», die in Zusammenarbeit mit dem Bundesarchiv erstellt wurde und die Zeit seit 1848 abdeckt. Die Arbeiten haben 1979 begonnen und sollen in wenigen Jahren abgeschlossen sein. Es sind dies Protokolle von Bundesratssitzungen, Berichte und Briefe der diplomatischen Vertretungen, Aktennotizen und vor allem Referate an den Botschafterkonferenzen. An diesen regelmässig stattfindenden Treffen orientierten und instruierten Bundesräte oder Chefbeamte die Auslandsvertretungen. Die Dokumente betreffen vor allem die Aussenpolitik und wurden als «vertraulich» oder «streng vertraulich» eingestuft. Sie sind seit kurzem über eine Datenbank zugänglich, und auch Sie als Leser können sie elektronisch direkt abrufen und auf den Bildschirm holen, indem Sie die Adresse und die Nummer des Dokumentes eingeben (die im folgenden angegeben wird) und das Dokument anklicken. Wenn Sie zum Beispiel www.dodis.ch/30270 eingeben und das abgebildete Dokument anklicken, sind Sie direkt dabei im Gespräch zwischen dem französischen Präsidenten de Gaulle und Bundesrat Hans Schaffner, die sich 1961 über die politische Situation in Deutschland und die Europäische Integration unterhielten. Sie können so die Geschichte in einer unmittelbaren, unverfälschten Form miterleben, so wie es in der aktuellen Politik gar nicht möglich ist. Es ist den Initianten der Sammlung und ihren Mitarbeitern für ihre Arbeit zu danken.
Integrationspolitik der Schweiz
1947 gründeten die 17 westeuropäischen Länder die OEEC (Organisation für europäische wirtschaftliche Zusammenarbeit). Auch Jugoslawien war dabei. Die Schweizer Diplomatie setzte sich im Rahmen dieser Organisation dafür ein, für alle westeuropäischen Länder eine Freihandelszone einzurichten, in der sie als souveräne Staaten auf eine freiheitliche Art zusammenarbeiten konnten. Die Arbeit begann gut. Der im Krieg zusammengebrochene Zahlungsverkehr wurde wieder eingerichtet, Kapitalverkehr wurde wieder möglich und Handelsschranken wurden nach und nach abgebaut. Die Bemühungen einer Minderheit von sechs Ländern, einen separaten Verbund mit supranationalen Institutionen (EWG) einzurichten, wurden deshalb von vielen als «separatistisch» und «diskriminierend» empfunden. Peter Thorneycroft, Präsident der britischen Handelskammer, äus­serte sich 1956 wie folgt: «No fine words would disguise the reality of a discriminatory bloc, in the heart of industrial Europe, promoting its own internal trade at the expense of trade with other countries in the free world.»2 (Worte können es nicht beschönigen, dass mitten in Europa ein diskriminatorischer Block entsteht, der sich abschottet und auf Kosten anderer Länder mit der freien Welt Handel betreibt.)
Die meisten Länder Westeuropas bevorzugten die gleichberechtigte, freiheitliche Zusammenarbeit zwischen souveränen Staaten, wie sie im Rahmen der OEEC bereits begonnen hatte. Als dies nicht mehr möglich war, entstand aus diesen Bemühungen eine kleine Freihandelszone mit sieben Ländern – eben die EFTA.

Hans Schaffner

Wer waren die Regisseure der Integrationspolitik in der Schweiz? Wer hat die «Europa­politik» damals bestimmt? Volksabstimmungen zu diesem Thema gab es noch nicht, die die Richtung hätten angeben können. Die Medien und die Parteien beschäftigten sich noch wenig mit dieser Frage – ganz im Unterschied zu heute.
Wer sich heute damit befasst, stösst schnell einmal auf den Ausdruck «Politik der Handelsabteilung» oder auf den Namen von Hans Schaffner. Er wird gelegentlich auch als Vater der EFTA bezeichnet und als Gegenspieler von Jean Monnet genannt. Hans Schaffner ist im Kanton Aargau aufgewachsen und war Mitglied der freisinnig-demokratischen Partei FDP. Der Bundesrat ernannte ihn im Jahr 1941 zum Leiter der Abteilung für Kriegswirtschaft, wo er eng mit Friedrich Traugott Wahlen und Jean Hotz3 zusammenarbeitete. Wahlen organisierte als ETH-Professor die sogenannte «Anbauschlacht», die die Bevölkerung mit Nahrungsmitteln versorgte. Jean Hotz war zuständig für die Handelsverträge mit dem Ausland. Er sollte vor allem die unentbehrlichen Rohstoffe und Brennmaterialien im Ausland organisieren – vor allem Kohle und Erdöl. Beide kamen in der Schweiz nicht vor. Dieses Team aus der Bundesverwaltung organisierte im wesentlichen das wirtschaftliche Überleben der Schweiz in einer schweren Zeit – vor allem als das Land vollständig von den Achsenmächten eingeschlossen war.
Nach dem Krieg ernannte der Bundesrat Hans Schaffner zum Delegierten für Handelsverträge und 1954 zum Direktor der Handelsabteilung im Volkswirtschaftsdepartement. Hier gestaltete er die Politik der Schweiz in der OEEC und auch im GATT. Der damals für die Aussenpolitik zuständige Bundesrat Max Petitpierre4 hielt sich in der Handels­politik eher zurück und überliess Hans Schaffner und seinen Mitarbeitern weitgehend das Feld. 1961 wurde Hans Schaffner direkt aus der Verwaltung in den Bundesrat gewählt – ohne zuvor jemals vom Volk in ein Parlament oder in ein politisches Amt gewählt worden zu sein. Im Bundesrat konnte Hans Schaffner wieder mit Friedrich Traugott Wahlen, seinem Freund aus dem Zweiten Weltkrieg, zusammenarbeiten, der als Nachfolger von Max Petitpierre für die Aussen­politik zuständig war. Mit zum Team gehörten Albert Weitnauer (Delegierter für Handelsverträge und später Direktor der Handelsabteilung) und Paul Jolles (Leiter des Integrationsbüros). Diese relativ kleine Gruppe von Personen war damals mit ihren Mitarbeitern für die Integrationspolitik der Schweiz verantwortlich. Diese lässt sich heute auf Grund der Dokumente gut nachzeichnen. Der Gesamtbundesrat begleitete ihr Handeln kritisch wohlwollend, ohne direkt einzugreifen.
Die Schweiz als exportorientiertes Land hatte neben der auf Europa ausgerichteten Integrationspolitik immer auch die ganze Welt im Auge. 55 Prozent der Exporte gingen nach Europa und 45 Prozent in aussereuropäische Staaten. Dagegen kamen 70 Prozent der Importe aus europäischen Ländern.

EFTA als Alternative zur EWG

Als Mitte der 1950er Jahre das Projekt von sechs Ländern immer konkreter wurde, in Europa eine Art Bundesstaat mit supranationalen Institutionen einzurichten, machten sich viele Politiker in den zahlreichen nicht beteiligten Ländern Gedanken, wie dem zu begegnen sei. Es drohte eine weitere Spaltung in Europa. Die Zusammenarbeit im Rahmen der OEEC hatte – wie oben schon erwähnt –sehr gut begonnen. Die Schweiz war gut integriert und Hans Schaffner und seine Mitarbeiter der Handelsabteilung wurden als Vertreter eines neutralen Landes oft eingeladen, die Leitung von Arbeitsgruppen, Tagungen und Treffen zu übernehmen. Es bestand kein Grund, diese erfolgreiche Politik zu beenden. Mit der Gründung der EWG 1957 wurden jedoch Tatsachen geschaffen. Die nicht beteiligten Länder versuchten zunächst – trotz der Gründung der EWG – die Politik der OEEC weiterzuführen und eine Freihandelszone mit allen westeuropäischen Ländern (inklusive der 6 EWG-Länder) einzurichten. Als dies – wie oben schon erwähnt – nicht gelang, kam in informellen Treffen der Gedanke auf, eine Alternative zur EWG zu entwickeln und einen eigenen Verbund, eine kleine Freihandelszone, zu gründen, in der souveräne Nationen gleichberechtigt, auf freiheitlicher Basis miteinander zusammenarbeiten.

«Beamtenrevolution»

Zurück zum Jahr 1958: Am 1. Dezember wurde Hans Schaffner aktiv – nachdem zuvor eine Besprechung mit dem britischen Aussenminister stattgefunden hatte. Schaffner lud alle interessierten Kreise zu einer Konferenz in Genf ein, die auf Beamtenebene stattfand. An diesem Treffen wurde das Konzept der EFTA entworfen und die Konferenzen in Oslo und Stockholm vorbereitet, die wenige Monate später stattfanden.
Hans Schaffner hat die EFTA nicht erfunden. Aber er hat die Initiative ergriffen und die Sache ins Rollen gebracht. Wichtig war die Rolle Grossbritanniens, das sich an den Gründungsverhandlungen der EWG beteiligt hatte und sich 1955 wieder zurückzog. Grund war nicht nur die Skepsis gewesen gegenüber den supranationalen Institutionen und der ­politischen Ausrichtung der EWG. Der grösste Teil des Aussenhandels der Insel spielte sich damals im Rahmen des Commonwealth ab. Andererseits entstand auf dem Kontinent ein wirtschaftlicher und politischer Machtfaktor, dem sich Grossbritannien nicht ohne weiteres verschliessen wollte. Die englische Politik blieb zwiespältig (bis heute).
Sieben Länder (Grossbritannien, Schweiz, Norwegen, Österreich, Dänemark, Portugal und Schweden) gründeten am 4.1.1960 in Stockholm die EFTA und schufen eine Freihandelszone für Industriegüter. Der Bereich der Landwirtschaft blieb ausgeklammert. Von nun an existierten zwei Organisationen, die beide – auf unterschiedliche Art und Weise – das Ziel verfolgten, die Länder Europas wirtschaftlich zu integrieren. In der Zentrale der EWG in Brüssel arbeiteten etwa 5000 Personen. Die EFTA richtete ihren Sitz in Genf ein mit etwa 150 Mitarbeitern, worin bereits ihre unterschiedliche Philosophie zum Ausdruck kam – nicht bürokratischer Machtapparat, sondern Förderung des Freihandels. Konkurrierende Vorstellungen, wie «Europa» wirtschaftlich (und politisch) zu integrieren sei, sorgten für Spannung. – Bald überstürzten sich die Ereignisse.
Kaum waren die Unterschriften auf dem Vertrag von Stockholm trocken, gab Grossbritannien bekannt, der EWG beitreten zu wollen. Die EFTA als Organisation war noch nicht gefestigt, um einen solchen Rückschlag wegstecken zu können. Grossbritannien war mit Abstand die grösste Volkswirtschaft der Vereinigung und hatte bei der Gründung der EFTA eine aktive Rolle gespielt. – Was nun? Und wie kam Grossbritannien dazu, eine derartig wankelmütige Politik zu betreiben?

Solidarisches Vorgehen

Die sieben EFTA-Staaten kamen nach einigem Hin und Her überein, offensiv vorzugehen, das heisst, dass nicht nur Grossbritannien, sondern alle mit der EWG Beziehung aufnehmen sollten. Kein Mitglied sollte für sich allein agieren und nur in gemeinsamer Absprache aktiv werden. Sie bekräftigen ihr Ziel, in Westeuropa eine Freihandelszone für alle einzurichten und die wirtschaftliche Spaltung in Europa zu überwinden. (Londoner Erklärung vom 28. Juni 1961)
Grossbritannien würde – so die Überlegung – den zentralistischen Charakter der EWG mildern und den Ausbau der supranationalen Strukturen verhindern. Die EWG würde liberaler werden. Die Verantwortlichen rechneten damit, dass die «ausufernde Bürokratie» nach erfolgter wirtschaftlicher Integration wieder abgebaut würde. – Dies war nicht der Fall, wie wir heute wissen. Damals arbeiteten etwa 5000 Personen in der Zentrale in Brüssel. Heute sind es – allerdings mit mehr Mitgliedern – gegen 50 000.

USA legen ihre Ziele offen

Wer das Kommende verstehen will, muss das folgende Ereignis einbeziehen:
Am 14. Juli 1961 besuchte der US-Unterstaatssekretär George Ball auf eigenen Wunsch Bern und bat um eine Unterredung mit Bundesrat Hans Schaffner und Bundespräsident Traugott Wahlen. Er erklärte den beiden Bundesräten den amerikanischen Standpunkt: Der Delegierte für Handelsverträge, Albert Weitnauer, hielt die wichtigsten Punkte in einer Aktennotiz fest. (dodis.ch/30116)
George Ball legte offen, dass die amerikanische Regierung die britische Regierung sehr zu einem Beitritt zur EWG «ermuntert» habe. Ein bloss wirtschaftliches Arrangement zwischen der EWG und den EFTA-Ländern würde den politischen Gehalt der EWG verwässern. Die Amerikaner betrachteten Verhandlungen zwischen der EWG und der EFTA im Hinblick auf eine rein wirtschaftliche Zusammenarbeit als nicht wünschenswert.
Weitnauer berichtet in der Aktennotiz, dass eine Unterredung stattgefunden habe zwischen dem US-Präsidenten Kennedy und dem englischen Premier MacMillan. «Für sie handelt es sich in erster Linie darum, dass Grossbritannien und die übrigen Nato-Allierten in der EFTA durch einen Beitritt zur EWG deren politische Zielsetzung unterschreiben. Dies muss zwangsläufig die zeitliche Staffelung künftiger Verhandlungen mit der EWG in dem Sinne bestimmen, dass es zunächst gilt, Grossbritannien und seine Nato-Allierten in die EWG einzuführen und sie an deren politische Fernziele zu binden. Erst wenn dies geglückt ist, können die Beziehungen zwischen der EWG und den neutralen EFTA-Mitgliedern geregelt werden.»
Ball liess durchblicken, dass eine Freihandelszone für ganz Westeuropa – ohne politische Ausrichtung – von den USA nicht geduldet würde. Bundespräsident Wahlen kommentierte den Besuch aus Washington wie folgt: «Die USA unterstützen die Zielsetzung der EWG und erstreben die Schaffung der Vereinigten Staaten von Europa. Wer sich dieser Zielsetzung verschliesst, kann nicht mit der Sympathie Washingtons rechnen.»
Albert Weitnauer hatte bereits ein Jahr zuvor am Ministertag davon gesprochen, dass eine grosse Freihandelszone für Westeuropa nicht möglich sei, und er nannte auch den Grund dafür: «In erster Linie wäre erforderlich, dass die amerikanische Regierung ihr Veto gegen einen wirtschaftlichen Zusammenschluss des OEEC-Raumes zurückzieht.» (dodis.ch/15113) US-Präsident Eisenhower, Vorgänger von Kennedy, hatte ebenfalls darauf hingewirkt, die EWG im Sinne der USA politisch auszurichten.

«Jean Monnet/USA-Konzept»

An einer späteren Botschafterkonferenz erklärte Albert Weitnauer die amerikanische Haltung: Er sprach vom «Jean Monnet/USA-Konzept». Folgen wir seinen Ausführungen:
«Ohne Altbekanntes wiederholen zu wollen, darf ich daran erinnern, dass sich in dieser amerikanischen politischen Planung zwei Grundtendenzen miteinander verbinden und gegenseitig ergänzen. Die eine dieser Tendenzen ist der an sich begreifliche Wunsch der amerikanischen Regierung, die Verteidigung dessen, was man sich gewöhnt hat die «westliche Welt» zu nennen, in möglichst zweckmässiger Weise auf der Grundlage gemeinsamer Anstrengungen zu organisieren, ohne die amerikanische Führerschaft aus der Hand zu geben; dies ist der Ursprung des Nordatlantikpaktes, der Nato. Die zweite Tendenz bezieht ihr Gedankengut und ihre politischen Energien aus dem Projekt der Begründung eines neuen europäischen Bundesstaates, der «Vereinigten Staaten von Europa», das nach dem Muster der «Vereinigten Staaten von Amerika» […] der Vielstaaterei des alten Kontinents ein Ende bereiten soll. […] Nicht zuletzt deshalb war grosser Wert darauf gelegt worden, im Vertrag von Rom der EWG eine supranationale Behördenorganisation zu geben.» Weitnauer führte weiter aus, dass das wirtschaftlich-­politische Konzept, das die USA für die EWG vorsah, nicht auf sechs Mitglieder beschränkt bleiben, sondern im Gegenteil ganz West-Europa und später einmal ganz Europa umfassen sollte. (dodis.ch/30835)

Verhandlungskonzept der EWG mit den EFTA-Ländern

Paul Jolles, Leiter des Integrationsbüros in der Schweiz, informierte die aussenpolitischen Kommissionen des National- und Ständerates im Herbst 1962 über den Ablauf der Verhandlungen, die alle sieben EFTA-Länder an die EWG anbinden sollten:
1. Grossbritannien als Nato-Mitglied sollte als erstes Beitrittsverhandlungen führen. Diese wurden als «prioritär» angesehen und waren bereits im Gange.
2. Dänemark und Norwegen sollten zu einem späteren Zeitpunkt ebenfalls Beitrittsverhandlungen führen. Danach sollte Portugal folgen, nachdem es den Konflikt in Angola beigelegt hatte. Diese drei Länder sind ebenfalls Nato-Mitglieder.
3. Die drei neutralen Staaten Schweiz, Österreich und Schweden sollten mit der EWG einen Assoziationsvertrag aushandeln. (dodis.ch/30279)
Es ergab sich die paradoxe Situation, dass die EFTA noch kaum gegründet bereits wieder aufgelöst werden sollte – und zwar nach den «Regieanweisungen» der USA.

Hans Schaffner bei de Gaulle: Für ein Europa der Vaterländer

Bundesrat Hans Schaffner suchte den Kontakt zum damalig starken Mann der EWG, General Charles de Gaulle, und traf ihn am 17. November 1961 in Paris. Er erklärte ihm die Lage der Schweiz als neutrales Land und stiess auf volles Verständnis. In den nachfolgenden Zitaten wird klar, wie sich de Gaulle die Zukunft Europas vorstellte: als ein freies Zusammenspiel souveräner Nationen, unabhängig von einer amerikanischen Hegemonialmacht. Schaffner berichtete dem Gesamtbundesrat in einem Gesprächsprotokoll:
Schaffner leitete den Bericht mit folgender Vorbemerkung ein: «Präsident de Gaulle macht wohl den Eindruck einer sehr selbstbewussten Persönlichkeit, ohne aber irgendwie in den Ausdrucksformen eine Überlegenheit zu manifestieren. Im Gegenteil, er strömt eine Atmosphäre der Gastlichkeit aus und weiss sehr gut zuzuhören.»
Bundesrat Schaffner und General de Gaulle unterhielten sich ganz allgemein über die Fragen der europäischen Integration. Danach erklärte Hans Schaffner dem französischen Staatspräsidenten, dass das Schweizer Staatsverständnis unvereinbar sei mit ihrer Eingliederung in eine supranationale Einrichtung.
Hans Schaffner: «Wir können in unserer Referendumsdemokratie nicht Befugnisse an eine weitere Gemeinschaft abtreten, die dem Volk vorbehalten sind, das im vollen Sinn des Wortes der Souverän ist.»
De Gaulle: «Die Integration wird noch manche Schwierigkeiten bringen; so werden die Verhandlungen mit England sehr lang und sehr schwierig sein. Frankreich begreift Ihren Wunsch nach einer Form der Verständigung, die nicht leicht zu finden sein wird. Sie dürfen aber versichert sein, dass Ihnen von seiten Frankreichs keine Schwierigkeiten in den Weg gelegt werden.» (dodis.ch/30270)
An einer späteren Botschafterkonferenz (am 29.8.1963) erklärte Bundesrat Hans Schaffner das Europa-Konzept von General de Gaulle wie folgt: «Der französische Staatschef teilt mit den Europaideologen der EWG den Wunsch und das Bestreben, den europäischen Kontinent vom Objekt wieder zu einem selbstbewussten Subjekt der Weltpolitik zu machen. Weiter geht aber die Übereinstimmung nicht. Der General lehnt die ganze Brüsseler Integrationsphilosophie rundweg ab. Grundlage der Einigung Europas soll nicht die Abtretung nationaler Souveränitätsrechte an überstaatliche Behörden sein, sondern vielmehr die Bewahrung und Kräftigung der bestehenden Nationalstaaten. Auch er will den europäischen Zusammenschluss, aber in Form einer Allianz zwischen souveränen Regierungen […]. Auch er beteuert die Notwendigkeit des Fortbestehens der Partnerschaft zwischen Europa und den Vereinigten Staaten von Amerika. Den Amerikanern soll nicht nur der Form, sondern auch der Sache nach ein gleichberechtigtes Europa gegenüberstehen, nicht «une Europe intégrée, donc diminiuée» (kein Juniorpartner). (dodis.ch/30358)

Position Deutschlands

Als Beispiel für die starke Ausrichtung des offiziellen Deutschland auf die USA soll hier die Haltung von Professor Walter Hallstein wiedergegeben werden, des ersten Kommissionspräsidenten der EWG, der sich deutlich an der US-amerikanischen Politik orientierte. Hans Schaffner zitiert ihn, als Hallstein sich zu den drei Europa-Organisationen EWG, Euratom und Montanunion äusserte: «Sie alle empfangen ihre letzte Rechtfertigung ja nicht daraus allein, dass sie in ihrem besonderen Zuständigkeitsbereich etwas Nützliches tun. Sie alle sind Teil des Entwicklungsprozesses, an dessen Ende ein in einem umfassenderen Sinn politisch geeinigtes Europa stehen soll, eine Gemeinschaft, die in der Lage ist, in der internationalen Welt geschlossen, planend und handelnd aufzutreten, mit dem Gewicht, das Europa zukommt.» (zitiert von Hans Schaffner im Vortrag «Integration und Welthandel» vom 29.8.1963; dodis.ch/30358)
Der damalige Wirtschaftsminister und spätere Bundeskanzler Ludwig Erhard war dagegen ein Fürsprecher einer grossen Freihandelszone, in der alle westeuropäischen Staaten als souveräne Staaten zusammenarbeiten.
Zum Fundament der deutschen Politik gehört der grosse deutsch-französische Freundschaftsvertrag, den Konrad Adenauer und Charles de Gaulle 1963 abschlossen und der die Grundlage schuf für eine enge, politische Zusammenarbeit bis heute.

Halbherziges Assoziationsgesuch der Schweiz

Im Rahmen der Gesamtstrategie der EFTA-Länder hatte die Schweiz am 15. Dezember 1961 in Brüssel ein Gesuch eingereicht, Assoziationsverhandlungen zu führen. Der Gesamtbundesrat war zwar skeptisch (dodis.ch/30140). Gefahr bestand jedoch, am Schluss allein dazustehen.
Der Bundesrat bereitete sich wie folgt darauf vor:
-    In der Verwaltung wurden 14 Arbeitsgruppen gebildet, die die einzelnen Dossiers vorbereiteten.
-    Die Bundesräte Schaffner und Wahlen richteten eine Koordinationsstelle ein, das sogenannte «Integrationsbüro» (das es heute noch gibt), um «bei der Bearbeitung der so komplexen und schicksalsschweren Fragen eine bis ins letzte gehende Koordination der verschiedenen Abteilungen und Dienstwege zu erzielen.» Paul Jolles wurde die Leitung übertragen. (Bericht von Bundesrat Wahlen an der Botschafterkonferenz vom 25.1.1962; dodis.ch/30170)
-    Der Bundesrat hatte Bedenken, dass ein Abkommen die innerstaatlichen Strukturen und die Referendumsdemokratie der Schweiz aushöhlen könnte. Am 24. September 1962 übergab er dem EWG-Ministerrat eine umfangreiche Erklärung, die die Verantwortlichen mit den wirtschaftlichen Strukturen und politischen Abläufen der Schweiz vertraut machen sollte. Das Dokument enthielt Kernsätze wie:
«In den mit der Gemeinschaft zu treffenden Vereinbarungen muss jedoch die Schweiz ihre Neutralität, die der Schutz ihrer Unabhängigkeit ist, und ihre innerstaatliche Struktur des Föderalismus und der direkten Demokratie wahren.» Ein Assoziationsabkommen müsse paritätisch zusammengesetzte Organe vorsehen und kündbar sein, und es dürfe die rechtliche Souveränität des assoziierten Landes nicht in Frage stellen. So dürften der Schweiz nicht ohne ihre Zustimmung neue Verpflichtungen auferlegt werden. (dodis.ch/30371).
Das Gesprächsangebot brachte zum Ausdruck, dass die Schweiz eigentlich gar nicht zur EWG passt. Die EWG bestätigte den Empfang des Schreibens. Zu Verhandlungen kam es nicht.

Paukenschlag von General de Gaulle

Am 14. Januar 1963 beendete der französische Staatspräsident de Gaulle die Beitrittsverhandlungen der EWG mit Grossbritannien. Damit waren auch die Beitrittgesuche von Norwegen und Dänemark vom Tisch. Die Assoziationsbemühungen der drei Neutralen Schweiz, Österreich und Schweden wurden auf Eis gelegt.
De Gaulle hatte mit seinem Veto die Umsetzung des «Jean Monnet/USA-Konzepts» verhindert und die «Regieanweisungen» aus Washington durchkreuzt, die EFTA-Länder nach und nach in die EWG zu «überführen». Dank de Gaulle konnte die EFTA nun mit ihrer eigentlichen Arbeit erst beginnen.

Wie ist die Geschichte weiter verlaufen?

Gelingt es der EFTA, ihr Freihandelskonzept zu verwirklichen und das «europäische Orchester» zum Klingen zu bringen? Oder wird das «Jean Monnet/USA-Konzept» nach dem Tod von General de Gaulle im Jahr 1971 wieder reaktiviert werden? Wie stellte sich das Team um die Bundesräte Hans Schaffner und Friedrich Traugott Wahlen die Zukunft der «Europäischen Integration» vor? Wie ist die erste «Europaabstimmung» in der Schweiz im Jahr 1972 verlaufen?
Wie ist die Situation heute? Welches «Europa-Modell» ist zukunftstauglich? – Dazu mehr in einem weiteren Artikel.     •
1    Siehe Jubiläumsbuch EFTA 1960–2010, Elements of 50 Years of European History, EFTA Genf 2010
2    Jubiläumsbuch EFTA 1960–2010, S. 46, EFTA Genf 2010
3    René Bondt, Der Minister aus dem Bauernhaus, Handelsdiplomat Jean Hotz und seine turbulente Zeit, Zürich 2010
4    Daniel Trachsler, Bundesrat Max Petitpierre, Schweizerische Aussenpolitik im Kalten Krieg, Zürich 2011

Bundesrat Schaffner und General de Gaulle zur Frage der europäischen Integration

Hans Schaffner: «Wir können in unserer Referendumsdemokratie nicht Befugnisse an eine weitere Gemeinschaft abtreten, die dem Volk vorbehalten sind, das im vollen Sinn des Wortes der Souverän ist. […]
Der General lehnt die ganze Brüsseler Integrationsphilosophie rundweg ab. Grundlage der Einigung Europas soll nicht die Abtretung nationaler Souveränitätsrechte an überstaatliche Behörden sein, sondern vielmehr die Bewahrung und Kräftigung der bestehenden Nationalstaaten. Auch er will den europäischen Zusammenschluss, aber in Form einer Allianz zwischen souveränen Regierungen […]. Auch er beteuert die Notwendigkeit des Fortbestehens der Partnerschaft zwischen Europa und den Vereinigten Staaten von Amerika. Den Amerikanern soll nicht nur der Form, sondern auch der Sache nach ein gleichberechtigtes Europa gegenüberstehen, nicht ‹une Europe intégrée, donc diminiuée› (kein Juniorpartner).»
(Zeit-Fragen)

Das «europäische Orchester» wieder zum Klingen bringen

Europäische Integration (Teil 3)

Die «Methode Schaffner» als ein Schlüssel zum Verständnis des Erfolgs der Schweiz

von Dr. rer. publ. Werner Wüthrich
In Teil 1 dieser Artikelfolge haben wir die «Methode Monnet» als Schlüssel zum Verständnis der Euro-Krise erkannt (Zeit-Fragen Nr. 50 vom 12.12.2011). In Teil 2 haben wir zwei unterschiedliche Vorstellungen kennengelernt, wie «Europäische Integration» aussehen könnte – auf der einen Seite das Konzept der EWG und heutigen EU und auf der andern Seite die EFTA, die europäische Freihandelsassoziation (Zeit-Fragen Nr. 3 vom 17.1.2012). Wir haben die ­Politiker kennengelernt, die dem «Modell» EFTA zum Durchbruch verhelfen wollten. In der Schweiz waren dies vor allem die beiden Bundesräte Hans Schaffner und Friedrich Traugott Wahlen, die mit ihren engsten Mitarbeitern Albert Weitnauer und Paul Jolles das «Europa-Dossier» betreuten. In der Auseinandersetzung um die beiden unterschiedlichen Konzepte fehlte es nicht an Eklats verschiedenster Art. So war die Tinte auf dem EFTA-Vertrag von 1960 noch kaum getrocknet, als Grossbritannien zur EWG hinüber wechseln wollte und die andern EFTA-Länder sich halbherzig anschickten, im Kielwasser der Grossmacht zu folgen. Heute zeigen die Dokumente, dass die US-Regierung im Hintergrund die Fäden zog. Der französische Präsident Charles de Gaulle durchkreuzte den Plan, als er am 14. Januar 1963 die Beitrittsverhandlungen von Grossbritannien mit einem «Paukenschlag» beendete. – Erst jetzt konnte die EFTA mit ihrer eigentlichen Arbeit beginnen.
Nicht nur in Europa war ein Ringen um den «richtigen» Weg der wirtschaftlichen Integration zu beobachten. Ein weiterer Schauplatz waren die Verhandlungen im GATT. Auch hier gab es verschiedene Vorstellungen, wie das Wirtschaftsleben zwischen den Ländern – weltweit – besser zu vernetzen sei. Auch hier arbeitete Hans Schaffner mit seinen Mitarbeitern an vorderster Front – waren doch 45 Prozent der Exporte der Schweiz für aussereuropäische Länder bestimmt. Auch hier kam es zu einer ähnlich paradoxen Situation wie oben geschildert. Bundesrat Hans Schaffner leitete die sogenannte Kennedy-Runde1die wichtigste Verhandlungsrunde des GATT nach dem Zweiten Weltkrieg, obwohl die Schweiz gar nicht Mitglied des GATT war. Wie kam es zu dieser merkwürdigen Situation?

General Agreement on Tarifs and Trade (GATT)

1947 gründeten 23 Länder das GATT mit dem Ziel, weltweit die hohen Zölle und Handelsschranken schrittweise abzubauen. Die USA zum Beispiel verlangten damals für Schweizer Uhren einen Zoll von 60 Prozent. Zu den Gründungsmitgliedern gehörten die hoch entwickelten Industrieländer des Westens, Agrarländer wie Australien und Brasilien, Entwicklungsländer und einige wenige kommunistische Länder. Alle Mitglieder hatten gleiche Rechte und jedes Land hatte eine Stimme. Die Verträge konnten nur geändert werden, wenn alle zustimmten.
Die Schweiz exportierte in der Nachkriegszeit – ähnlich wie heute – etwa vierzig Prozent ihrer Produkte und Dienstleistungen ins Ausland und war interessiert beizutreten. Dazu kam es nicht. 1947 hatten die Stimmbürger den neuen Wirtschaftsartikeln in der Bundesverfassung zugestimmt. Diese beauftragten den Bund, Massnahmen zu ergreifen zum Schutz eines gesunden Bauernstandes und einer leistungsfähigen Landwirtschaft (Art. 31 bis Abs. 3 BV). Das Landwirtschaftsgesetz von 1951 schützte die Existenz der einheimischen Bauern mit Zöllen und Kontingenten. Ein Beitritt war deshalb nicht möglich. Es war die Aufgabe von Hans Schaffner, damals Direktor derHandelsabteilung, die Zustimmung für eine Ausnahmeregelung zu bekommen. 1958 stand er kurz vor seinem Ziel. Fast alle Mitglieder des GATT waren einverstanden, die Schweiz mit einer Sonderregelung aufzunehmen. Fast alle – die Agrarländer Australien und Neuseeland legten das Veto ein –, und die Schweiz wurde nur als provisorisches Mitglied ohne Stimmrecht aufgenommen.
Das hinderte Hans Schaffner nicht, aktiv mitzuarbeiten. So leitete er vom 16. bis 21. Mai 1963 die Ministerkonferenz des GATT, die das Regelwerk für die sogenannte Kennedy-Runde aufstellte. Es gelang ihm, den Generaldirektor des GATT zu gewinnen, den Vollbeitritt der Schweiz mit einer Sonderregelung zu unterstützen. Am 1. April 1966 war es soweit: Alle Mitglieder des GATT stimmten zu. Hans Schaffner beschrieb diese Situation im Bundesblatt, dem Amtsblatt der Schweiz, wie folgt: «Wenn unsere Partner sich dazu bereit fanden, so geschah es zum Teil darum, weil sie einem Land von der Statur der Schweiz trotz ihrer fest gefügten Sonderart, die in kein Schema passt, den Weg zum GATT nicht versperren wollten. […] In diesem Sinn ist die Freiheit, die der Schweiz für die Fortführung ihrer Agrarpolitik eingeräumt wurde, nicht unbeschränkt. Die Schranken ergeben sich aus der Tatsache, dass unser Land keine isolierte Existenz führt, sondern mit seiner wirtschaftlichen Umwelt aufs engste verbunden ist.» (Bundesblatt 1966, S. 713)
Einige Monate später schilderte Albert Weitnauer, Leiter der Schweizer Verhandlungsdelegation, an der Botschafterkonferenz die Ereignisse im GATT noch genauer: «Das General Agreement wird in seinem Wortlaut von sozusagen niemandem voll eingehalten. In der Gewährung von Ausnahmen oder Dispensen von der Verpflichtung des GATT ist die Organisation stets nach dem Grundsatz vorgegangen, desto strenger zu sein, je stärker das betreffende Land wirtschaftlich ist. Die Entwicklungsländer geniessen ein Sonderstatut, das sie der Respektierung fast aller Vorschriften des GATT enthebt. Die hochentwickelten Länder auf der andern Seite, deren Zahlungsbilanz in Ordnung ist, haben grosse Mühe, vom GATT Dispense von ihren Verpflichtungen nach dem Accord général zugestanden zu erhalten. Wir konnten es unter diesen Umständen als Erfolg unserer Handelspolitik verbuchen, dass es uns gelang, nachdem wir uns während mehr als sieben Jahren mit dem Status eines provisorischen Mitglieds hatten begnügen müssen, durch einen Beschluss der GATT-Vertragsparteien vom 1. April dieses Jahres als Vollmitglied der Organisation aufgenommen zu werden, obwohl die schweizerische Landwirtschaftspolitik mit ihren vielfältigen Einfuhrbeschränkungen mit dem GATT-Statut keineswegs vereinbar ist.» (Botschafterkonferenz vom 1. September 1966, www.dodis.ch/30835)
Hans Schaffner und Friedich Traugott Wahlen hatten im GATT die Überzeugung vertreten, dass die Grundsätze des Freihandels nicht 1:1 auf die Landwirtschaft übertragen werden könnten, weil die Unterschiede zwischen den einzelnen Ländern zu gross seien und die Selbstversorgung für viele Länder existentielle Bedeutung habe könne. Die Schweiz hatte dies im Zweiten Weltkrieg hautnah erlebt. Diese Überzeugung war bereits in die Statuten der EFTA eingeflossen. Die Geschichte sollte dieser Politik Recht geben. In Wirklichkeit wurde auch im GATT der Freihandel im Bereich der Landwirtschaft nie richtig durchgeführt. Daran hat sich auch heute nichts geändert. Die WTO als Nachfolgeorganisation des GATT hat in der Doha-Runde elf Jahre lang versucht, die Regeln des globalen Freihandels auf die Landwirtschaft zu übertragen, und ist daran gescheitert. Die EFTA hält seit 1960 daran fest, die Landwirtschaftspolitik den einzelnen Mitgliedsländern zu überlassen.
Kehren wir zurück zur «Europäischen Integration». Auch in diesem Bereich hatten Hans Schaffner und seine Mitarbeiter mit ihrer Politik Erfolg. Es fällt auf, wie gewandt sie sich auf dem internationalen Parkett bewegten und das politische Geschehen als Vertreter eines neutralen Kleinstaates aktiv mitgestalteten (obwohl oder gerade weil die Schweiz damals nicht Mitglied der Uno war).
Freihandelsvertrag von 1972
Nach dem Veto des französischen Staatspräsidenten de Gaulle nahmen die sieben EFTA-Länder ihren ursprünglichen Plan wieder auf, eine grosse Freihandelszone zu schaffen, die sowohl die Länder der Europäischen Gemeinschaft wie auch der EFTA als gleichberechtigte Teilnehmer umfasste – ein Projekt, das die USA in den 1950er Jahren noch verhindert hatten. Hans Schaffner trat 1969 aus gesundheitlichen Gründen als Bundesrat zurück. Es war ihm in den letzten Jahren seiner Regierungstätigkeit noch gelungen, das Vertragswerk der EFTA zu festigen. Paul Jolles, Leiter desIntegrationsbüros, war massgebend beteiligt, als 1972 der geplante Freihandelsvertrag zwischen der EG und den EFTA-Ländern abgeschlossen wurde.
Für Hans Schaffner und seine Mitarbeiter hatte der Vertrag auch eine persönliche Bedeutung: Eine relativ kleine Gruppe von Personen aus dem Bundesrat und der Verwaltung führte damals die Verhandlungen zur Europapolitik. Es war für sie deshalb eine grosse Genugtuung, als die Schweizer Stimmbürger dieser Politik zustimmten und den Freihandelsvertrag mit einem überwältigenden Mehr von 72,5 Prozent Ja-Stimmen und mit allen Ständestimmen annahmen.
Die EG und die EFTA erlebten in der Folgezeit ihre besten Jahre. Der grosse Freihandelsvertrag von 1972 wurde in den nächsten Jahren ergänzt durch zahlreiche weitere Verträge aus dem Dienstleistungsbereich – zum Beispiel mit dem grossen Versicherungsvertrag von 1989. Die Landwirtschaft blieb den einzelnen Ländern überlassen. Das Projekt, die Länder Westeuropas wirtschaftlich zu integrieren, hatte sein Ziel weitgehend erreicht. Die Vermutung aus dem Jahr 1960, Brüssel werde nun beginnen, seine Bürokratie wieder abzubauen, bewahrheitete sich allerdings nicht – ganz im Gegenteil. Es sollte ganz anders kommen.
Neuauflage des «Jean Monnet/USA-Konzepts»
Als Charles de Gaulle 1971 starb, wurde das Jean Monnet/USA-Konzept, wie es Albert Weitnauer bezeichnet hatte, wieder reaktiviert. Damit ist gemeint, dass die EFTA-Länder aus politischen Gründen – nach Anweisung der USA – nach und nach in die EWG zu integrieren seien. Im Jahr 1973 verliessen die beiden Nato-Mitglieder Grossbritannien und Dänemark die EFTA und wechselten – wie bereits 1960 geplant – zur Europäischen Gemeinschaft EG. 1995 folgten auch die beiden Neutralen Schweden und Österreich. Das Nato-Mitglied Norwegen trat zwar nicht wie geplant bei. Die Stimmbürger hatten diesen Schritt abgelehnt. Es beteiligte sich jedoch am EWR, der die automatische Übernahme von EU-Recht und eine enge Anbindung an die EU vorsah – ein Schritt, den die Stimmbürger in der Schweiz 1992 ablehnten.
Die Schweiz war deshalb Mitte der 1990er Jahre noch das letzte Gründungsmitglied der EFTA, das dem Jean Monnet/USA-Konzept nicht gefolgt war und am ursprünglichen Weg       festhielt, als souveränes Land auf eine freiheitliche Art mit Gleichgesinnten zu kooperieren. – Es dürfte kein Zufall gewesen sein, dass die Schweiz kurze Zeit später massiv aus den USA angegriffen wurde. Jüdische Kreise bezichtigten das Land mit einer gut orchestrierten Kampagne – tatsachenwidrig – der Kumpanei mit Hitler im Zweiten Weltkrieg. Dieser Angriff kam den «Monnet-Netzwerken» in den Schweizer Medien und unter den Politikern der Schweiz nicht ganz «ungelegen», bot er ihnen doch die Chance, das Gefühl der Eigenständigkeit und das Selbstbewusstsein der Schweizer Bürger zu untergraben, um so den Weg für einen Beitritt zu ebnen. – Funktioniert hat es nicht. Die Enttäuschung dieser Kreise dürfte gross gewesen sein, als die Stimmbürger im Jahr 2001 die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit 76 Prozent der Stimmen ablehnten – mit ungefähr dem gleichen Prozentsatz, mit dem sie 30 Jahre zuvor der grossen europäischen Freihandelszone zugestimmt hatten, die die EFTA- und die EG-Länder als gleichberechtigte Teilnehmer umfasste. – Beitrittsverhandlungen würden heute wahrscheinlich noch weit deutlicher abgelehnt werden.
Monnet-Manie
Wie oben bereits erwähnt, erlebten die Europäische Gemeinschaft und die EFTA in den Jahren nach dem Abschluss des grossen Freihandelsvertrages von 1972 ihre besten Jahre. Die offizielle Geschichtsschreibung der EU, die der Monnet-Doktrin folgt, sieht dies allerdings anders. Hier ist die Rede von 25 Jahren Euro-Skeptizismus («Euro-Sklerose»), die mit der Wahl von de Gaulle zum französischen Staatpräsidenten im Jahr 1958 begonnen habe. Erst der französische SozialistJacques Delors, der 1985 zum Kommissionspräsidenten ernannt wurde, habe die Gemeinschaft aus der «tiefen Krise» geführt. So steht es heute bei Wikipedia.
Delors baute die ausufernde Bürokratie nicht – wie erwartet – ab, sondern massiv aus. Im Juni 1989 legte er einen 3-Stufen-Plan zur Errichtung der Wirtschafts- und Währungsunion vor und stellte die Weichen zum Schlamassel, in dem wir heute stecken. Das Geld spielte in dieser Politik bereits früher eine grosse Rolle: Im Verlaufe der Jahrzehnte wurden – gut gemeint – insgesamt Billionen über die verschiedenen Strukturfonds und später den Kohäsionsfonds in die südlichen Länder geleitet, um «den Unternehmergeist zu stärken», wie es in den offiziellen Programmen so schön heisst. Heute wissen wir, dass das viele Geld sein Ziel nicht erreicht hat. Es hat im Gegenteil – wie wir heute sehen – die Eigenständigkeit und die Eigenverantwortung dieser Länder eher geschwächt. Ob die Gelder, die im Rahmen des EFSF und des ESM wieder in diese Länder fliessen werden, mehr Erfolg haben werden, ist zu bezweifeln.
Wir kennen alle die Entwicklungsetappen der letzten Jahre: der Vertrag von Maastricht, der EWR, die Einführung des Euro, die Verträge von Schengen und von Lissabon, die «Bilateralen Verträge I und II» mit der Schweiz, das Projekt der Fiskal- und Wirtschaftsunion, der EFSF und ESM – lauter Schritte in Richtung einer immer engeren politischen Union, wie dies bereits in der Präambel der Römischen Verträge von 1957 vorgesehen war. Aus den heute vorliegenden Dokumenten wissen wir, dass diese Entwicklung einer politischen Strategie folgt, die letztlich aus den USA stammt und ihre Begründung im kalten Krieg hat.
Jean Monnet erlebte – nach Jahren der Zurücksetzung in der Zeit de Gaulles (von 1958 bis 1969) – seine «goldenen» Jahre. Sein «Geist» und seine Netzwerke eroberten die Redaktionsstuben der meisten Medien, viele Parteizentralen, Regierungen und auch die Universitäten – auch in der Schweiz. So gibt es heute an den europäischen Universitäten etwa 200 Jean-Monnet-Lehrstühle. Die meisten Medien haben ihre Berichterstattung seit vielen Jahren einseitig ausgerichtet. Als Jean Monnet im Jahr 1979 starb, liess François Mitterand seinen Leichnam ins Panthéon überführen, wo er heute neben den Grössen der französischen Politik und des Geisteslebens ruht. Die Stiftung «Jean Monnet pour l’Europe» verleiht jedes Jahr eine Ehrenmedaille. Zu den Preisträgern gehören neben Jacques Delors und Helmut Kohl auch Mitglieder der Schweizer Regierung wie die Bundesräte Adolf Ogi und René Felber. Jakob Kellenberger, vor wenigen Jahren Verhandlungsführer der «Bilateralen I,» ist heute Vizepräsident der Stiftung «Jean-Monnet pour l’Europe».
Geringschätzung von wahrer Grösse
Hans Schaffner und seine Mitarbeiter, die das Gesicht der modernen Schweiz so stark geprägt hatten, gerieten dagegen mehr und mehr in Vergessenheit, oder die Erinnerung an ihre Politik wurde bewusst beiseite geschoben. Seine Partei, die FDP, änderte ihr Gesicht und hat heute Mühe, ihr Profil zu finden. Nach der EWR-Abstimmung nahm sie den EU-Beitritt ins Parteiprogramm auf (und strich ihn vor kurzem wieder heraus). Der heute für die Aussenpolitik zuständige Bundesrat Didier Burkhalter trat damals der Nebs bei (und später wieder aus). Der Zweck der «Neuen europäischen Bewegung Schweiz Nebs» ist der EU-Beitritt. Die Partei verlor seit ihrer «Neuorientierung» in den 90er Jahren etwa einen Viertel ihrer Wählerstimmen.
Um ihren Bundesrat Hans Schaffner wurde es still. Heute gibt es nicht einmal eine Biographie über ihn. In seinen letzten Lebensjahren wurde Hans Schaffner sogar aktiv übergangen. Die Historiker der sogenannten «Bergier-Kommission», die die Ereignisse des Zweiten Weltkriegs genauer aufarbeiten sollten, vermieden es, ihn als den damaligen Leiter der Eidgenössischen Zentrale für Kriegswirtschaftüberhaupt zu konsultieren. Vermutlich befürchteten sie, wie alt Staatssekretär Franz Blankart später in seinem Nachruf auf Hans Schaffner schrieb, «dass ihre Vorurteile durch sein Urteil widerlegt worden wären». («NZZ» vom 30.11.2004) Es gehörte nicht zur Art von Hans Schaffner zu resignieren, sondern er wurde – wie schon so oft – aktiv und reiste im Alter von 93 Jahren in die Höhle des Löwen nach New York. Er brachte seine Empörung über die deplazierten Angriffe in einem Artikel in der «New York Times» zum Ausdruck. Zeit-Fragen hat den Artikel übersetzt und ihn mit dem Titel «Die Wahrheit über die Schweiz» abgedruckt. (Zeit-Fragen Nr. 33 vom 12.8.2002) Die ersten Zeilen sollen einen Eindruck vermitteln:
«Erneut ist eine Debatte aufgekommen, welche Massnahmen die Schweiz ergreifen sollte, um die Forderungen der Holocaust-Opfer zu begleichen, deren Eigentum seinen Weg auf Schweizer Banken fand. Die Zahlungen, welche mein Land bis heute zur Verfügung stellte, sind weit herum nicht als ehrenwerter Akt des Mitgefühls, sondern als Ausdruck eines nationalen Schuldbewusstseins dargestellt worden. – Diese Verwirrung ist die Folge von zwei Jahren voller Anschuldigungen, die Schweiz habe während des Zweiten Weltkriegs mit Nazi-Deutschland kollaboriert, indem sie jüdisches Eigentum einbehalten und Flüchtlinge schlecht behandelt habe. Diese Anschuldigungen beruhen auf keinerlei neuen Informationen. Alle wichtigen Einzelheiten sind seit 1946 bekannt. Was neu ist, ist die Flut von Groll gegen die Schweiz und die Ignoranz, die dieser zugrunde liegt. – Da ich die Schweizer Kriegswirtschaft in den bedrohlichen Jahren des Zweiten Weltkriegs leitete, als wir Vorbereitungen gegen einen Angriff der Nazis zu treffen hatten, bin ich entsetzt zu sehen, wie durchweg falsch das Verhalten der Schweiz in der Zeit des Krieges dargestellt wird. Es ist an der Zeit, die Dinge richtigzustellen: […].
Eigenständige Bevölkerung
Die Bevölkerung der Schweiz liess sich von der Monnet-Manie nicht anstecken – trotz der permanenten Berieselung der Medien blieb sie meistens sachlich. Im Jahr 1992 lehnten die Stimmbürger den EWR ab, obwohl das Parlament das erste Mal in der Geschichte des Bundesstaates Steuergelder für eine massive Ja-Propaganda bewilligt hatte. Im Jahr 2001 lehnten sie mit 76 Prozent die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen ab. Die Stimmbürger stimmten den «Bilateralen Verträgen I und II» zu. Diese bilateralen Verträge haben jedoch eine andere Qualität als die früheren. Alt Staatsekretär Franz Blankart, der Verhandlungsführer des EWR, stellte vor kurzem fest: «Die [bilateralen] Verträge mit der EU wurden unter der impliziten Annahme ausgehandelt, dass die Schweiz in absehbarer Zeit Mitglied der EU sein werde, weshalb der gestaltenden Mitwirkung kaum Aufmerksamkeit geschenkt wurde.» (NZZ am Sonntag vom 25.10.2009) – Die Schweiz tut sich schwer, ihren Weg zu finden.
In den meisten Ländern wurden die Stimmbürger zur Europapolitik gar nicht gefragt, oder die Abstimmung wurde wie in neuerer Zeit auch in der Schweiz mit einer riesigen Regierungspropaganda beeinflusst.
Die «Methode Schaffner» als ein Schlüssel zum Verständnis des Erfolgs der Schweiz
Heute sieht manches wieder anders aus. Die EU ist in der Krise. Der Euro funktioniert nicht – und manches andere in der EU auch nicht. Die «Methode Monnet» ist auf dem Prüfstand. Die EFTA – heute mit noch vier Mitgliedern – setzt ihre Freihandelspolitik fort. Sie hat in den letzten Jahren eine Vielzahl von individuell ausgehandelten Freihandelsverträgen mit Staaten auf der ganzen Welt abgeschlossen, die die Besonderheiten der jeweiligen Vertragspartner berücksichtigen. Die Verhandlungen mit China sind vor kurzem abgeschlossen worden. Der Vertrag mit Indien steht vor dem Abschluss. Verhandlungen mit Russland sind im Gange. (Vergleiche auch: «Europa am Scheideweg: Mehr Eigenverantwortung und freiheitliche Zusammenarbeit zwischen souveränen Nationen» in Zeit-Fragen vom 24.10.2011).
Das grosse Netzwerk der Verträge umfasst heute den grössten Teil des Globus. Die EFTA muss deshalb auch den Vergleich mit der WTO nicht scheuen. Die Welthandelsorganisation versucht seit vielen Jahren vergeblich, den Freihandel in ein einheitliches, globales Korsett zu schnüren, das den einzelnen Mitgliedern offensichtlich nicht gerecht wird. Die «Methode Schaffner» dagegen verdient es, zur Kenntnis genommen zu werden. Sie ist heute ein Schlüssel zum Verständnis des Erfolgs der Schweiz.
Globale Herausforderung
Auch im Osten arbeiten die Länder der ASEAN auf eine ähnliche Weise wie die EFTA zusammen – mit Erfolg. Diese Länder steckten 1998 wie heute die EU in einer schweren Krise, die als Asien-Krisein die Geschichte einging. Sie haben es eigenverantwortlich geschafft, ihre ebenfalls riesigen Schuldenberge in den Griff zu bekommen, ohne zweifelhafte Instrumente wie EFSF, ESM oder Euro-Bonds einsetzen zu müssen. Die meisten sind praktisch schuldenfrei und haben in den letzten Jahren Reserven gebildet, um den Herausforderungen der Zukunft gewachsen zu sein. «Europa» wird es sich nicht leisten können, seine Augen davor zu verschliessen.
Wie die Dokumente heute zeigen, ist das «Jean Monnet/USA-Konzept» ein Produkt des kalten Krieges und zu einem erheblichen Teil von den USA fremdbestimmt. Es ist höchste Zeit, dieses Konzept kritisch zu hinterfragen, um den Herausforderungen dieses Jahrhunderts gewachsen zu sein. Der kalte Krieg ist längst Geschichte. Vielleicht braucht die Bevölkerung in der EU ähnlich wie in der DDR vor zwanzig Jahren – eine Art «Mauerfall», um sich von den einengenden Strukturen und der Fremdbestimmung zu befreien.
Oder wie es bei Voltaire oder bei Immanuel Kant so schön heisst: «Aufklärung bedeutet Aufbruch aus der selbstverschuldeten Unmündigkeit.»
Im vierten und letzten Beitrag zum Thema «Europäische Integration» kehren wir wieder zurück ins Jahr 1969. Minister Albert Weitnauer, ein enger Mitarbeiter von Hans Schaffner, versammelte die Schweizer Botschafter am 5. September 1969 zu einer eigentlichen Staatskundelektion zum Thema «Europäische Integration». (dodis.ch/30861) Er warf die Grundsatzfrage auf: Gibt es in Europa genügend staatsbildende Elemente, die es erlauben, auf dem Weg zu den «Vereinigten Staaten von Europa» weiter zu schreiten? Er wies darauf hin, dass das europäische Zusammengehörigkeitsgefühl, der politische Wille der Bevölkerung, das Wirken von Führungspersönlichkeiten und ähnliches als unabdingbare Bausteine vorhanden sein müssten, um so etwas wie einen Bundesstaat aufbauen zu können. Er entwickelte vor 43 Jahren eine in der Politik seltene Weitsicht. Davon mehr im nächsten Artikel.         •
1  Das GATT führte – wie heute ihre Nachfolgeorganisation WTO – in Abständen von einigen Jahren Verhandlungsrunden durch, um ihre Verträge anzupassen und weiterzuentwickeln. Die bekanntesten sind die Kennedy-Runde (1962–1967), die Uruguay-Runde (1986–1994) und heute die Doha-Runde (2001–2011). 

Europäische Integration (Teil 4)

Das «europäische Orchester» wieder zum Klingen bringen

Europäische Integration (Teil 4)

Kleine Staatskundelektion für Europa aus Schweizer Sicht

von Dr. iur. Marianne Wüthrich und Dr. rer. publ. Werner Wüthrich
«Zeit-Fragen» hat sich in den letzten Wochen in drei Beiträgen mit dem Thema «Europäische Integration» auseinandergesetzt. Sie als geschätzte Leserin oder Leser haben die «Methode Monnet» kennengelernt – als Schlüssel zum Verständnis der Euro-Krise (Teil 1 vom 12.12.2011). In den zwei folgenden Artikeln haben Sie zwei grundsätzlich verschiedene Ansätze im geschichtlichen Kontext kennengelernt, die Länder Europas zu organisieren – das Konzept der europäischen Gemeinschaft und das der EFTA, der europäischen Freihandelsassoziation (Teil 2 und 3 vom 17.1. und 30.1.2012). In den folgenden Zeilen geht es um die staatspolitischen Grundsätze dieser beiden Konzepte, von denen das eine eher zentralistisch und das andere freiheitlich ausgerichtet ist. Das Verständnis dieser Grundlagen wird helfen, die drängenden Aufgaben von heute zu bewältigen.
Für den Ausgangspunkt kehren wir zurück ins Jahr 1969. Minister Albert Weitnauer, einer der engsten Mitarbeiter von Bundesrat Hans Schaffner, versammelte die Schweizer Botschafter am 5. September zu einer eigentlichen Staatskundelektion zum Thema «Europäische Integration». Wir stützen uns auch in diesem Artikel wieder auf die Dokumente der Sammlung «Diplomatische Dokumente der Schweiz», die in Zusammenarbeit mit dem Bundesarchiv erstellt wurde und elektronisch abrufbar ist (www.dodis.ch).
Weitnauer stellte den Botschaftern die Grundsatzfrage: Gibt es in Europa genügend staatsbildende Elemente, die es erlaubten, auf dem Weg zu den «Vereinigten Staaten von Europa» voranzuschreiten? – Zu einem funktionierenden Staat gehören ein Staatsvolk, ein Staatsgebiet und eine Staatsgewalt, die aus demokratischen Wahlen hervorgeht und die eine verfassungsmässige Grundlage hat. Weitnauer wies darauf hin, dass das europäische Zusammengehörigkeitsgefühl, der politische Wille, das Wirken von Führungspersönlichkeiten und ähnliches als unabdingbare Bausteine vorhanden sein müssten, um so etwas wie einen Bundesstaat aufbauen zu können. Folgen wir seinen Überlegungen (dodis.ch/30861):

Zusammengehörigkeitsgefühl

Notwendig für die Staatsbildung ist laut Weitnauer das Gefühl der Zusammengehörigkeit, das sich auf eine gemeinsame Sprache, ein gemeinsames historisches Schicksal oder auf eine früher bestehende Eigenstaatlichkeit stützt: «Es besteht in Europa gewiss ein subtiles Gefühl der Zusammengehörigkeit, und es hat immer bestanden. Europa ist ohne Zweifel wenn keine politische, so doch eine geistige und kulturelle Einheit, und es gibt zweifellos so etwas wie ein gemeinsames europäisches Lebensgefühl, trotz der Vielfalt der Einzelausprägungen des europäischen Geistes und seiner kulturellen Schöpfungen. Als elementare Schicksalsgemeinschaft hat sich Europa und gar als im Grunde ein einziges Volk haben sich die Europäer bisher nie empfunden. […] Man hat heute nicht den Eindruck, als fühlten sich die Norweger und die Portugiesen, die Italiener und die Irländer auch nur annähernd im gleichen Grade als Schicksalsgemeinschaft und darüber hinaus als angehörige desselben Volkes, wie z.B. die Amerikaner oder die Russen unter sich. Auch die Tatsache, dass in Brüssel – übrigens in mancher Hinsicht erfolgreich – ein riesiges Werk der Wirtschaftsintegration geschaffen worden ist, hat daran nicht viel geändert.» – Heute können wir uns dieser Einschätzung anschliessen.

Politischer Wille

Ein Staat kann sich – so Weitnauer – bilden, wenn «der konsequente politische Wille – der unentbehrliche und beharrliche Wille – der grossen Mehrheit des Volkes oder der Völker Leben gewinnt, bis der neue Staat Gestalt annimmt». Ein blosses Strohfeuer oder ein gelegentlicher Ausbruch der Begeisterung genüge nicht.
Dazu ist folgendes zu sagen: Der politische Wille ist nur mit Volksabstimmungen und in Wahlen feststellbar, die in der EU nicht oder nur ausnahmsweise stattfinden. Es genügt nicht, wenn EU-Politiker davon sprechen, dass die «Europäer» dies oder jenes wollten. Es genügt nicht, dass in denRömischen Verträgen von 1957 steht, die Verträge würden abgeschlossen, um die Grundlagen zu legen für eine immer engere politische Union («déterminés à établir les fondements d’une union sans cesse plus étroite entre les peuples européens»). Die Bevölkerung in den beteiligten Ländern hat nie darüber abgestimmt.
Heute wird die EU gelegentlich mit der Gründung des schweizerischen Bundesstaates im Jahr 1848 verglichen. Dieser Vergleich ist fehl am Platz. Damals hat die Bevölkerung in allen Kantonen abgestimmt. Die wenigen Kantone, die nicht zugestimmt haben, muss­ten gewonnen werden, mitzumachen. Das geschah zum Beispiel, indem kleine Kantone im Ständerat gleich viele Sitze erhielten wie die grossen.

Führungspersönlichkeiten

Politiker mit einem gewissen Format könnten – so Weitnauer – integrierend wirken. So hätten zum Beispiel der Staatsmann ­Camillo ­Cavour und der Freiheitskämpfer und Volksheld Giuseppe Garibaldibei der Einigung von Italien im 19. Jahrhundert eine zentrale Rolle gespielt. Das gleiche liesse sich von Otto von Bismarck sagen bei der Einigung von Deutschland. «Aber heute gibt es den dominierenden Staatsmann nicht, der in der Lage ist, die Vereinigten Staaten aus der Taufe zu heben, und es hat ihn seit den Römer Verträgen nicht gegeben.» Daran hat sich bis in unsere Zeit nichts geändert.
Äussere Bedrohung
Kriege oder mögliche Kriege könnten staatsbildend wirken, indem sie auf die Völker Druck ausüben, sich enger zusammenzuschliessen. Der kalte Krieg – so Weitnauer – sei Pate gestanden für die Gründung der EWG und die Einrichtung ihrer zentralistischen und supranationalen Strukturen. Dieses Element sei jedoch nicht von Dauer und in Europa bei weitem nicht stark genug, um wirklich staatsbildend zu sein. Zudem war die Gründung der EWG im Jahr 1957 ein Entscheid der Politiker.
Fazit: Alle von Weitnauer als notwendig erachteten Voraussetzungen für eine Staatsbildung sind nicht gegeben.

Auswirkung der 68er Bewegung

Minister Albert Weitnauer nahm in seinen Ausführungen auch Bezug auf die 68er Unruhen und stellte folgendes fest: «Die moderne Jugend ist geschichtslos, in einem viel höheren Grade, als es die jungen Leute sonst zu sein pflegen. Sie glauben, den grossen Zeitproblemen voraussetzungslos gegenüberzutreten, und sie behaupten, sich nicht um Landesgrenzen und nationale Verschiedenheiten zu kümmern. Die Menschheit als solches ist Zweck und Ziel ihres Denkens. Warum sollte nicht – so würde die These lauten – diese Jugend, wenn sie einmal zu Amt und Verantwortung gelangt ist, unterstützt durch die Triumphe der Technik und die Schrumpfung aller Distanzen, ‹tabula rasa› mit allen scheinbaren Hindernissen des europäischen Zusammenschlusses machen und – sozusagen spielend – das erreichen, was in der jahrtausendalten Geschichte unseres Kontinentes nie gelungen ist?» – Weitnauer betonte, dass er nicht an diese These glaube, «weil die menschliche Natur gewisse Konstanten aufweist und oft gerade die wildesten Hitzköpfe mit wachsendem Alter zu den konservativsten Elementen der Gesellschaft werden.»
Die Geschichtslosigkeit, die Weitnauer damals beklagt, zeigt sich in neuerer Zeit in den Schulen, wo Schweizer Geschichte gar nicht mehr oder immer weniger unterrichtet wird. 1973 wurde der Lehrstuhl für Schweizer Geschichte an der Universität Zürich abgeschafft. Das hat Folgen: Wem geschichtliches Denken fehlt, der ist nicht fähig, Gesellschaften menschengerecht einzurichten.

Erstaunlicher Weitblick

Es werde von grösstem Interesse sein – führte Weitnauer im Jahr 1969 aus –, in den nächsten Jahren zu verfolgen, ob die Europäische Gemeinschaft von der Zoll- zur Wirtschaftsunion vordringen werde. Sollte dies geschehen, würde die nationalstaatliche Souveränität der Länder viel drastischer beschnitten werden müssen. Der neuralgische Punkt sei die Finanz- und insbesondere Fiskalpolitik. Es werde kritisch werden, sobald die Mitgliedstaaten Entscheidungskompetenz im finanziellen Bereich an die Kommission übertragen. Dasselbe gelte für eine «koordinierte Wirtschaftspolitik» und eine «gemeinsame Währungspolitik». Weitnauer: «Hier liegt der Prüfstein, ob es der Technokratie gelingen kann, staatsbildend zu wirken, und ob sie ein Ersatz ist für den nicht vorhandenen europäischen Patriotismus und das europäische Vaterlandsbewusstsein und all die hohen Gefühle […], die sie im Menschen zu wecken und wach zu halten vermögen.»
Heute – 42 Jahre später – befindet sich die EU genau an diesem Punkt. Die EU will eine Art Wirtschaftsregierung einrichten, beschliesst eine Fiskalunion und diskutiert über einen EU-Haushaltskommissar, der im Krisenfall direkt in den Finanzhaushalt der Mitgliedländer eingreifen kann.
Wie wir heute sehen, ist es nicht wirklich gelungen, staatsbildend zu wirken, wie der Schweizer Albert Weitnauer 1969 mit erstaunlichem Weitblick aufgezeigt hat. Und zwar weil es nicht möglich ist, über ein bürokratisches Konstrukt völkerverbindendes Bewusstsein zu erzeugen. Ein stures Weiterschreiten auf diesem Weg ändert daran nichts, sondern es erzeugt im Gegenteil unberechenbare Gefahren.

Wirtschaft und Politik müssen getrennt werden

Folgen wir den weiteren Überlegungen von Albert Weitnauer: «Europa braucht gewisse, gerade auf politischem Gebiet intensive Zusammenarbeit, grösseres gegenseitiges Vertrauen, mehr Einigkeit.» Es gebe jedoch kein Entrinnen vor der Gretchenfrage, ob der Wille zur politischen Integration vorhanden sei oder nicht.
Bei so weitgehender Abtretung nationalstaatlicher Souveränität, wie sie heute in der EU im Gange ist, kann der politische Wille notwendigerweise in allen Ländern nur durch Volksabstimmung festgestellt werden.
Weitnauer bezweifelte mit Recht, ob wirtschaftliche Projekte mit ungewissem Ausgang – wie zum Beispiel eine Wirtschafts- und Währungsunion – staatsbildend sein könnten. Bevölkerung und Politik würden sich nicht überlisten lassen. Bundesrat Hans Schaffner hatte bereits in einer früheren Botschafterkonferenz darauf hingewiesen, dass eine solche «Überlistung» ein «ausserordentlich umwegreicher und schwieriger Prozess» sein würde (­dodis.­ch/30358). Weitnauer betonte, es sei gefährlich, wirtschaftliche Projekte als Hebel zu benutzen, um politische Wirkungen zu erzielen. Beide, Weitnauer und Schaffner, plädierten in der Frage der europäischen Integration für eine strikte Trennung von Wirtschaft und Politik. Das heisst, sie plädierten für eine liberale Marktwirtschaft im Rahmen einer poli­tischen Ordnung, die die Souveränität, die Eigenverantwortung und die vielfältigen Besonderheiten in jedem Land respektiert.

Fehlendes Demokratieverständnis

Jean Monnet und den US-Strategen hinter ihm fehlte eine solche humane Gesinnung. Für sie hatten kleinere und grössere wirtschaftliche Projekte mit ungewissem Ausgang (wie zum Beispiel heute die Währungsunion) die Funktion eines Hebels, der politisch Druck erzeugt, um auf dem Weg zu den «Vereinigten Staaten von Europa» voranzuschreiten. So wird Monnet häufig mit den Worten zitiert: «L’homme n’accepte le changement que sous l’empire de la nécessité.»1 (Der Mensch akzeptiert Veränderungen nur unter dem Druck der Notwendigkeit.) Wer so denkt, dem fehlt es an Demokratieverständnis. (Dazu mehr, in: «Die Methode Monnet – als Schlüssel zum Verständnis der Euro-Krise», in: Zeit-Fragen vom 12. Dezember 2011.)
Das Demokratieverständnis fehlte bereits bei der Gründung der Europäischen Gemeinschaft. Die Bevölkerung hat – wie oben schon erwähnt – über die Römischen Verträge nie abgestimmt, obwohl diese über einen reinen Wirtschaftsvertrag weit hinausgingen und politische Weichen gestellt haben. Die politische Situation war damals keineswegs eindeutig. Im Sommer 1958 haben die Regierungen aller Länder in Westeuropa – auch die sechs Länder der EWG – noch zugestimmt, im Rahmen der OEEC eine Freihandelszone einzurichten und als souveräne Nationen zusammenzuarbeiten. Wie die heute zugänglichen Dokumente in der Schweiz zeigen, haben die USA das Veto gegen diesen freiheitlichen Weg eingelegt.

Das europäische Konzert wieder zum Klingen bringen

Der Schweizer Chefbeamte Albert Weitnauer erkannte, dass das Zusammenspiel der europäischen Länder am besten klingt, wenn diese sich als eigenständige und souveräne Nationalstaaten einbringen. Für de Gaulle war dies das «Europa der Vaterländer», für Weitnauer und Schaffner war es die EFTA: «Es müsste sich um ein System handeln, in dem jeder Staat und jede Staatengruppe mit ihren Besonderheiten – und ihrer sind manche in einem so vielgestalteten Erdteil – ihren Platz finden würde.» Die Errichtung eines neuen Staatensystems in und um Eu­ropa sei das Werk höchster politischer Kunst. «Es wird sehr begabter Interpreten bedürfen, um das europäische Konzert wieder zu Gehör zu bringen.»
Die Misstöne von heute werden kaum verschwinden, solange die Instrumente falsch gestimmt sind. Die Musik in der europäischen Politik zum Klingen zu bringen, dürfte zu den vornehmsten Aufgaben der nächsten Jahre gehören, und kein Weg wird daran vorbeiführen, auch die Bevölkerung einzubeziehen.   •
1  Eric Roussel, Jean Monnet, S. 68, Paris 1996

***

Das «europäische Orchester» wieder zum Klingen bringen

Europäische Integration (Teil 5)

Politische Union oder Rückbau von offensichtlichen Fehlentwicklungen?

von Dr. rer. publ. Werner Wüthrich
Am 28. und 29. Juni findet in Brüssel der EU-Krisen-Gipfel statt. Bundeskanzlerin Merkel kündigt einen Arbeitsplan für eine politische Union an. Es werde um «mehr Europa» gehen. «Wir brauchen nicht nur eine Währungsunion, sondern wir brauchen eine sogenannte Fiskal­union, also mehr gemeinsame Haushalts­politik», sagte sie in der ARD. Vor allem sei aber eine politische Union nötig. Das bedeute, Kompetenzen an Brüssel abzugeben.
Neu ist das nicht. Kreise, die die europäischen Nationalstaaten mehr und mehr in einer politischen Union aufgehen lassen wollen, nutzen die Euro-Krise seit längerem für ihre Zwecke. Die Krise dränge die Mitgliedsländer zu einer politischen Union, sagen sie. Weitere Kompetenzen im Fiskal- und Finanzbereich müssten zwingend an Brüssel abgegeben werden. Euro-Bonds, für die alle gemeinsam haften, gehörten dazu. Jean Monnet hatte vor fünfzig Jahren Ähnliches gesagt: «Der Mensch akzeptiert Veränderungen nur unter dem Druck der Notwendigkeit.» Ökonomische Krisen würden als Hebel dienen, um weitere Integrationsschritte zu erzwingen (vgl. Zeit-Fragen 12.12.2011). Diese Kreise sind nun im Vormarsch. Nur – ist eine Krise wirklich eine tragfähige Basis für die Gründung einer politischen Union?
Nüchterne Betrachter und Politiker dagegen besinnen sich darauf, was in Europa funktioniert und was nicht – und machen sich mutig daran, offensichtliche Fehlentwicklungen zurückzubauen. – Quo vadis, Europa?
In der Artikelfolge «Das europäische Orchester wieder zum Klingen bringen» (vom 12.12.2011, vom 3., 17. und 30.1.2012) hat Zeit-Fragen grundsätzliche Fragen des Zusammenlebens in Europa in ihrer geschichtlichen Entwicklung beleuchtet. In den folgenden Zeilen sollen die wichtigsten Gedanken daraus zu einem Gesamtbild zusammengefügt werden. Es ist sinnvoll, die Vorgeschichte zu kennen, bevor wegweisende Entscheidungen getroffen werden.

Jean Monnet

Zentral für die aktuelle Entwicklung ist die Person von Jean Monnet, dessen Wirken heute als Schlüssel für das Verständnis der Euro-Krise betrachtet werden kann. Nach seinen Vorstellungen sollten die Nationen Europas – Schritt für Schritt – zu einer immer «engeren Union», das heisst zu einer Art Bundesstaat, zusammengefügt werden. Dieses Konzept folgte – wie heute in der Schweiz zugängliche Dokumente zeigen – der strategischen Planung der USA nach dem Zweiten Weltkrieg.
Jean Monnet lebte mehr als zwanzig Jahre in den USA und pflegte hier enge Kontakte zur wirtschaftlichen und politischen Führungselite. Er übte in der Finanzbranche wichtige Funktionen aus. Er war Vizepräsident einer Grossbank und gründete selbst eine eigene Bank. Im Zweiten Weltkrieg arbeitete er in hoher Position in der amerikanischen Kriegswirtschaft. Er war eng befreundet mit dem späteren amerikanischen Aussenminister John Foster Dulles.
Politiker in der Schweiz um Bundesrat Schaffner (und mit ihnen eine Vielzahl von Politikern in andern Ländern Europas) strebten dagegen eine freiheitliche Kooperation an, um das «europäische Orchester» nach den Schrecken des Zweiten Weltkrieges wieder zum Klingen zu bringen. Sie sahen die europäische Integration eher in einem gleichberechtigten, freundschaftlichen Zusammenwirken von souveränen Nationen. Dieses ­politische Denken prägte die OEEC und führte 1960 zur Gründung der EFTA.
Die USA als führende Weltmacht steuerten im Hintergrund das Geschehen. Sie favorisierten die Idee der EWG und bekämpften die Idee einer Freihandelszone, in der die europäischen Nationen als souveräne Staaten zusammenarbeiteten. Sie versuchten aktiv, die EFTA zu verhindern, weil sie nicht in ihr weltpolitisches Konzept passte, und arbeiteten nach ihrer Gründung im Jahr 1960 auf deren Wiederauflösung hin. Nach den Vorstellungen der USA sollte Europa die «Kleinstaaterei» überwinden und im weltpolitischen Kräftespiel einen einheitlichen politischen Block bilden. Jean Monnet verkündete diese Botschaft unermüdlich bis zu seinem Tod im Jahr 1978 – vor allem über seine länderübergreifenden Netzwerke, die er unermüdlich aufgebaut hatte. Auch die Schweiz war von Anfang an dabei. Jean Monnet errichtete 1957 in Lausanne das Büro für sein «Aktionskomitee für die Vereinigten Staaten von Europa». Wenig später kam ein Dokumentationszentrum dazu, wo heute die Gründungsdokumente der Montanunion und der EWG aufbewahrt werden. Die Ford-Stiftung aus den USA finanzierte das Zentrum für Europäische Studien. 1978 gründete Monnet hier die «Fondation Jean ­Monnet pour l’Europe». Die Ferme de Dorigny ist heute ein Treffpunkt zur Pflege des Gedankenguts von Jean Monnet.

Charles de Gaulle

Eine weitere Persönlichkeit spielte in diesem Ringen um die Zukunft Europas eine wegweisende Rolle – der französische Staatspräsident Charles de Gaulle. Er verfolgte in der Frage der europäischen Integration die Vision eines «Europas der Vaterländer» und vertrat damit eine ähnliche Linie wie die EFTA.
Mit Jean Monnet und Charles de Gaulle wirkten in Paris zwei ganz unterschiedliche Persönlichkeiten mit gegensätzlichen Vorstellungen, wie das Zusammenleben der europäischen Völker zu organisieren sei: Das «Europa der Vaterländer» oder die «Vereinigten Staaten von Europa». Diese beiden Visionen standen und stehen sich auch heute nach wie vor als Gegensätze gegenüber. Die Medien bezeichneten damals die Konfrontation der beiden Kontrahenten als «Duell des Jahrhunderts» (vgl. Zeit-Fragen vom 26. März).

Erfolg der wirtschaftlichen Integration

Die Europäische Gemeinschaft erscheint heute im geschichtlichen Rückblick – auch aus der Sicht eines EU-Skeptikers – nicht ohne Glanz. Mancherlei Hindernisse an den Landesgrenzen sind Schritt für Schritt abgebaut worden. Der Austausch von Gütern und Dienstleistungen wurde erleichtert. Technische Unterschiede und Handelshemmnisse wurden beseitigt, so dass das Leben in Europa einfacher wurde. Der wirtschaftliche Schulterschluss war in mancherlei Hinsicht erfolgreich und wird heute breit akzeptiert.

1989 – fatale Weichenstellung

Im Jahr 1989 haben die Verantwortlichen in Brüssel ganz im Sinne Monnets Entscheidungen getroffen, die gravierende Auswirkungen und letztlich zum Schlamassel geführt haben, den wir heute erleben. Der neu gewählte Kommissionspräsident Jacques Delors legte einen Dreistufenplan zur Errichtung der Wirtschafts- und Währungsunion vor, der im Vertrag von Maastricht (1992) sein erstes Etappenziel erreichte. Die «immer engere Union der Völker Europas» (wie sie in den Römischen Verträgen festgehalten ist) erhielt nun mehr und mehr ein politisches Gesicht. Es ging nicht nur um eine gemeinsame Währung. Gemeinsame Aussen- und Sicherheitspolitik und Angleichungen in den Bereichen Justiz und Inneres kamen dazu. Es zeigte sich bald, dass sich diese Politik auf dünnem Eis bewegte.
Dänemark und Grossbritannien machten bei der Währungsunion nicht mit. Länder, die nicht hineingehörten, wurden in die Währungsunion aufgenommen. Länder, die die Bedingungen erfüllten, machten dagegen nicht mit. Die Stimmbürger in der Schweiz, die 1972 der grossen Freihandelszone zwischen den Ländern der EG und der EFTA noch mit 71 Prozent zugestimmt hatten, lehnten nun den Beitritt zum EWR ab. Im Gegensatz zum Freihandelsabkommen, das zwischen souveränen Ländern abgeschlossen wurde, sah der EWR die automatische Übernahme von EU-Recht und damit eine politische Einbindung vor.

Korrekturen ohne Ende

Nach «Maastricht» schritten die Verantwortlichen auf ihrem Weg zu einer politischen Union stetig voran. Im Vertrag von Amsterdam (1999) nahm die gemeinsame Aussen- und Sicherheitspolitik konkrete Formen an. Der freie Personenverkehr mit dem Unions-Bürgerrecht und verbunden mit der Migrations-, Asyl- und Zuwanderungspolitik wurden umgesetzt. Der Vertrag von Nizza (2003) brachte eine Vielzahl von «Reparaturen» der vorherigen Verträge und brach mit dem Einstimmigkeitsprinzip. Abstimmungen mit qualifiziertem Mehr wurden möglich. Diesmal legten sich die Iren quer und mussten belehrt werden. 2005 lehnten die Stimmbürger in Frankreich und in den Niederlanden den «Verfassungsentwurf für Europa» deutlich ab, so dass auf Volksabstimmungen in weiteren Ländern wohlweislich verzichtet und die «Übung» schliess­lich ganz abgebrochen wurde. Das war ein deutliches Signal. Aus diesem Fiasko ging der Vertrag von Lissabon  (2009) hervor, in dem zentrale Bestimmungen aus dem abgelehnten «Verfassungsentwurf» einfach in die bisherigen Verträge übertragen wurden. Die Iren sagten erneut nein. Die EU setzte die Iren erneut moralisch unter Druck, machte wieder einige Zugeständnisse, so dass diese letztlich wieder ja sagten. Auch heute besteht hinsichtlich der geplanten Fiskal- und Transferunion keine Einigkeit. Einige Staaten wollen sie ausserhalb der Verträge verwirklichen. Ende Juni findet in Brüssel ein Krisengipfel statt: Wie Bundeskanzlerin Merkel den Medien mitteilte, liegt ein Arbeitsplan zur Errichtung einer politischen Union auf dem Verhandlungstisch. Nur – das Flickwerk der Verträge und die ständigen Korrekturen und «Reparaturen», die niemand mehr überblickt, sind nicht geeignet, wirklich Vertrauen aufzubauen.

Welches «Europa» wollen die Bürger wirklich?

Wollen die europäischen Völker eine politische Union, oder wollen sie sie nicht? Nichts führt heute an dieser Gretchenfrage vorbei. Wankelmütige Politik, die Ereignisse der letzten Jahre, das Stimmungsbild, die zahlreichen Misstöne und Zerwürfnisse geben die Antwort: Es gibt kein Volk mit einem europäischen Vaterlandsbewusstsein, das diese Union tragen und für die es einstehen würde. Ohne Volk gibt es keine Demokratie, ist doch dieser Begriff aus dem griechischen Wort «Demos» (= Volk) abgeleitet. Die Länder Europas sind nicht bereit und willens, den grossen Schritt in einen gemeinsamen Bundesstaat zu machen – wie ihn Jean Monnet vor Augen hatte, als er in den 1950er Jahren begann, die «Vereinigten Staaten von ­Europa» zu propagieren. Die Gründe sind vielfältig und vielschichtig. Dabei geht es nicht nur um wirtschaftliche Fragen wie ausgeglichene Bilanzen oder die Wettbewerbsfähigkeit, sondern auch um die politische Kultur und die individuelle Geschichte, die Lebensart und Gewohnheiten der Bevölkerung und vieles mehr. Die Unterschiede sind gross und zeichnen jedes Land für sich aus. Sie machen das Leben in Europa so reich und verunmöglichen es, die zahlreichen Völker politisch unter einen Hut zu bringen oder in ein einheitliches Korsett zu zwängen. Das zeigt auch die europäische Geschichte. Bundesrat Hans Schaffner hat es in einer Botschaftersitzung in den 1960er Jahren einmal treffend ausgedrückt: Man müsste die einzelnen Völker zu diesem Schritt «überlisten», und er habe sehr grosse Zweifel, ob dies gelingen werde (dodis.ch/30358).

Am Scheideweg: Rückbau oder «Weiterwursteln» wie bisher?

Naheliegend wären ein nüchternes Innehalten und ein Abschiednehmen von der fixen Vorstellung, dass die politische Integration zwangsläufig einfach immer weitergehen soll. Erwünscht wären echte Reformer, die kritisch prüfen, was in der EU gut funktioniert und was nicht, und die den Mut haben, allenfalls auch einen Rückbau vorzunehmen. Es geht nicht nur um den Euro und die Schulden. Ob die Zentralisierung der Landwirtschaftspolitik in Brüssel eine so gute Idee war, wage ich zu bezweifeln. Ist doch die Landwirtschaft wie kein anderer Wirtschaftszweig unmittelbar mit dem jeweiligen Land und der Bevölkerung verbunden und kann in Krisen für ein Land durchaus existentielle Bedeutung haben. Ich denke auch an die Subventionspolitik der EU im Rahmen der verschiedenen Fonds. Hunderte von Milliarden sind – gut gemeint – im Verlaufe der Jahrzehnte in die südlichen Länder geflossen, um den «Unternehmergeist» zu stärken, wie es in den Papieren aus Brüssel so schön heisst. Die heutigen Arbeitslosenzahlen zeigen, dass dieses viele Geld bei weitem nicht das erreicht hat, was man sich erhofft hatte.

Welche Antworten gibt das Europa-Modell der EFTA?

Die EFTA ist ein Vertragswerk, das die Souveränität der beteiligten Nationen bewahrt. Am 4. Januar 1960 unterschrieben die Schweiz, Österreich, Schweden, Dänemark, Grossbritannien, Irland und Portugal die Konvention von Stockholm, die die Grundlage der Europäischen Freihandels-Assoziation (EFTA) bildet. Art. 3 enthielt die Verpflichtung, die Zölle innerhalb der nächsten zehn Jahre aufzuheben und mengenmässige Einfuhrbeschränkungen abzuschaffen. Die Konvention liess Ausnahmen für den Fall zu, dass ein Land in finanzielle Schwierigkeiten geriet. Im wesentlichen beschränkte sich die Konvention auf den Handel mit Industriegütern. Art. 21 wies ausdrücklich auf die Besonderheit der Landwirtschaft hin. Ihre Erzeugnisse wurden vom Zollabbau ausgenommen. Ziel der EFTA-Länder war es, die Spaltung in Europa zu überwinden und eine gesamteuropäische Freihandelszone zu errichten.
1972 gelang den Verhandlungsführern der EFTA und der Europäischen Gemeinschaft (EG) ein eigentlicher Durchbruch. Es gelang, für alle Länder der EG und der EFTA eine Freihandelszone einzurichten, die vorerst für Industriegüter galt und danach mehr und mehr auch in den Dienstleistungsbereich ausgeweitet wurde. Die Landwirtschaft blieb auch weiter den einzelnen Ländern überlassen.
Das Freihandelsabkommen von 1972 hat die Stimmbürger in der Schweiz in hohem Masse überzeugt. 71 Prozent und sämtliche Kantone begrüssten diesen Weg, der die Souveränität der beteiligten Länder bewahrte. Die Schweiz schloss in den folgenden Jahren – allein oder meist als Mitglied der EFTA – zahlreiche weitere bilaterale Verträge mit der EG ab, die auch den Dienstleistungsbereich erfassten. Je nach Zählart wurden damals zwischen 130 und 180 bilaterale Verträge abgeschlossen, die im Vergleich zu heute deutlich mehr Mitwirkungsrechte enthielten. Es war dies ein friedliches und respektvolles Nebeneinander unterschiedlicher Systeme. Die Länder der EG und der EFTA hatten die Hindernisse an den Grenzen abgebaut und ihr Ziel der Wirtschaftsintegration europaweit weitgehend erreicht.
2001 wurde die EFTA-Konvention vollständig überarbeitet. Neu dazu gehört auch die Personenfreizügigkeit sowie Regeln für den Handel mit Dienstleistungen, den Kapitalverkehr und den Schutz des geistigen Eigentums.
Seit den 1990er Jahren haben Freihandelsabkommen in der Weltwirtschaft an Bedeutung gewonnen. Seit die Doha-Runde der WTO gescheitert ist, hat sich dieser Trend weiter verstärkt. Die EFTA-Staaten haben schon seit einigen Jahren begonnen, ihre Freihandelspolitik auf Partner ausserhalb Europas auszudehnen. Heute verfügt die EFTA über ein Netzwerk aus einer Vielzahl von massgeschneiderten Freihandelsabkommen in der ganzen Welt. Ein Abkommen mit China wurde vor kurzem abgeschlossen, eines mit Indien steht bevor.

 Paradigmenwechsel

Die USA haben nach dem Zweiten Weltkrieg in ihrem weltpolitischen Konzept ein einheitliches «Europa» eingeplant und aktiv darauf hingearbeitet. Damals war Kalter Krieg. Die verschiedenen Länder sollten ihre «Kleinstaaterei» überwinden und einen einheitlichen Block, eine immer engere Union, bilden. Jean Monnet hat diese Botschaft – wie oben schon dargelegt – bis zu seinem Tod über sein länderübergreifendes Netzwerk propagiert und dieses Projekt kontinuierlich vorangetrieben.
Nur – der Kalte Krieg, der für diese Politik Pate gestanden hat, ist längst vorbei. Kann dieses veraltete Konzept den Bedürfnissen der europäischen Nationen heute noch gerecht werden? Ist es zukunftstauglich? In der modernen Welt von heute lassen sich zwischenstaatliche Beziehungen viel besser auf eine freiheitliche, eigenverantwortliche Art über Verträge regeln. Jedes Land will als mündiger und souveräner Vertragspartner ernstgenommen werden. – Die Idee der immer enger werdenden supranationalen Union, die «Europa» zu einem Block vereint, ist ein Relikt aus dem Kalten Krieg des letzten Jahrhunderts und stammt im wesentlichen aus den USA. Wie lange soll die Fremdbestimmung noch andauern?
Es stimmt, dass die EFTA keine Machtbasis hat und keine politischen Ziele verfolgt. Dafür ist sie viel beweglicher als der schwerfällige Koloss EU. So ist es der EFTA in den letzten Jahren gelungen – oft noch vor der EU –, rund um den Globus mit einer Vielzahl von Ländern massgeschneiderte Freihandelsverträge abzuschliessen. Solche Verträge sind im Grossgebilde EU kaum möglich, weil die Interessen einer Vielzahl von Ländern zwangsläufig über einen Leisten geschlagen werden müssen.
Die beiden Modelle, wie Europa eingerichtet werden könnte, haben Auswirkungen auf die innerstaatlichen Strukturen der einzelnen Mitglieder: In einer politischen Union müssen die Strukturen der Mitgliedsländer angepasst werden, so dass sie zentral gelenkt werden können. Dieser Prozess ist bereits im Gange. «Überwindung der Kleinräumigkeit», «Fusionen aller Art», «grenzüberschreitende Regionalisierung» und «Einrichtung von Metropolitanregionen» sind Etappen auf dem Weg zu grossen Räumen, die zentralistisch geführt werden und – notabene – nicht durch gewählte Gremien, sondern durch vom Grosskapital ernannte Vertreter.

Lebendige Demokratie

Nun ist es aber so, dass gerade in den kleinräumigen Strukturen sich die Demokratie am besten entfaltet, weil sie von der Bevölkerung direkt gestaltet und mitgetragen wird. Massgeschneiderte Verträge können auf solche Eigenheiten am besten Rücksicht nehmen.
Die EU-Mitglieder haben bereits heute einen grossen Teil ihrer Souveränität an die Zentrale abgegeben. Entsprechend haben sie in manchen Ländern ihre Eigenverantwortung abgebaut. In der Euro- und Schuldenkrise hat sich diese Einstellung als fatal erwiesen. Dieses Manko an Eigenverantwortung kann mit einem Mehr an Überwachung und Bevormundung nicht wettgemacht werden. Dieser Weg verhindert ein Zusammenleben in Freiheit und Würde, wofür gerade die griechische Kultur vor mehr als 2000 Jahren in Europa den Boden bereitet hat.
Es ist zu hoffen, dass solche Überlegungen am Krisengipfel in Brüssel in die Erwägung mit einbezogen werden und dass bei wegweisenden Beschlüssen die Stimmbürger das letzte Wort haben.     •



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Verhältnis von de Gaulle zu Monnet: «Das Duell des Jahrhunderts»

Was hätte General de Gaulle zum Europäischen Stabilitätsmechanismus gesagt?

von Rita Müller-Hill
Im Dienste des Friedens
De Gaulle sah die Möglichkeiten, die ein unabhängiges Europa der Nationen im Spannungsfeld des kalten Kriegs gehabt hätte: eine vermittelnde Kraft zwischen den Blöcken und damit im Dienste des Friedens. Eine solche Kraft könnte die Welt von heute auch dringend gebrauchen.
In aller Hast soll noch in diesem Frühjahr der Deutsche Bundestag dem Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) zustimmen. Abgesehen von den Milliardensummen, die den Steuerzahlern der beitretenden Staaten abgepresst werden sollen und über die wir ab und zu etwas in der Tagespresse lesen können, beinhaltet der ESM eine weitgehende Abgabe von Souveränitätsrechten. Er greift insbesondere umfassend in das «Königsrecht» eines jeden Parlaments, nämlich das Recht, über den eigenen Staatshaushalt zu bestimmen, ein. Der ESM nimmt den Staatsvölkern den grössten Teil der ihnen bis jetzt noch verbliebenen Souveränität und unterwirft sie einem diktatorischen Gouverneursrat und Direktorium. Diesen Gremien gehören Mitglieder der Exekutiven der beitretenden Länder an, dies können aber auch Nichteuropäer sein. Eine Kontrolle oder Mitsprache durch die nationalen Parlamente ist nicht vorgesehen. Das Fondsvolumen kann ohne jeweilige Zustimmung der nationalen Parlamente beliebig erhöht werden, das heisst aus den Haushalten der beitretenden Staaten genommen werden. Diese haben kein Widerspruchsrecht. Auch eine Kündigung des «Vertrags» ist nicht möglich. Die Zustimmung ist «unwiderruflich». Der Fonds unterliegt keinem nationalen Recht. Sein Aufsichtsratsgremium, sein Vorstand und alle seine Mitarbeiter sind rechtlich immun und von allen Steuern befreit.1
De Gaulle hat es kommen sehen, was Eric Roussel euphorisch über Jean Monnet schreibt: «Was wirklich zählt ist der Geist des Anfangs. In dieser Hinsicht ist der Ausdruck ‹Genie› meiner Meinung nach nicht fehl am Platz. Indem er diesen ersten Schlag gegen die absolute Souveränität der Staaten führte, schlug Monnet eine kapitale Bresche. Darin liegt das wirklich Wesentliche.»
Warum berichten die meisten Medien nicht über dieses geplante «Ermächtigungsgesetz», das als «Stabilitätsmechanismus» daherkommt? Warum sprechen die meisten ­Politiker nicht offen darüber bzw. wiegeln ab?3
Zu Beginn der 60er Jahre äusserte sich General de Gaulle, dessen Verhältnis zu Monnet auch als «das Duell des Jahrhunderts»4 bezeichnet wird, als französischer Staatspräsident immer wieder zu der Frage, wie eine europäische Gemeinschaft aussehen könnte, welche Voraussetzungen gegeben sein müss­ten, damit die einzelnen Staatsvölker ihre Souveränitätsrechte nicht aus der Hand geben müssten, um in einem freien und friedlichen Europa der unabhängigen, demokratischen, in Freundschaft und gegenseitigem Respekt verbundenen Staaten zu leben. Es tut gut, sich dies in Erinnerung zu rufen. De Gaulles Vorstellung kann durchaus als Kompass dienen in der heutigen prinzipienlosen und von jeder demokratischen Mitsprache abgehobenen Europapolitik der «Experten», die, unkontrolliert von souveränen Völkern, in den Hinterzimmern Massnahmen ausklüngeln, die den Interessen ihrer «ehemaligen» Arbeitgeber (z. B. Goldman Sachs) verpflichtet sind. Neuerdings spricht der derzeitige italienische Ministerpräsident Monti schon nicht mehr vom «Volk» oder «Staatsvolk», sondern von den «Bevölkerungen» Europas, ein Begriff, der bisher nicht für den Souverän, das Staatsvolk, benutzt wurde.5

Diktatur als «Regionalismus»

Vielleicht soll er ja schon vorbereiten auf die in Regionen aufgesplitteten Nationalstaaten, wie sie in «Le Monde» vom 17. Februar 2012 am Beispiel Kataloniens begrüsst werden: «Unsere Vorstellung vom Europa der Zukunft ist: mehr Europa, weniger Zentralstaaten und mehr regionale Regierungen. Ein föderaleres Europa mit mehr Macht in Brüssel, weniger Macht in Paris, Madrid oder Berlin, aber mehr Macht in Barcelona oder Toulouse. Die traditionellen Staaten werden sich nicht mehr gleichen. Sie werden Macht zugunsten Europas verlieren. Wenn wir eines Tages einen Staat haben werden, werden wir keine Armee, keine Aussenpolitik, keine Grenzkontrollen oder Zölle, keine Währung, keine Zentralbank mehr haben. Aber wir werden Nachbarschaftspolitik, grundlegende öffentliche Versorgung, Infrastruktur, innere Sicherheit und Steuerwesen haben […].» So Artur Mas, Präsident der regionalen Regierung Kataloniens.6 [Übersetzung d. Verf.] Derart entmündigt werden dann alle europäischen Nationalstaaten sein. Der Präsident Kataloniens macht es uns vor: ideales Modell eines EU-Mitglieds – er verzichtet von vornherein auf alle Freiheitsrechte und degradiert Katalonien zum Dienstleistungsunternehmen für Europa. Die Errungenschaft der Aufklärung, die Bürgerlichkeit des Bürgers, ist dann weg!
Rufen wir uns an dieser Stelle noch einmal das amerikanische Programm in Erinnerung, wie Jean Monnet es in seinen Memoiren beschreibt: «Die Kooperation auf gleichem Fuss zwischen den Vereinigten Staaten und einem geteilten und zerstückelten Europa ist unmöglich. Sie ist allein möglich, wenn Frankreich und Deutschland sich vereinigen, und sie haben schon angefangen, eine weite europäische Entität zu schaffen in der Perspektive einer Art zweiten Amerikas.»7 [Übersetzung d.Verf.]
Das Zusammengehen Deutschlands und Frankreichs war für de Gaulle eine Herzensangelegenheit. Erinnern wir uns an die Elysée-Verträge von 1963, deren Kernstück die Versöhnung und freie Kooperation der beiden Nationen war. Ohne das Einmischen eines Dritten. Aber: das wurde verhindert durch die berühmte Präambel, deren Verfasser höchst wahrscheinlich Monnet selbst war, wie wir wiederum aus seinen Mémoiren erfahren können. «Zwischenzeitlich hatten wir einen […] Text redigiert, den die Parlamentsstrategen in die Form einer Präambel übersetzten und der vom Bundestag am 25. April einstimmig angenommen wurde. Darin erwähnten wir ‹die Beibehaltung und die Verstärkung des Zusammenhalts der freien Völker, insbesondere eine enge Kooperation zwischen den Vereinigten Staaten und Europa, eine gemeinsame Verteidigung im Rahmen der Nato, die Einheit Europas mit Grossbritannien.› Diese Präambel und die Einstimmigkeit rückten die Dinge wieder an ihren richtigen Platz, und der Vertrag als solcher verlor den Charakter einer exklusiven politischen Allianz, um rein administrativer Ausdruck der deutsch-französischen Versöhnung zu werden, die 12 Jahre vorher mit dem Schumann-Plan beschlossen worden war.»8 [Übersetzung d. Verf.]
De Gaulles Vorstellung von einem Europa der souveränen Staaten ist spätestens seit dem gescheiterten Durchsetzungsversuch der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft (EVG) 1954 deutlich geworden: Er spricht sich für ein Europa der souveränen Nationen aus, gegen ein supranationales Europa. Für ihn ist die Tatsache, dass ein Volk sich einer Mehrheitsentscheidung fremder Abgeordneter («l’aréopage») unterwirft, gleichbedeutend mit der Gefahr, dass man sich einem von aussen kommenden «fédérateur» (Vereiniger) oder Hegemon unterwirft, der unwillige Nationen zur Einhaltung von fremden Beschlüssen zwingen könnte.9
«Es dürfte jedem klar sein, dass kein einziges Volk es erlauben würde, sein Schicksal einem Areopag, der hauptsächlich aus Fremden bestehen würde, anzuvertrauen […]. Es ist weiterhin jedem klar, dass eine multilaterale atlantische Politik für die Stellung Europas bedeuten würde, dass es keine mehr hätte […].»10 «Die Aufgabe der nationalen Selbständigkeit in den Bereichen der Verteidigung und der Wirtschaft würde einem Anschluss an ein atlantisches System gleichkommen, das heisst dem amerikanischen, man wäre folglich dem untergeordnet, was die Amerikaner ihre «leadership» nennen. […] Darum weigert sich Frankreich, sich selbst und Europa in einem hinterhältigen Unternehmen versenken zu lassen, das die Staaten entblösst, die Völker auf Irrwege bringt und die Unabhängigkeit unseres Kontinents verhindert […].»11

Kastanien zu Kastanienpüree verrühren

Eine supranationale europäische Integration führe zu einer Auflösung der Nationen («wie der Zucker im Kaffee») und zu einer Uniformisierung der europäischen Völker: «Frankreich wusste genauso gut wie alle anderen, vor allem aber viel besser als diejenigen, die keine Europäer sind, dass es ein Europa nur dank seiner Nationen geben kann, dass, von ihrer Natur und Geschichte her, unser Kontinent so geworden ist, dass die Fusion hier nur Konfusion bedeuten kann, wenn nicht sogar Unterdrückung («oppression»), dass man kein Europäer ist, wenn man vaterlandslos ist, dass zum Beispiel Chateaubriand, Goethe, Byron, Tolstoi – um nur die Romantiker zu erwähnen – nichts wert gewesen wären, wenn sie sich in Volapük oder Esperanto ausgedrückt hätten, aber sie sind grosse Schriftsteller Europas, weil sich jeder vom Erbe seines Landes inspirieren liess.»12 [Für die Franzosen dauert die Epoche der Romantik 40 Jahre und beginnt mit der Französischen Revolution. Anm. d. Verf.]
«Jedes Volk unterscheidet sich vom anderen durch seine unvergleichliche Persönlichkeit, die unveränderlich und unumkehrbar ist. Wenn Sie wollen, dass die Nationen sich vereinigen, versuchen Sie sie nicht miteinander zu verrühren, wie man Kastanien zu einem Kastanienpüree verrührt. […] Ich glaube also, dass gegenwärtig, nicht mehr als in anderen Epochen, eine Vereinigung Europas keine Fusion der Völker sein kann, sondern dass sie aus ihrer systematischen Annäherung hervorgehen muss.»13
De Gaulle war also explizit gegen den supranationalen Charakter der Institutionen auf europäischer Ebene und befürwortete ein ­politisches Organ, das durch Mitglieder der Nationalregierungen gebildet wird und das die Souveränität der europäischen Nationen respektiert.14

Es müssen Volksabstimmungen abgehalten werden

Charles de Gaulle wollte ein «Europa der Völker und der Staaten» schaffen und entsprechend der doppelten Forderung den demokratischen und realistischen Gegebenheiten Rechnung tragen.
Das demokratische Postulat bedeutet für de Gaulle, Europa auf der Akzeptanz der Völker aufzubauen, jenseits des alleinigen Willens der politischen Führer. Charles de Gaulle befürwortete deswegen Volksabstimmungen:
«Dieses Europa wird geboren werden, wenn die Völker in ihrem tiefsten Inneren beschliessen, sich ihm anzuschliessen. Es wird nicht reichen, dass die Parlamente eine Ratifizierung beschliessen. Es müssen Volksabstimmungen abgehalten werden.»15
«Auf welche Pfeiler kann man also Eu­ropa bauen? In Wirklichkeit sind es die Staaten, die sicherlich sehr verschieden sind, einer vom anderen, von denen jeder seine eigene Seele hat, seine eigene Geschichte, seine eigene Sprache, seine Unglücke, seinen Ruhm, seinen eigenen Ehrgeiz, aber es sind die Staaten, als einzige Grössen, die das Recht und die Autorität besitzen zu handeln. Sich vorzustellen, dass es etwas gäbe, das Aussicht auf Erfolg hätte und das von den Völkern gutgeheissen würde, ausserhalb und jenseits der Staaten, das ist ein Hirngespinst.»16
Der Leser merkt, wie aus jedem Satz dieser Stellungnahmen de Gaulles der Respekt vor dem Volkswillen, vor dem demokratischen Staat spricht. Im gleichen Atemzug wird die Möglichkeit einer Unterordnung unter eine wie auch immer geartete «leadership» als Selbstaufgabe benannt.
In dem «Duell des Jahrhunderts» ging es genau um diesen Punkt: Achtung des Volkswillens und damit Wahrung der Souveränität auf seiten de Gaulles versus Abgabe der Souveränität und Herrschaft der «Experten» unter Umgehung des Volkswillens auf seiten Monnets und seiner amerikanischen Freunde.
Der ESM mit seinem unkontrollierten Direktorium und Gouverneursrat und ihrer De-facto-Ermächtigung, in die Staatshaushalte der «Vertragspartner» eingreifen zu können, wann immer es ihnen nötig erscheint, entspricht gar nicht der von de Gaulle so hoch bewerteten Volkssouveränität. Er führt uns direkt in die von ihm vorausgesagte «oppression», zu deutsch: Knechtschaft einer auswärtigen Macht. Der Zusammenhang zwischen Abgabe von Souveränität und Unterordnung unter einen Hegemon war für de Gaulle offensichtlich. Ein Staatsvolk, das seiner Souveränität verlustig geht, kann keine unabhängigen Entscheidungen treffen, weder nach innen noch nach aussen. Und wenn viele «enthauptete» Völker «zusammengerührt» werden wie ein «Maronenpüree», so führt das nicht zu unabhängigen Entscheidungen, sondern es wird sich sozusagen der «lachende Dritte» an die Spitze setzen und befehlen.
De Gaulle sah die Möglichkeiten, die ein unabhängiges Europa der Nationen im Spannungsfeld des kalten Kriegs gehabt hätte: eine vermittelnde Kraft zwischen den Blöcken und damit im Dienste des Friedens. Eine solche Kraft könnte die Welt von heute auch dringend gebrauchen.
Sollten wir uns nicht doch auf eine Alternative besinnen? Auch wenn uns die Propheten im Schlepptau Monnets immer wieder versuchen einzureden, dass es zum supranationalen Europa keine Alternative als Krieg gebe?
Die von den USA nicht gewollte Efta war und ist eine solche Alternative: «[…] ein Verbund, eine kleine Freihandelszone, in der souveräne Nationen gleichberechtigt, auf freiheitlicher Basis miteinander zusammenarbeiten».17     •
1    http://www.krivor.de/bilder/esm-vertragsentwurf.pdf
2    Gérard Bossuat et Andreas Wilkens, Jean Monnet, l'Europe et les chemins de la paix: actes du colloque de Paris du 29 au 31 mai 1997, p. 490
3    Schäuble auf dem European Banking Congress 2011
4    Eric Branca, de Gaulle – Monnet: le duel du siècle. http://www.observatoiredeleurope.com/De-Gaulle-Monnet-le-duel-du-siecle_a1434.html 
5    Mario Monti, Fremde Federn, FAZ, 15. 2. 2012
6    Le Monde, «La Catalogne pourrait parfaitement être un Etat dans l'Union européenne.» 17 février 2012, p. 6
7    Jean Monnet, Mémoires, Fayard, Paris 1976, p. 547
8    ebenda p. 551
9    Pressekonferenz vom 15. Mai 1962. Alle folgenden Zitate vom Verf. übersetzt, zitiert nach Laurent de Boissieu, Une certaine idée de l’Europe, http://www.gaullisme.net/europe-gaulliste.html
10    Pressekonferenz vom 31. Januar 1964, vgl. Anmerkung 9
11    Pressekonferenz vom 23. Juli 1964, vgl. Anmerkung 9
12    Pressekonferenz vom 12. 11. 1953, vgl. Anmerkung 9
13    De Gaulle, Mémoires d'Espoir, p. 181, zitiert nach Laurent de Boissieu, Une certaine idée de l’Europe,http://www.gaullisme.net/europe-gaulliste.html
14    Pressekonferenz vom 15. 5. 1962, vgl. Anmerkung 9
15    Pressekonferenz vom 14. 11. 1949, vgl. Anmerkung 9
16    Pressekonferenz vom 5. 9. 1960, siehe Anmerkung 9 (Alle Pressekonferenzen General de Gaulles können unter ihrem jeweiligen Datum im Internet abgerufen werden.)
17    Werner Wüthrich, Das europäische Orchester wieder zum Klingen bringen. Zeit-Fragen vom 17. Januar 2012, Nr 3

(Quelle: Zeit-Fragen)

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