2017-07-22

Pater Benno im Gespräch mit Hon.Univ.Prof. Dr. Heinrich Wohlmeyer

Allein den Betern kann es noch gelingen das Schwert ob uns’ren Häuten aufzuhalten … 
(Reinhold Schneider in der Vorahnung des Zweiten Weltkrieges 1936)

B. P. : Eine Zeitung übertitelte: Für Europa wird es brandgefährlich.“ Ist das nicht nur Angstmache?

H. W. : Während die Hauptstrommedien und die Politiker die Lage zu verharmlosen versuchen, hat der Heilige Vater ausdrücklich davor gewarnt, dass wir uns bereits „schrittweise in einen Dritten Weltkrieg“ hinein bewegen.
Diese Warnung ist leider realistisch. Laut dem Heidelberger Institut für Konfliktforschung toben derzeit weltweit 19 Kriege. Die beiden für Europa gefährlichsten Konfliktzonen mit formell unausgesprochenen Kriegen (keine offiziellen Kriegserklärungen) sind jedoch Syrien und die Ukraine sowie die im Rahmen der NATO hochgespielte Konfrontation mit Russland an den Ostgrenzen der EU.
In Syrien tobt ein Stellvertreterkrieg, der nun in der Entsendung von US-Bodentruppen gipfelt.
Die USA, GB und F wollen mit dem Sturz Assads neben der Kontrolle über die Erdgasfelder vor der Küste Syriens und über die Leitungsrechte (Transit ohne Gebühren)  für Erdgas und Erdöl vor allem auch die russische Präsenz im Mittelmeer (Marinestützpunkt Tartus) beenden. Wenn noch hinzudenkt, dass der militärische Führer des IS ein Tschetschene ist, dann versteht man wieso Russland dessen Sieg verhindern will, um nicht nachher die Kämpfer im eigenen Territorium wieder zu finden.
Die Brisanz der Situation zeigt das Buch „2017 Krieg mit Russland“ (Verlag Hodder & Stoughton, 2016) des ehemaligen NATO-Generals (Deputy Supreme Commander Europe) Alexander Richard Shireff in dem er in diesem Kontext einen Atomkrieg mit Russland für unvermeidbar erachtet. Wie gefährlich die Lage ist, zeigt auch ein Interview das der ehemalige US-Luftwaffengenaral, Kommandant des National War College und erfahrene Militäranalyst, Perry M. Smith, Anfang März 2017 für CNN gegeben hat.
Er meint, dass derzeit eine Kriegsgefahr bestehe, wie sie es während des kalten Krieges nicht gegeben habe. Es werde ein Nuklearkrieg sein, der das Ende der Zivilisation bedeute.
Dieses für die Kriegstreiber unangenehme Interview ist leider im Internet nicht mehr abrufbar. Es wurde vom ehemaligen Staatssekretär im deutschen Verteidigungsministerium, Willy Wimmer, abgehört und mitgeteilt.
 In der Ukraine geht es den westlichen geopolitischen Seemächten insbesondere auch um die Präsenz der Russischen Marine im Schwarzen Meer. Die mit westlicher Hilfe hochgeputschte Regierung hat als eine der ersten Maßnahmen die Absicht zur Kündigung des Russisch-Ukrainischen Vertrages bezüglich des Marinestützpunktes Sewastopol verkündet. Dies führte zur Annexion der Krim durch Russland. Nun tobt auch dort ein Stellvertreterkrieg mit Potential zur gefährlichen Aufschaukelung, zumal der neue US-Präsident D. Trump ausdrücklich die Rückgabe der Krim an die Ukraine fordert und Gewalt androht.
Die wohl gefährlichste Entwicklung ist aber das Hochpeitschen der Konfrontation mit Russland in Europa.
Die USA haben ihre Raketen entgegen den seinerzeitigen Zusagen bis an die russischen Grenzen vorgeschoben, und die jüngste Sicherheitskonferenz in München vom 17. – 19. Februar 2017 glich einer Kriegsallianz gegen Russland. Die wohl gefährlichste Entwicklung ist jedoch, dass die USA schon unter Präsident Obama angekündigt haben, die Atomwaffen in Europa zu erneuern und mit neuen Lenkköpfen auszustatten (siehe z. B Die Presse, 14. 1. 2017, S. 5 – Lenkbare Atombombe B61-12). Diese Ankündigung hat Präsiden Trump nun verstärkt (generelle Hochrüstung und atomare Aufrüstung  - „Wir wollen wieder Kriege gewinnen“.)
Aktuell haben die USA lt. Bundeswehr Journal vom 7. 1. 2017 im Rahmen der Operation Atlantic Resolve rd. 4000 US-Soldaten mit 446 Kettenfahrzeugen (darunter 87 Kampfpanzer) und anderes Gerät an die russischen Grenzen verlegt. Luftlandetruppen folgen. Dies ist der größte Aufmarsch von US-Streitkräften seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges. Deutschland steht als NATO-Mitglied mit Soldaten und Leopard Kampfpanzern vor Petersburg (Leningrad). Wer die verzweifelte Verteidigung Leningrads im Zweiten Weltkrieg gegen die deutsche Belagerung kennt, der weiß welche Verletzung der russischen Seele der Aufmarsch deutscher Soldaten ist.
Dies alles legt den Gedanken eines Befreiungsschlages des Russen nahe, bevor die Einkreisung vollendet ist. Da Russland nunmehr über die modernsten Panzer der Welt verfügt (Tarnkappenpanzer Armata-T14) und mit diesen drei neue Panzerdivisionen ausgerüstet hat (www welt. de

P. B. :Wie steht es um die Rüstung der NATO?

H. W.:
Die NATO hat bei dem Treffen der Verteidigungsminister in Brüssel (Welt N24 - 27. 10 .2016) das größte Aufrüstungsprogramm  seit dem Ende des Kalten Krieges beschlossen. Die USA haben ein Militärbudget von rd. $ 600 Mrd. Die Erneuerung der Atombomben in Europa soll nach WSW.org rd. $ 10 Mrd. kosten. Sie soll bis 2020 vollendet sein.
Da die USA jeden zweiten Dollar durch Kredite oder durch Geldschöpfung (‚Drucken‘) finanzieren müssen,  drängen sie auf Mitfinanzierung durch die europäischen NATO-Partner. Großbritannien hatte 2016 ein Militärbudget von rd. $ 56 Mrd. , Frankreich über $ 44 Mrd. und Deutschland von fast $ 42 Mrd. Bei steigender Arbeitslosigkeit und zunehmender Staatsverschuldung  gehen die Militärausgaben notwendigerweise zulasten der sozialen Errungenschaften unserer Gesellschaften. Dies führt zur Erhöhung der internen Spannungen und zu politischer Instabillität , die dann wieder mit polizeilichen und militärischen Mitteln bekämpft wird (Negativspirale).
Die USA stehen derzeit auf der Höhe ihrer Militärmacht mit 36% der weltweiten Rüstungsausgaben. Die US-‚Eliten‘ wissen, dass diese Position nicht aufrecht erhalten werden kann. Umso größer ist daher die  Kriegsgefahr (Ausnützen der gegenwärtigen Stärke). Auch ist zu bedenken, dass Rüstungen auf Pump seit jeher zum Krieg gedrängt haben, um die Kosten durch Plünderung der Unterlegenen hereinzubringen.
Die weltweit tätige US-Antikriegsorganisation World beyond War (im Internet abrufbar) beziffert die weltweiten Militärausgaben mit $ 2.000 Mrd. und rechnet vor was man an humanitären Maßnahmen mit diesen Mitteln finanzieren könnte, insbesondere  den Kampf gegen Hunger und Krankheiten sowie vor allem Bildung als Schlüssel für ein sozial und ökologisch zufriedenstellendes  Zusammenleben der Menschheit.

P. B. : Ich kann mir dennoch nicht vorstellen, dass eine der beiden Seiten einen Krieg anzettelt!

H. W. : Wenn wir die grauenhaften Zerstörungen in Afghanistan, im Irak und in Syrien betrachten, dann müssen wir leider sehen, dass die Hemmschwelle der Kriegstreiber sehr gering ist. Vor allem denken sie noch immer, dass ein großer Krieg sie selbst nicht in Mitleidenschaft ziehen wird.
Wie ich schon gesagt habe, provoziert die US-gesteuerte NATO die Russen bis aufs Blut und hofft auf eine Reaktion, die Anlass zur ‚Selbstverteidigung‘ gibt.
Es ist nicht nur der Aufmarsch der NATO rund um Russland, sondern es sind auch die demütigenden und völkerrechtswidrigen Sanktionen, die dieses Land in die Knie zwingen sollen, die zu einer Kurzschlusshandlung (Befreiungsschlag) drängen.
Mein Großonkel , der Staatvertragskanzler Julius Raab, ist auf die Russen im Kalten Krieg bewusst zugegangen, obwohl der ganze „Westen“ dagegen war, und hat ihnen Vertrauen und Zusammenarbeit entgegen gebracht. Sein bekannter ‚Spruch‘ war: „Man soll den russischen Bären nicht unnötig in den Schwanz zwicken“ … und „Ein kranker Bär ist gefährlicher als ein gesunder – also tragen wir dazu bei, dass Russland geistig und wirtschaftlich gesundet.“  Diese Haltung müssen wir gegenwärtig einbringen, denn die Kriegsgefahr ist größer, als wir es wahr haben wollen.

P. B. : Andererseits fürchtet man in Polen, Litauen und den anderen baltischen Staaten eine russische Invasion.

H. W. : Die Russen haben kein Interesse an einem neuen Weltkrieg. Sie sind aber durch ihre Geschichte geprägt. Sie wurden zweimal vom ‚Westen‘ überfallen (Napoleon und Hitler). Das sitzt tief im russischen Bewusstsein. Wenn nun die NATO offensive Stützpunkte in all diesen Staaten errichtet, Raketen vorschiebt  und ‚zur Abschreckung‘ mit dem Säbel rasselt. Dann ist die Gefahr für diese Staaten wirklich gegeben – aber der Auslöser ist die gewaltige Provokation der Russen …
Ich habe daher vor 40 Jahren im Rahmen der IIASA vorgeschlagen eine Pufferzone neutraler Staaten zu errichten, die den Russen die Angst nimmt, und durch Handel und kulturellen Austausch Vertrauen und sanfte innere Erneuerung  in Russland bewirkt. Wir machten und machen derzeit gerade das Gegenteil … und beklagen uns über die Folgen…
Ich denke, dass es für eine Kurskorrektur nie zu spät ist. Wenn Österreich zusammen mit der neutralen Schweiz und mit einem zur Besinnung kommenden Deutschland, die Initiative ergreift, und eine umfassende Friedensinitiative startet, dann kann die Kriegsgefahr gebannt werden.
Wir könnten uns hierbei ein Beispiel an den mittel- und südamerikanischen Staaten nehmen. Diese haben in einem multilateralen Vertrag vereinbart, dass kein Land Atomwaffen erzeugen und die Stationierung  fremder Atomwaffen dulden wird. Warum getrauen wir uns nicht, ein atomwaffenfreies Europa (inklusive Russland) zu fordern, und nehmen so den Russen die Hauptangst vor ihrer tödlichen Einkreisung. Ich habe diesbezüglich unserem Außenminister bereits geschrieben und bete dafür, wie es mein Großonkel und mein väterlicher Freund Leopold Figl in der Zeit des jederzeit heiß zu werden drohenden ‚Kalten Krieges‘ getan haben.  

März 2017

Keine Kommentare: