Nachstehend ein sehr fundierter Appell der bekannten Rechtsanwältin Dr. Eva Maria BARKI zu den Gründen, warum dem CETA-Abkommen keineswegs die "Giftzähne gezogen" oder "frühere Bedenken dagegen jetzt ausgeräumt seien" - ganz im Gegenteil! Der Appell wurde von der Kanzlei Dr. Barki gestern, am 23.5.2018, an alle 183 Nationalratsabgeordneten geschickt. Bitte um maximale Weiterverbreitung über alle nur denkbaren Kanäle!
An die
Damen und Herren
Abgeordneten zum Österreichischen
Nationalrat
Parlament
1010 Wien
Betrifft: CETA
Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete !
Nachdem
der Ministerrat in Entsprechung des — offenbar auf Druck der EU -Kommission zustande gekommenen —
Regierungsprogramms das Wirtschafts- und Handelsabkommen zwischen der EU und ihren
Mitgliedstaaten mit Kanada (CETA) beschlossen hat, liegt nunmehr die
Beschlussfassung und damit Verantwortung für eine der folgenschwersten Entscheidungen der letzten
Jahrzehnte beim Nationalrat.
Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete!
Das im
geänderten Entwurf der EU — Kommission vorgesehene Investitionsgerichtssystem ICS (Investment Court System) an Stelle des ISDS (Investor
to State Dispute Settlement) ist nur eine kosmetische Adaptierung und enthält keine prinzipielle Änderung
der Schiedsgerichtsbarkeit. Wenngleich
nunmehr die Öffentlichkeit gegeben und ein Instanzenzug vorgesehen ist, handelt es sich nach wie vor um kein klassisches Gerichtssystem, dessen Grundvoraussetzung die Unabhängigkeit und
Unparteilichkeit der Richter ist. Nach wie vor sind -
analog zu Schiedsgerichten - zur Entscheidung private Juristinnen vorgesehen, die
keinem Richterstand angehören müssen und in keinem ständigen Dienstverhältnis zum
Investitionsgericht mit fixem Gehalt stehen, sondern pro Fall bezahlt werden. Der Anreiz, in Erwartung
weiterer Aufträge ihre Entscheidungen der Investorenmeinung anzupassen, liegt auf der Hand.
Ein weiteres Problem liegt darin, dass die Richterinnen
auch von Kanada bestellt werden, sohin aus einem anderen Rechtskreis. Jeder, der ein
solches gemischt besetztes Gerichtsverfahren
erlebt hat weiß, wie schwierig die Kommunikation zwischen Juristinnen aus dem
europäischen und dem anglo-amerikanischen Rechtskreis ist, weil letzterer sich nicht an Gesetzen, sondern an Fallbeispielen
orientiert.
Neben über 100 Rechtsprofessorinnen aus dem EU Raum haben daher
der Deutsche Richterbund und die Europäische Richtervereinigung ernste Bedenken angemeldet und zur Streichung der
Investitionsschutzbestimmungen aufgerufen. Sie weisen darauf hin, dass sowohl in der EU als auch in Kanada — und auch in
den USA — ein ausreichendes Rechtsschutzsystem besteht, welches den Investoren
eine effiziente Durchsetzung ihrer Rechte
gewährleistet, sodass es keines parallelen Rechts- und Justizsystems zum Schutz
der Investoren bedarf.
Die Kritik richtet sich
auch gegen das einseitige Sonderklagerecht
der Investoren. Während die Konzerne den Staat auf entgangenen, auch künftigen
Gewinn und damit auf exorbitant hohe Summen in Millionenhöhe klagen können, wenn sie
durch ein Gesetz oder eine sonstige
staatliche Maßnahme in ihrem Profit geschmälert werden, haben der Staat sowie die von den Investitionen betroffenen Personen
kein Klagerecht gegen Investoren.
Konzerne erhalten demnach
Sonderrechte, ohne dass ihnen Pflichten auferlegt werden. Entgegen aller Beteuerungen
wird ihnen damit die Möglichkeit eingeräumt, das nationale Recht zu umgehen. Die
weitgefasste Definition der Investition umfasst jede Art von Rechten, einschließlich Forderungen,
immaterielle Rechte oder Verfahrensrechte, sodass der Investitionsschutz sowohl in
das Zivilrecht als auch in das Verwaltungsrecht und Verfahrensrecht eingreift.
Die einzuhaltenden Standards orientieren sich an so dehnbaren Begriffen wie „faire und
gerechte Behandlung", „indirekte Enteignung" oder „Notwendigkeit und Angemessenheit"
sowie „legitime Ziele" von Maßnahmen, welche der Staat zu seiner Rechtfertigung zu beweisen hat.
Den Richterinnen wird zur
Beantwortung dieser Fragen ein großer Ermessensspielraum eingeräumt. Welche Maßnahmen
notwendig und legitim sind, entscheidet letztendlich das Sondergericht, welchem
damit eine Regulierungsbefugnis unter
Umgehung der staatlichen Gerichtsbarkeit, aber
auch der staatlichen Gesetzgebung übertragen wird.
Der Staat kann demnach für
entgangene Gewinne haftbar gemacht werden, auch wenn die Maßnahmen des Staates gesetzmäßig sind und zum
Schutz der Bevölkerung getroffen wurden. Den
Nachteil müssen die Bürger tragen, die kein Rechtsmittel gegen Entscheidungen des Sondergerichtes haben. Da es
sich um ein Sondergericht außerhalb des europäischen Rechtsrahmens handelt, haben sie auch keine Möglichkeit,
den Europäischen Gerichtshof für
Menschenrechte anzurufen, ebenso ist der Europäische Gerichtshof in Straßburg ausgeschaltet.
Die Bürger verlieren jeglichen Schutz. Nicht Investoren brauchen Schutz vor dem Staat, sondern die Bevölkerung
braucht Schutz vor Investoren, für welche nicht das Wohl der Allgemeinheit,
sondern ausschließlich ihr Profit maßgebend ist.
Im Ergebnis handelt es sich daher weiterhin um
ein System von Schiedsverfahren, mit welchem
nicht nur die staatliche Gerichtsbarkeit untergraben wird, sondern werden insgesamt demokratische Entscheidungsprozesse und
damit die Rechtsstaatlichkeit und Rechtssicherheit,
somit fundamentale Rechte verletzt.
Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete !
CETA
ist nicht nur ein Handelsabkommen. Es ist unter dem Deckmantel des „Investitionsschutzes"
ein politisches Instrument zur Durchsetzung des transatlantischen Protektionismus. Dass dies
nur zum Nachteil Europas ausfallen kann, weiß man spätestens seit der Sanktionspolitik
der USA gegen Russland und den Iran.
Da für die Schaffung eines
Investitionsgerichtshofes keine Rechtsgrundlage und auch keine Notwendigkeit besteht und darüber hinaus die
Rechtssetzungsbefugnis und Gerichtsbarkeit des Staates, aber auch das Rechtsschutzbedürfnis der Bürger
erheblich einschränkt wird, ist das
Investitionsgericht auch in der geänderten Form abzulehnen.
Haben
Sie den Mut, sich den Tendenzen zur Auflösung von Rechtsstaatlichkeit und Rechtssicherheit zu
widersetzen und eine für Österreich und seine Bürger richtige Entscheidung zu treffen.
Mit
meiner vorzüglichen Hochachtung
1 Kommentar:
Volksbefragung wäre gerecht!
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