2011-06-10

Was tun gegen den Irrweg der EU?

 Neben Demonstrationen und dem Volksbegehren für den Austritt aus der EU sind Verfassungsbeschwerden ein wichtiges demokratisches Instrument zur Abwehr von ausbrechenden Rechtsakten der Union. Irrwege der EU - sogar der einfache Bürger erkennt jetzt schon, dass die EU-Entwicklung ein Irrweg ist. Man denke nur an die Milliarden für "Pleite-Staaten" (Spekulanten-Banken) - können so per Verfassungsgericht gestoppt werden. Allein mit dem Subsitiaritätsprinzip könnte man jeden Rechtssetzungsakt der EU stoppen. Dazu fehlt allein der Wille der Regierung in Österreich.


 Der Staatsrechtslehrer Prof. Dr. Karl Albrecht Schachtschneider zeigt es vor. Er hat mit seiner Verfassungsbeschwerde gegen den EU-Vertrag von Maasticht  schon 1993 erreicht, dass (weite) Grenzen der EU-Integration gezogen wurden. Es wurde in Deutschland der Artikel 23 GG geschaffen.Deutschland kann dannach nur in einem Europa mitwirken, dass demokratischen, rechtsstaatlichen, sozialen und föderativen Grundsätzen und dem Grundsatz der Subsidiarität verpflichtet ist. 

Aufgrund der Verfassungsbeschwerde gegen den Vertrag von Lissabon erreichte Schachtschneider wieder ein Stück mehr Demokratie für die Bürger Deutschlands. So müssen Beispielsweise die Generalermächtigungen der EU ( Art. 352, Art. 311, Art. 48 Abs. 6) vom Bundestag und Bundesrat in Deutschland mit 2/3-Mehrheit abgesegnet werden. Erweiterungen im Polizei und Justizrecht müssen genauso durchs Parlament. Das Recht der EU sich selbst neue Kategorien von Eigenmitteln zu verschaffen um ihre (weiten) Ziele zu erreichen wurde als Absichtserklärung herabgestuft.Wichtig ist auch die Aussage des Bundesverfassungsgerichts, dass wenn die EU ein Bundesstaat wird, neben Bundesrat und Bundestag auch das V o l k mehrheitlich zustimmen muss! Natürlich ist die EU bereits funktional ein Bundesstaat, sagt auch das Gericht. Von begrenzten Einzelermächtigungen kann keine Rede mehr sein.

Das BVerfG habe bereits im Maastricht-Prozeß im grundrechtlich geschützten Wahlrecht das Recht jedes Bürgers anerkannt, im Rahmen der Unabänderlichkeitsklausel des Art. 79 Abs. 3 GG die elementaren demokratischen Grundprinzipien, jedenfalls das Recht auf substantielle Gesetzgebungsbefugnisse des Deutschen Bundestages, zu verteidigen.Laut Schachtschneider hat das Bundesverfassungsgericht im Lissabon-Urteil das Grundrecht vertieft und erweitert. Man kann, so der Professor weiter, aufgrund dieses Grundrechts, das die Bundesregierung und der Bundestag im letzten Verfahren erneut hart bekämpft hätten, fordern, daß nicht nur das Parlament substantielle politische Befugnisse behält, sondern auch, daß die Verfassungsidentität Deutschlands gewahrt bleibt, weil diese durchgehend demokratische Relevanz hat. Das, so Professor Schachtschneider, ist das Grundrecht auf Demokratie. Mehr dazu: Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 30. Juni 2009 zum Vertrag vom Lissabon.

 Demgegenüber hat Österreichs Verfassungsgerichtshof (VfGH) bis jetzt keinen Rechtsschutz gegeben, obwohl die Verfassungsbeschwerde in Österreich substantiell gleich ist. Dazu ein Kommentar von Professor Schachtschneider. 
Österreich:
Klageschrift von Prof. Schachtschneider (375 Seiten)
Verfassungswidrigkeit der Mitgliedschaft Österreichs in der EU (36 Seiten)
Argumente - Verfassungswidrigkeit (4 Seiten)

Auszug aus dem Urteil über die Verfassungsbeschwerde gegen den EU-Vertrag von Maastricht (1993):
   Aus diesem Sinnzusammenhang kann sich eine weitere Entwicklung der Europäischen Union nicht lösen. Der verfassungsändernde Gesetzgeber hat dem im Zusammenhang mit diesem Vertrag durch die Einfügung des Art.23 GG in das Grundgesetz Rechnung getragen, wenn dort ausdrücklich von der Entwicklung der Europäischen Union gesprochen wird, die demokratischen, rechtsstaatlichen, sozialen und föderativen Grundsätzen und dem Grundsatz der Subsidiarität verpflichtet ist. Entscheidend ist somit sowohl aus vertraglicher wie aus verfassungsrechtlicher Sicht, daß die demokratischen Grundlagen der Union schritthaltend mit der Integration ausgebaut werden und auch im Fortgang der Integration in den Mitgliedstaaten eine lebendige Demokratie erhalten bleibt.


Nach dem Urteil müssen die Politiker im Parlament, also die Beauftragten des Volkes müssen die Entwicklung der EU verantworten können:

Auszug aus dem Urteil:

Der Vertrag räumt rechtlich bestimmbare Hoheitsrechte ein; dies konnte parlamentarisch verantwortet werden und ist infolgedessen demokratisch legitimiert.

Schachtschneider erwirkte schon 1993 durch die Verfassungsbeschwerde gegen den EU-Vertrag von Maastricht, dass  Deutschland - auch Österreich -  das Recht hat, wieder aus der EU auszutreten:

Auszug aus dem Urteil:

Deutschland ist einer der "Herren der Verträge", die ihre Gebundenheit an den "auf unbegrenzte Zeit" geschlossenen Unions-Vertrag (Art.Q EUV) mit dem Willen zur langfristigen Mitgliedschaft begründet haben, diese Zugehörigkeit aber letztlich durch einen gegenläufigen Akt auch wieder aufheben können.

 
1820. EUROPÄISCHES GEMEINSCHAFTSRECHT UND DEUTSCHES RECHT
Nr.93/1
[a] Im Anwendungsbereich des Art.23 GG schließt Art.38 GG aus, die durch die Wahl bewirkte Legitimation und Einflußnahme auf die Ausübung von Staatsgewalt durch die Verlagerung von Aufgaben und Befugnissen des Bundestages so zu entleeren, daß das demokratische Prinzip, soweit es Art.79 Abs.3 in Verbindung mit Art.20 Abs.1 und 2 GG für unantastbar erklärt, verletzt wird.


[b] Das Demokratieprinzip hindert die Bundesrepublik Deutschland nicht an einer Mitgliedschaft in einer - supranational organisierten - zwischenstaatlichen Gemeinschaft. Voraussetzung der Mitgliedschaft ist aber, daß eine vom Volk ausgehende Legitimation und Einflußnahme auch innerhalb des Staatsverbundes gesichert ist.


[c] (1) Nimmt ein Verbund demokratischer Staaten hoheitliche Aufgaben wahr und übt dazu hoheitliche Befugnisse aus, sind es zuvörderst die Staatsvölker der Mitgliedstaaten, die dies über die nationalen Parlamente demokratisch zu legitimieren haben. Mithin erfolgt demokratische Legitimation durch die Rückkoppelung des Handelns europäischer Organe an die Parlamente der Mitgliedstaaten; hinzu tritt - im Maße des Zusammenwachsens der europäischen Nationen zunehmend - innerhalb des institutionellen Gefüges der Europäischen Union die Vermittlung demokratischer Legitimation durch das von den Bürgern der Mitgliedstaaten gewählte Europäische Parlament.
(2) Entscheidend ist, daß die demokratischen Grundlagen der Union schritthaltend mit der Integration ausgebaut werden und auch im Fortgang der Integration in den Mitgliedstaaten eine lebendige Demokratie erhalten bleibt.


[d] Vermitteln - wie gegenwärtig - die Staatsvölker über die nationalen Parlamente demokratische Legitimation, sind der Ausdehnung der Aufgaben und Befugnisse der Europäischen Gemeinschaften vom demokratischen Prinzip her Grenzen gesetzt. Dem Deutschen Bundestag müssen Aufgaben und Befugnisse von substantiellem Gewicht verbleiben.


[e] Art.38 GG wird verletzt, wenn ein Gesetz, das die deutsche Rechtsordnung für die unmittelbare Geltung und Anwendung von Recht der - supranationalen - Europäischen Gemeinschaften öffnet, die zur Wahrnehmung übertragenen Rechte und das beabsichtigte Integrationsprogramm nicht hinreichend bestimmbar festlegt (vgl. BVerfGE 58, 1 [37]). Das bedeutet zugleich, daß spätere wesentliche Änderungen des im Unions-Vertrag angelegten Integrationsprogramms und seiner Handlungsermächtigungen nicht mehr vom Zustimmungsgesetz zu diesem Vertrag gedeckt sind. Das Bundesverfassungsgericht prüft, ob Rechtsakte der europäischen Einrichtungen und Organe sich in den Grenzen der ihnen eingeräumten Hoheitsrechte halten oder aus ihnen ausbrechen (vgl. BVerfGE 75, 223).


[f] Bei der Auslegung von Befugnisnormen durch Einrichtungen und Organe der Gemeinschaften ist zu beachten, daß der Unions-Vertrag grundsätzlich zwischen der Wahrnehmung einer begrenzt eingeräumten Hoheitsbefugnis und der Vertragsänderung unterscheidet, seine Auslegung deshalb in ihrem Ergebnis nicht einer Vertragserweiterung gleichkommen darf; eine solche Auslegung von Befugnisnormen würde für Deutschland keine Bindungswirkung entfalten.


[g] Auch Akte einer besonderen, von der Staatsgewalt der Mitgliedstaaten geschiedenen öffentlichen Gewalt einer supranationalen Organisation betreffen die Grundrechtsberechtigten in Deutschland. Sie berühren damit die Gewährleistungen des Grundgesetzes und die Aufgaben des Bundesverfassungsgerichts, die den Grundrechtsschutz in Deutschland und insoweit nicht nur gegenüber deutschen Staatsorganen zum Gegenstand haben (Abweichung von BVerfGE 58, 1 [27]). Allerdings übt das Bundesverfassungsgericht seine Rechtsprechung über die Anwendbarkeit von abgeleitetem Gemeinschaftsrecht in Deutschland in einem "Kooperationsverhältnis" zum Europäischen Gerichtshof aus.


[h] Der Unions-Vertrag begründet einen Staatenverbund zur Verwirklichung einer immer engeren Union der - staatlich organisierten - Völker Europas (Art.A EUV), keinen sich auf ein europäisches Staatsvolk stützenden Staat.


[i] (1) Art.F Abs.3 EUV ermächtigt die Union nicht, sich aus eigener Macht die Finanzmittel oder sonstige Handlungsmittel zu verschaffen, die sie zur Erfüllung ihren Zwecke für erforderlich erachtet.
(2) Art.L EUV schließt die Gerichtsbarkeit des Europäischen Gerichtshofs nur für solche Vorschriften des Unions-Vertrags aus, die nicht zu Maßnahmen der Union mit Durchgriffswirkung auf den Grundrechtsträger im Hoheitsbereich der Mitgliedstaaten ermächtigen.
(3) Die Bundesrepublik Deutschland unterwirft sich mit der Ratifikation des Unions-Vertrags nicht einem unüberschaubaren, in seinem Selbstlauf nicht mehr steuerbaren "Automatismus" zu einer Währungsunion; der Vertrag eröffnet den Weg zu einer stufenweisen weiteren Integration der europäischen Rechtsgemeinschaft, der in jedem weiteren Schritt entweder von gegenwärtig für das Parlament voraussehbaren Voraussetzungen oder aber von einer weiteren, parlamentarisch zu beeinflussenden Zustimmung der Bundesregierung abhängt.


[b]
Zum Urteil über den Vertrag von Maastricht: [/b][u][/u]

Bundesverfassungsgericht, Urteil vom 12.10.1993 (2 BvR 2134/92, 2 BvR 2159/92), BVerfGE 89, 155 (ZaöRV 55 [1995], 870ff.)



Einleitung:

      Der am 7.2.1992 in Maastricht unterzeichnete Vertrag über die Europäische Union (Unions-Vertrag/EUV - BGBl.II S.1253) hebt die europäische Integration auf eine neue Stufe. Er ändert die Verträge über die bereits bestehenden drei europäischen Gemeinschaften an zahlreichen Stellen ab. Vor allem gestaltet er die bisherige Europäische Wirtschaftsgemeinschaft zu einer Europäischen Gemeinschaft um, aus der spätestens 1999 eine Wirtschafts- und Währungsunion entstehen soll. Neben die drei Gemeinschaften treten eine Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik (Art.J - Art.J.11 EUV) und eine Zusammenarbeit in den Bereichen Justiz und Inneres (Art.K - Art.K.9 EUV). Zur Vorbereitung der Ratifikation des Unions-Vertrages durch die Bundesrepublik Deutschland wurde mit Gesetz vom 21.12.1992 (BGBl.I S.2086) das Grundgesetz um Art.23, Art.24 Abs.1a, Art.28 Abs.1 Satz 3, Art.45, Art.52 Abs.3a und Art.88 Satz 2 ergänzt und an weiteren Stellen geändert. Durch Gesetz vom 28.12.1992 (BGBl.II S.1251) stimmten Bundestag und Bundesrat dem Unions-Vertrag auf der Grundlage des neu eingefügten Art.23 GG zu. Sowohl gegen dieses Zustimmungsgesetz als auch gegen das vorangegangene Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes richten sich Verfassungsbeschwerden, die das Bundesverfassungsgericht aus den nachstehenden Gründen teils als unzulässig verworfen, teils als unbegründet zurückgewiesen hat.

Entscheidungsauszüge:

      B. Zulässig ist nur die gegen das Zustimmungsgesetz zum Unions-Vertrag gerichtete Verfassungsbeschwerde des Beschwerdeführers zu 1., soweit mit ihr eine Verletzung der Rechte aus Art.38 GG gerügt wird. Im übrigen sind die Verfassungsbeschwerden unzulässig. ...
      1. Der Beschwerdeführer zu 1. hat hinreichend dargelegt, daß das Zustimmungsgesetz sein Recht aus Art.38 Abs.1 GG verletzen kann.
      a) Art.38 Abs.1 und 2 GG gewährleistet den wahlberechtigten Deutschen das subjektive Recht, an der Wahl der Abgeordneten des Deutschen Bundestages teilzunehmen ... Die Verbürgung erstreckt sich auch auf den grundlegenden demokratischen Gehalt dieses Rechts: Gewährleistet wird den wahlberechtigten Deutschen das subjektive Recht, an der Wahl des Deutschen Bundestages teilzunehmen und dadurch an der Legitimation der Staatsgewalt durch das Volk auf Bundesebene mitzuwirken und auf ihre Ausübung Einfluß zu nehmen. In dieser Hinsicht bedarf das Recht allerdings der näheren Bestimmung. Sie ist vorliegend nur insoweit notwendig, als die Ausübung von Hoheitsgewalt durch supranationale Organisationen im Rahmen der Verwirklichung eines vereinten Europas (Art.23 GG) in Frage steht.
      Gibt der Deutsche Bundestag Aufgaben und Befugnisse auf, insbesondere zur Gesetzgebung und zur Wahl und Kontrolle anderer Träger von Staatsgewalt, so berührt das den Sachbereich, auf den der demokratische Gehalt des Art.38 GG sich bezieht. Im Blick auf die Europäische Union und die ihr zugehörigen Gemeinschaften ermächtigt Art.23 Abs.1 GG den Bundesgesetzgeber, unter den dort genannten Voraussetzungen der Europäischen Union die eigenständige Wahrnehmung von Hoheitsbefugnissen bis zur Grenze des Art.79 Abs.3 GG einzuräumen (Art.23 Abs.1 Satz 3 GG). Diese Verfassungsbestimmung ist vom verfassungsändernden Gesetzgeber eigens für die europäische Integration und deren Fortgang geschaffen worden. Sie bestimmt insoweit auch den Gewährleistungsinhalt des durch Art.38 GG begründeten Rechts. Art.38 GG schließt es im Anwendungsbereich des Art.23 GG aus, die durch die Wahl bewirkte Legitimation von Staatsgewalt und Einflußnahme auf deren Ausübung durch die Verlagerung von Aufgaben und Befugnissen des Bundestages so zu entleeren, daß das demokratische Prinzip, soweit es Art.79 Abs.3 i.V.m. Art.20 Abs.1 und 2 GG für unantastbar erklärt, verletzt wird.
      Das Recht des Beschwerdeführers aus Art.38 GG kann demnach verletzt sein, wenn die Wahrnehmung der Kompetenzen des Deutschen Bundestages so weitgehend auf ein von den Regierungen gebildetes Organ der Europäischen Union oder der Europäischen Gemeinschaften übergeht, daß die nach Art.20 Abs.1 und 2 i.V.m. Art.79 Abs.3 GG unverzichtbaren Mindestanforderungen demokratischer Legitimation der dem Bürger gegenübertretenden Hoheitsgewalt nicht mehr erfüllt werden.
      2. Unzulässig ist die Verfassungsbeschwerde des Beschwerdeführers zu 1., soweit er eine Verletzung seiner Grundrechte aus Art.1 Abs.1, 2 Abs.1, 5 Abs.1, 12 Abs.1 und 14 Abs.1 GG geltend macht.
      a) Soweit er eine Verletzung seiner Grundrechte aus Art.12 Abs.1 und Art.14 Abs.1 GG durch die gesetzliche Zustimmung zur Währungsunion vorträgt, ist schon nicht ersichtlich, daß diese Grundrechte eine Ersetzung der Deutschen Mark durch die ECU ausschlössen. Art.88 Satz 2 GG sieht ausdrücklich vor, daß die Aufgaben und Befugnisse der Deutschen Bundesbank im Rahmen der Europäischen Union der Europäischen Zentralbank übertragen werden dürfen. Mit dieser Ermächtigung ist die Entwicklung einer Europäischen Währungsunion verfassungsrechtlich anerkannt; diese speziell für die Gründung der Europäischen Union eingeführte Regelung besagt auch, daß die Inanspruchnahme der Ermächtigung als solche nicht den Grundrechten widerspricht.
      b) Die Rüge des Beschwerdeführers, seine Grundrechte würden dadurch verletzt, daß sie nunmehr nicht nur für Deutschland und durch deutsche Organe gewährleistet seien, als europäische Grundrechte vielmehr einen anderen Inhalt erhielten, ist ebenfalls unzulässig. Die in der Präambel des Grundgesetzes angelegte und in Art.23 und 24 GG geregelte Offenheit für eine europäische Integration hat zur Folge, daß grundrechtserhebliche Eingriffe auch von europäischen Organen ausgehen können und ein Grundrechtsschutz dementsprechend für das gesamte Geltungsgebiet dieser Maßnahmen gewährleistet werden muß; dadurch erweitert sich insbesondere der räumliche Anwendungsbereich der Freiheitsrechte und die Vergleichsperspektive bei der Anwendung des Gleichheitssatzes.
      Eine ins Gewicht fallende Minderung der Grundrechtsstandards ist damit nicht verbunden. Das Bundesverfassungsgericht gewährleistet durch seine Zuständigkeit (vgl. BVerfGE 37, 271 [280ff.]; 73, 339 [376f.]), daß ein wirksamer Schutz der Grundrechte für die Einwohner Deutschlands auch gegenüber der Hoheitsgewalt der Gemeinschaften generell sichergestellt und dieser dem vom Grundgesetz als unabdingbar gebotenen Grundrechtsschutz im wesentlichen gleich zu achten ist, zumal den Wesensgehalt der Grundrechte generell verbürgt. Das Bundesverfassungsgericht sichert so diesen Wesensgehalt auch gegenüber der Hoheitsgewalt der Gemeinschaft (vgl. BVerfGE 73, 339 [386]). Auch Akte einer besonderen, von der Staatsgewalt der Mitgliedstaaten geschiedenen öffentlichen Gewalt einer supranationalen Organisation betreffen die Grundrechtsberechtigten in Deutschland. Sie berühren damit die Gewährleistungen des Grundgesetzes und die Aufgaben des Bundesverfassungsgerichts, die den Grundrechtsschutz in Deutschland und insoweit nicht nur gegenüber deutschen Staatsorganen zum Gegenstand haben (Abweichung von BVerfGE 58, 1 [27]). Allerdings übt das Bundesverfassungsgericht seine Gerichtsbarkeit über die Anwendbarkeit von abgeleitetem Gemeinschaftsrecht in Deutschland in einem "Kooperationsverhältnis" zum Europäischen Gerichtshof aus, in dem der Europäische Gerichtshof den Grundrechtsschutz in jedem Einzelfall für das gesamte Gebiet der Europäischen Gemeinschaften garantiert, das Bundesverfassungsgericht sich deshalb auf eine generelle Gewährleistung der unabdingbaren Grundrechtsstandards (vgl. BVerfGE 73, 339 [387]) beschränken kann.
      c) Die Rüge des Beschwerdeführers, Art.L EUV schaffe dadurch eine grundgesetzwidrige Rechtsschutzlücke, daß keine Zuständigkeit des Europäischen Gerichtshofs gegenüber Maßnahmen der Europäischen Union begründet werde, trifft nicht zu. Art.L EUV schließt die Gerichtsbarkeit des Europäischen Gerichtshofs nur für solche Vorschriften des Unions-Vertrags aus, die nicht zu Maßnahmen der Union mit Durchgriffswirkung auf den Grundrechtsträger im Hoheitsbereich der Mitgliedstaaten ermächtigen. ... Die Bundesregierung hat versichert, es sei einhellige Meinung aller Mitgliedstaaten, daß Art.L EUV zu keinen Rechtsschutzlücken führen werde. ...
      c 2) ... Die Bereiche der Außen- und Sicherheitspolitik sowie der Justiz- und Innenpolitik sind zwar Gegenstände europäischer Zusammenarbeit im Rahmen der Union, sie sind jedoch von den Vertragsstaaten bewußt nicht in die supranationale Zuständigkeitsordnung der Europäischen Gemeinschaften eingegliedert worden. ... Der Rat kann ... auf die supranationalen Handlungsformen des Europäischen Gemeinschaftsrechts nicht zurückgreifen, wenn er in den Bereichen Außen- und Sicherheitspolitik oder Justiz und Inneres tätig wird. Etwas anderes gilt nur insoweit, als der Vertrag Bestimmungen des EG-Vertrags in diesen Bereichen für anwendbar erklärt. Art.J.11 Abs.1 und Art.K.8 Abs.1 EUV ordnen eine solche Geltungserstreckung zwar für einige Bestimmungen des EG-Vertrags an, klammern aber Art.189 EGV aus, der die EG-Rechtsakte mit Durchgriffswirkung definiert. ...
      c 5) Verpflichten gemeinsame Aktionen und Maßnahmen nach den Titeln V und VI des Unions-Vertrags die Mitgliedstaaten völkerrechtlich verbindlich zu grundrechtserheblichen Eingriffen, so können alle diese Eingriffe, wenn sie in Deutschland vorgenommen werden, von der deutschen Gerichtsbarkeit voll überprüft werden. Der Grundrechtsschutz des Grundgesetzes ist insoweit nicht durch supranationales Recht, das Vorrang beanspruchen könnte, überlagert. Eine völkerrechtliche Verbindlichkeit für die Bundesrepublik Deutschland kann jedenfalls den der deutschen Staatsgewalt gegenüber bestehenden Grundrechtsschutz nicht mindern, eine nach Titel V oder VI des Unions-Vertrags beschlossene europäische Vorgabe für einen Grundrechtseingriff durch die deutsche Hoheitsgewalt demnach auch den Grundrechtsschutz durch die deutschen Gerichte nicht einschränken. Insoweit gilt nichts anderes als bei einem herkömmlichen völkerrechtlichen Vertrag: Soweit dessen innerstaatliche Durchführung Grundrechte verletzen würde, ist sie verfassungsrechtlich untersagt.
      Sollte ein nach Maßgabe der Titel V oder VI des Unions-Vertrags ergehender Ratsbeschluß durch einen Rechtsakt der Europäischen Gemeinschaften - etwa aufgrund des Art.228a EGV - umgesetzt werden und dadurch in Grundrechte eingegriffen werden, so böten der Europäische Gerichtshof und andernfalls das Bundesverfassungsgericht hinreichenden Grundrechtsschutz (vgl. BVerfGE 73, 339 [387]). Auch hier stehen das Bundesverfassungsgericht und der Europäische Gerichtshof zur Gewährleistung des Grundrechtsschutzes in einem Kooperationsverhältnis, in dem sie sich gegenseitig ergänzen. ...
      3. Unzulässig ist die Verfassungsbeschwerde des Beschwerdeführers zu 1., die sich unter Berufung auf Art.38 GG gegen das Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 21.Dezember 1992 richtet, insofern dieses die Art.23 und Art.28 Abs.1 Satz 3 n.F. in das Grundgesetz eingefügt hat.
      a) Art.23 Abs.1 GG stellt eine besondere Ermächtigung zur Mitwirkung bei der Entwicklung der Europäischen Union zur Verwirklichung eines vereinten Europas dar ... Diese Ermächtigung ist jedoch nach Art.23 Abs.1 Satz 3 GG ausdrücklich an die Grenzen des Art.79 Abs.3 GG gebunden; diese aber bestimmen die Schranken der verfassungsändernden Gewalt. Damit kann eine Diskrepanz zwischen dem demokratischen Kerngehalt des Art.38 GG und dem neuen Art.23 GG nicht entstehen.
      b) Die Rüge, daß die in Art.23 Abs.1 Satz 1 GG n.F. genannten Strukturprinzipien der Europäischen Union nicht verwirklicht seien, ist ebenfalls unzulässig. Aus Art.38 GG kann nicht abgeleitet werden, wie der institutionelle Rahmen der Europäischen Union auszugestalten ist.
      c) Unzulässig ist auch die Rüge des Beschwerdeführers, er werde als aktiv und passiv Wahlberechtigter dadurch in seinen Rechten verletzt, daß das Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes ... in Art.28 Abs.1 Satz 3 GG zur Einführung eines Kommunalwahlrechts für Staatsangehörige anderer EG-Mitgliedstaaten ermächtige und Art.8b EGV von dieser Ermächtigung Gebrauch mache. Art.38 GG gewährt jedenfalls für das Kommunalwahlrecht kein subjektives Recht, sich bei der Ausübung des aktiven oder passiven Wahlrechts durch eine wahlrechtliche "Konkurrentenklage" gegen nichtdeutsche Wahlbewerber oder Wahlberechtigte wehren zu können.
      4. Soweit sich die Verfassungsbeschwerden auf Art.20 Abs.4 GG stützen und "andere Abhilfe" durch das Bundesverfassungsgericht beantragen, sind sie ebenfalls unzulässig. Wie immer Art.20 Abs.4 GG zu verstehen sein mag: Das Problem des Widerstandsrechts stellt sich schon deshalb nicht, da, wie die vorliegenden Verfahren zeigen, den Beschwerdeführern rechtsstaatliche Möglichkeiten offenstehen, sich gegen die Ratifizierung des Vertrages über die Europäische Union zu wehren. ...
      C. Soweit die Verfassungsbeschwerde des Beschwerdeführers zu 1. zulässig ist, ist sie unbegründet. Das Bundesverfassungsgericht kann die Einräumung von Hoheitsbefugnissen an die Europäische Union und die ihr zugehörigen Gemeinschaften hier nur am Maßstab des Gewährleistungsinhalts des Art.38 GG (darüber unter I.) prüfen. Dieser Gewährleistungsinhalt wird durch das Zustimmungsgesetz, wie sich aus dem Inhalt des Vertrags ergibt, nicht verletzt: Der Vertrag begründet einen europäischen Staatenverbund, der von den Mitgliedstaaten getragen wird und deren nationale Identität achtet; er betrifft die Mitgliedschaft Deutschlands in supranationalen Organisationen, nicht eine Zugehörigkeit zu einem europäischen Staat (II.1). Die Aufgaben der Europäischen Union und die zu ihrer Wahrnehmung eingeräumten Befugnisse werden dadurch in einer hinreichend voraussehbaren Weise normiert, daß das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung eingehalten, keine Kompetenz-Kompetenz für die Europäische Union begründet und die Inanspruchnahme weiterer Aufgaben und Befugnisse durch Europäische Union und Europäische Gemeinschaften von Vertragsergänzungen und Vertragsänderungen abhängig gemacht, mithin der zustimmenden Entscheidung der nationalen Parlamente vorbehalten wird (II.2). Durch den Umfang der eingeräumten Aufgaben und Befugnisse und die im Vertrag geregelte Form der Willensbildung in der Europäischen Union und den Organen der Europäischen Gemeinschaften werden die Entscheidungs- und Kontrollzuständigkeiten des Deutschen Bundestages noch nicht in einer Weise entleert, die das Demokratieprinzip, soweit es Art.79 Abs.3 GG für unantastbar erklärt, verletzt (II.3).
      I.1. Das durch Art.38 GG gewährleistete Recht, durch die Wahl an der Legitimation von Staatsgewalt teilzunehmen und auf deren Ausübung Einfluß zu gewinnen, schließt es im Anwendungsbereich des Art.23 GG aus, dieses Recht durch Verlagerung von Aufgaben und Befugnissen des Bundestages so zu entleeren, daß das demokratische Prinzip, soweit es Art.79 Abs.3 i.V.m. Art.20 Abs.1 und 2 GG für unantastbar erklärt, verletzt wird (vgl. oben B.1.a).
      2. Zu dem gemäß Art.79 Abs.3 GG nicht antastbaren Gehalt des Demokratieprinzips gehört, daß die Wahrnehmung staatlicher Aufgaben und die Ausübung staatlicher Befugnisse sich auf das Staatsvolk zurückführen lassen und grundsätzlich ihm gegenüber verantwortet werden. ...
      a) Wird die Bundesrepublik Deutschland Mitglied einer zu eigenem hoheitlichen Handeln befähigten Staatengemeinschaft und wird dieser Staatengemeinschaft die Wahrnehmung eigenständiger Hoheitsbefugnisse eingeräumt - beides wird durch das Grundgesetz für die Verwirklichung eines vereinten Europas ausdrücklich zugelasen (Art.23 Abs.1 GG) -, kann insoweit demokratische Legitimation nicht in gleicher Form hergestellt werden wie innerhalb einer durch eine Staatsverfassung einheitlich und abschließend geregelten Staatsordnung. Werden supranationalen Organisationen Hoheitsrechte eingeräumt, verliert das vom Volk gewählte Repräsentationsorgan, der Deutsche Bundestag, und mit ihm der wahlberechtigte Bürger notwendig an Einfluß auf den politischen Willensbildungs- und Entscheidungsprozeß. Jeder Beitritt zu einer zwischenstaatlichen Gemeinschaft hat zur Folge, daß das Mitglied einer solchen Gemeinschaft an deren Entscheidungen gebunden ist. Der Mitgliedstaat - und mit ihm seine Bürger - gewinnt freilich auch Einflußmöglichkeiten durch die Beteiligung an einer Willensbildung der Gemeinschaft zur Verfolgung gemeinsamer - und damit auch eigener - Zwecke, deren Ergebnis für alle Mitgliedstaaten verbindlich ist und deshalb auch die Anerkennung der eigenen Bindung voraussetzt.
      Diese Offenheit für Bindungen in der Völkerrechtsgemeinschaft und in dem engeren Rechtsverbund einer zwischenstaatlichen Gemeinschaft ist in einem demokratischen Staat angelegt, der - wie es die Präambel des Grundgesetzes voraussetzt und die Art.23 und 24 GG ausdrücklich regeln - als gleichberechtigtes Glied in zwischenstaatlichen Einrichtungen und insbesondere bei der Entwicklung der Europäischen Union mitwirken will. Die Mitgliedstaaten sind an der Willensbildung des Staatenverbundes nach dessen Organisations- und Verfahrensrechts beteiligt, dann aber an die Ergebnisse dieser Willensbildung gebunden, unabhängig davon, ob sich diese Ergebnisse gerade auf ihre eigene Beteiligung zurückführen lassen oder nicht. Die Einräumung von Hoheitsbefugnissen hat zur Folge, daß deren Wahrnehmung nicht mehr stets vom Willen eines Mitgliedstaates allein abhängt. Hierin eine Verletzung des grundgesetzlichen Demokratieprinzips zu sehen, widerspräche nicht nur der Integrationsoffenheit des Grundgesetzes, die der Verfassungsgeber des Jahres 1949 gewollt und zum Ausdruck gebracht hat; es legte auch eine Vorstellung von Demokratie zugrunde, die jeden demokratischen Staat jenseits des Einstimmigkeitsprinzips integrationsunfähig machte. Die Einstimmigkeit als durchgängiges Erfordernis setzte zwangsläufig den partikularen Willen über den der zwischenstaatlichen Gemeinschaft selbst und stellte eine solche Gemeinschaft damit schon strukturell in Frage. Ein solches Ergebnis ist nach Wortlaut und Sinn in Art.23 und 24 GG nicht angelegt. Die Einräumung von Hoheitsbefugnissen, zu der die genannten Artikel ermächtigen, setzt einen Gesetzesbeschluß voraus; das Erfordernis eines Gesetzes (Art.23 Abs.1 Satz 2, Art.24 Abs.1 GG) weist die politische Verantwortung für die Einräumung von Hoheitsrechten dem Bundestag - zusammen mit dem Bundesrat - als der nationalen Repräsentativkörperschaft zu; er hat die mit einer solchen Zustimmung verbundenen weittragenden Folgen, nicht zuletzt auch für die Kompetenzen des Bundestages selbst, zu erörtern und über sie zu entscheiden. Im Zustimmungsgesetz zum Beitritt zu einer Staatengemeinschaft ruht die demokratische Legitimation sowohl der Existenz der Staatengemeinschaft selbst als auch ihrer Befugnisse zu Mehrheitsentscheidungen, die die Mitgliedstaaten binden. Allerdings findet das Mehrheitsprinzip gemäß dem aus der Gemeinschaftstreue folgenden Gebot wechselseitiger Rücksichtnahme eine Grenze in den Verfassungsprinzipien und elementaren Interessen der Mitgliedstaaten.
      b) Das Demokratieprinzip hindert mithin die Bundesrepublik Deutschland nicht an einer Mitgliedschaft in einer - supranational-organisisierten - zwischenstaatlichen Gemeinschaft. Voraussetzung der Mitgliedschaft ist aber, daß eine vom Volk ausgehende Legitimation und Einflußnahme auch innerhalb eines Staatenverbundes gesichert ist.
      b 1) Die Europäische Union ist nach ihrem Selbstverständnis als Union der Völker Europas (Art.A Abs.2 EUV) ein auf eine dynamische Entwicklung angelegter (vgl. etwa Art.B Abs.1 letzter Gedankenstrich; Art.C EUV) Verbund demokratischer Staaten; nimmt er hoheitliche Aufgaben wahr und übt dazu hoheitliche Befugnisse aus, sind es zuvörderst die Staatsvölker der Mitgliedstaaten, die dies über die nationalen Parlamente demokratisch zu legitimieren haben.
      Indessen wächst mit dem Ausbau der Aufgaben und Befugnisse der Gemeinschaft die Notwendigkeit, zu der über die nationalen Parlamente vermittelten demokratischen Legitimation und Einflußnahme eine Repräsentation der Staatsvölker durch ein europäisches Parlament hinzutreten zu lassen, von der ergänzend eine demokratische Abstützung der Politik der Europäischen Union ausgeht. Mit der durch den Vertrag von Maastricht begründeten Unionsbürgerschaft wird zwischen den Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten ein auf Dauer angelegtes rechtliches Band geknüpft, das zwar nicht eine der gemeinsamen Zugehörigkeit zu einem Staat vergleichbare Dichte besitzt, dem bestehenden Maß existentieller Gemeinsamkeit jedoch einen rechtlich verbindlichen Ausdruck verleiht (vgl. insbesondere Art.8b Abs.1 und 2 EGV). Die von den Unionsbürgern ausgehende Einflußnahme kann in dem Maße in eine demokratische Legitimation der europäischen Institutionen münden, in dem bei den Völkern der Europäischen Union die Voraussetzungen hierfür erfüllt sind:
      Demokratie, soll sie nicht lediglich formales Zurechnungsprinzip bleiben, ist vom Vorhandensein bestimmter vorrechtlicher Voraussetzungen abhängig, wie einer ständigen freien Auseinandersetzung zwischen sich begegnenden sozialen Kräften, Interessen und Ideen, in der sich auch politische Ziele klären und wandeln ... und aus der heraus eine öffentliche Meinung den politischen Willen vorformt. Dazu gehört auch, daß die Entscheidungsverfahren der Hoheitsgewalt ausübenden Organe und die jeweils verfolgten politischen Zielvorstellungen allgemein sichtbar und verstehbar sind, und ebenso, daß der wahlberechtigte Bürger mit der Hoheitsgewalt, der er unterworfen ist, in seiner Sprache kommunizieren kann.
      Derartige tatsächliche Bedingungen können sich, soweit sie noch nicht bestehen, im Verlauf der Zeit im institutionellen Rahmen der Europäischen Union entwickeln. Eine solche Entwicklung hängt nicht zuletzt davon ab, daß die Ziele der Gemeinschaftsorgane und die Abläufe ihrer Entscheidungen in die Nationen vermittelt werden. Parteien, Verbände, Presse und Rundfunk sind sowohl Medium als auch Faktor dieses Vermittlungsprozesses, aus dem heraus sich eine öffentliche Meinung in Europa zu bilden vermag (vgl. Art.138a EGV). Auch der Europäische Rat ist um mehr Offenheit und Transparenz der europäischen Entscheidungsprozesse bemüht (vgl. die Erklärung von Birmingham: Eine bürgernahe Gemeinschaft, Ziffer 2, 3, BullBReg. Nr.115 vom 23. Oktober 1992 S.1058; Schlußfolgerungen des Vorsitzes des Europäischen Rates in Edinburgh [11. und 12. Dezember 1992], Teil A Abschnitt 7 und Anlage 3, BullBReg. Nr.140 vom 28. Dezember 1992 S.1278, 1284f.).
      b 2) Im Staatenverbund der Europäischen Union erfolgt mithin demokratische Legitimation notwendig durch die Rückkoppelung des Handelns europäischer Organe an die Parlamente der Mitgliedstaaten; hinzutritt - im Maße des Zusammenwachsens der europäischen Nationen zunehmend - innerhalb des institutionellen Gefüges der Europäischen Union die Vermittlung demokratischer Legitimation durch das von den Bürgern der Mitgliedstaaten gewählte Europäische Parlament. Bereits in der gegenwärtigen Phase de Entwicklung kommt der Legitimation durch das Europäische Parlament eine stützende Funktion zu, die sich verstärken ließe, wenn es nach einem in allen Mitgliedstaaten übereinstimmenden Wahlrecht gemäß Art.138 Abs.3 EGV gewählt würde und sein Einfluß auf die Politik und Rechtsetzung der Europäischen Gemeinschaften wüchse. Entscheidend ist, daß die demokratischen Grundlagen der Union schritthaltend mit der Integration ausgebaut werden und auch im Fortgang der Integration in den Mitgliedstaaten eine lebendige Demokratie erhalten bleibt. Ein Übergewicht von Aufgaben und Befugnissen in der Verantwortung des europäischen Staatenverbundes würde die Demokratie auf staatlicher Ebene nachhaltig schwächen, so daß die mitgliedstaatlichen Parlamente die Legitimation der von der Union wahrgenommenen Hoheitsgewalt nicht mehr ausreichend vermitteln könnten.
      Vermitteln die Staatsvölker - wie gegenwärtig - über die nationalen Parlamente demokratische Legitimation, sind mithin der Ausdehnung der Aufgaben und Befugnisse der Europäischen Gemeinschaften vom demokratischen Prinzip her Grenzen gesetzt. Jedes der Staatsvölker ist Ausgangspunkt für eine auf es selbst bezogene Staatsgewalt. Die Staaten bedürfen hinreichend bedeutsamer Aufgabenfelder, auf denen sich das jeweilige Staatsvolk in einem von ihm legitimierten und gesteuerten Prozeß politischer Willensbildung entfalten und artikulieren kann, um so dem, was es - relativ homogen - geistig, sozial und politisch verbindet ..., rechtlichen Ausdruck zu geben.
      Aus alledem folgt, daß dem Deutschen Bundestag Aufgaben und Befugnisse von substantiellem Gewicht verbleiben müssen.
      c) Die Wahrnehmung von Hoheitsgewalt durch einen Staatenverbund wie die Europäische Union gründet sich auf Ermächtigungen souverän bleibender Staaten, die im zwischenstaatlichen Bereich regelmäßig durch ihre Regierungen handeln und dadurch die Integration steuern. Sie ist daher primär gouvernemental bestimmt. Soll eine solche Gemeinschaftsgewalt auf der von dem je einzelnen Volk vermittelten, insofern demokratischen Willensbildung beruhen, setzt das voraus, daß sie von einem Organ ausgeübt wird, das von den mitgliedstaatlichen Regierungen beschickt wird, die ihrerseits demokratischer Kontrolle unterstehen. Auch der Erlaß europäischer Rechtsnormen darf - unbeschadet der Notwendigkeit einer demokratischen Kontrolle deshalb der Regierungen - in größerem Umfang bei einem von Vertretern der Regierungen der Mitgliedstaaten, also exekutiv besetzten Organ, liegen, als dies im staatlichen Bereich verfassungsrechtliche hinnehmbar wäre.
      3. Weil der wahlberechtigte Deutsche sein Recht auf Teilnahme an der demokratischen Legitimation der mit der Ausübung von Hoheitsgewalt betrauten Einrichtungen und Organe wesentlich durch die Wahl des Deutschen Bundestages wahrnimmt, muß der Bundestag auch über die Mitgliedschaft Deutschlands in der Europäischen Union, ihren Fortbestand und ihre Entwicklung bestimmen.
      Art.38 GG wird demnach verletzt, wenn ein Gesetz, das die deutsche Rechtsordnung für die unmittelbare Geltung und Anwendung von Recht der - supranationalen - Europäischen Gemeinschaften öffnet, die zur Wahrnehmung übertragenen Rechte und das beabsichtigte Integrationsprogramm nicht hinreichend bestimmbar festlegt (vgl. BVerfGE 58, 1 [37]). Steht nicht fest, in welchem Umfang und Ausmaß der deutsche Gesetzgeber der Verlagerung der Ausübung von Hoheitsrechten zugestimmt hat, so wird die Inanspruchnahme nicht benannter Aufgaben und Befugnisse durch die Europäischen Gemeinschaften ermöglicht. Dies käme einer Generalermächtigung gleich und wäre damit eine Entäußerung, gegen die Art.38 GG schützt.
      Mit Rücksicht darauf, daß der Text eines völkerrechtlichen Vertrages mit den Vertragsparteien ausgehandelt werden muß, können allerdings an die Bestimmtheit und Dichte der Vertragsregelungen nicht Anforderungen gestellt werden, wie sie der Parlamentsvorbehalt sonst für ein Gesetz vorgibt (vgl. BVerfGE 77, 170 [231f.]). Entscheidend ist, daß die Mitgliedschaft der Bundesrepublik Deutschland und die daraus sich ergebenden Rechte und Pflichten - insbesondere auch das rechtsverbindliche unmittelbare Tätigwerden der Europäischen Gemeinschaften im innerstaatlichen Rechtsraum - für den Gesetzgeber voraussehbar im Vertrag umschrieben und durch ihn im Zustimmungsgesetz hinreichend bestimmbar normiert worden sind (vgl. BVerfGE 58, 1 [37]; 68, 1 [98f.]). Das bedeutet zugleich, daß spätere wesentliche Änderungen des im Unions-Vertrag angelegten Integrationsprogramms und seiner Handlungsermächtigungen nicht mehr vom Zustimmungsgesetz zu diesem Vertrag gedeckt sind (vgl. schon BVerfGE 58, 1 [37]; BVerfGE 68, 1 [98f.] ...). Würden etwa europäische Einrichtungen oder Organe den Unions-Vertrag in einer Weise handhaben oder fortbilden, die von dem Vertrag, wie er dem deutschen Zustimmungsgesetz zugrundeliegt, nicht mehr gedeckt wäre, so wären die daraus hervorgehenden Rechtsakte im deutschen Hoheitsbereich nicht verbindlich. Die deutschen Staatsorgane wären aus verfassungsrechtlichen Gründen gehindert, diese Rechtsakte in Deutschland anzuwenden. Dementsprechend prüft das Bundesverfassungsgericht, ob Rechtsakte der europäischen Einrichtungen und Organe sich in den Grenzen der ihnen eingeräumten Hoheitsrechte halten oder aus ihnen ausbrechen (vgl. BVerfGE 58, 1 [30f.]; 75, 223 [235, 242]).
      II. Der Unions-Vertrag genügt, soweit er im vorliegenden Verfahren zu prüfen ist, diesen Anforderungen.
      Der Unions-Vertrag begründet ... einen Staatenverbund zur Verwirklichung einer immer engeren Union der - staatlich organisierten - Völker Europas (Art.A EUV), keinen sich auf ein europäisches Staatsvolk stützenden Staat. Angesichts dieses Inhalts stellt sich die ... Frage nicht, ob das Grundgesetz eine deutsche Mitgliedschaft in einem europäischen Staat erlaubt oder ausschließt. Zu beurteilen ist allein das Zustimmungsgesetz zu einer Mitgliedschaft Deutschlands in einem Staatenverbund.
      1.a) Die Mitgliedstaaten haben die Europäische Union gegründet, um einen Teil ihrer Aufgaben gemeinsam wahrzunehmen und insoweit ihre Souveränität gemeinsam auszuüben ... Dementsprechend nimmt der Unions-Vertrag auf die Unabhängigkeit und Souveränität der Mitgliedstaaten Bedacht, indem er die Union zur Achtung der nationalen Identität ihrer Mitgliedstaaten verpflichtet (Art.F Abs.1 EUV ...), die Union und die Europäischen Gemeinschaften nach dem Prinzip der begrenzten Einzelzuständigkeit nur mit bestimmten Kompetenzen und Befugnissen ausstattet (Art.E EUV, Art.3b Abs.1 EGV) und sodann das Subsidiaritätsprinzip für die Union (Art.B Abs.2 EUV) und für die Europäische Gemeinschaft (Art.3b Abs.2 EGV) zum verbindlichen Rechtsgrundsatz erhebt.
      Wohin ein europäischer Integrationsprozeß nach weiteren Vertragsänderungen letztlich führen soll, mag in der Chiffre der "Europäischen Union" zwar im Anliegen einer weiteren Integration angedeutet sein, bleibt im gemeinten Ziel letztlich jedoch offen ... Jedenfalls ist eine Gründung "Vereinigter Staaten von Europa", die der Staatswerdung der Vereinigten Staaten von Amerika vergleichbar wäre, derzeit nicht beabsichtigt ...
      Die Kompetenzen und Befugnisse, die der Europäischen Union und den ihr zugehörigen Gemeinschaften eingeräumt sind, bleiben, soweit sie durch Wahrnehmung von Hoheitsrechten ausgeübt werden, im wesentlichen Tätigkeiten einer Wirtschaftsgemeinschaft. Die zentralen Tätigkeitsfelder der Europäischen Gemeinschaft sind insoweit die Zollunion und die Freiheit des Warenverkehrs (Art.3 Buchst.a EGV), der Binnenmarkt (Art.3 Buchst.c EGV), die Rechtsangleichung zur Sicherung der Funktionsfähigkeit des Gemeinsamen Marktes (Art.3 Buchst.h EGV), die Koordinierung der Wirtschaftspolitik der Mitgliedstaaten (Art.3a Abs.1 EGV) und die Entwicklung einer Währungsunion (Art.3a Abs.2 EGV). Außerhalb der Europäischen Gemeinschaften bleibt die Zusammenarbeit intergouvernemental; dies gilt insbesondere für die Außen- und Sicherheitspolitik sowie für die Bereiche Justiz und Inneres ...
      Die Bundesrepublik Deutschland ist somit auch nach dem Inkrafttreten des Unions-Vertrags Mitglied in einem Staatenverbund, dessen Gemeinschaftsgewalt sich von den Mitgliedstaaten ableitet und im deutschen Hoheitsbereich nur kraft des deutschen Rechtsanwendungsbefehls verbindlich wirken kann. Deutschland ist einer der "Herren der Verträge", die ihre Gebundenheit an den "auf unbegrenzte Zeit" geschlossenen Unions-Vertrag (Art.Q EUV) mit dem Willen zur langfristigen Mitgliedschaft begründet haben, diese Zugehörigkeit aber letztlich durch einen gegenläufigen Akt auch wieder aufheben können. Geltung und Anwendung von Europarecht in Deutschland hängen von dem Rechtsanwendungsbefehl des Zustimmungsgesetzes ab. Deutschland wahrt damit die Qualität eines souveränen Staates aus eigenem Recht und den Status der souveränen Gleichheit mit anderen Staaten i.S. des Art.2 Nr.1 der Satzung der Vereinten Nationen vom 26.Juni 1945 (BGBl.1973 II S.430).
      b) Der notwendige Einfluß des Bundestages ist zunächst dadurch gewährleistet, daß nach Art.23 Abs.1 GG für die deutsche Mitgliedschaft in der Europäischen Union und ihre Fortentwicklung durch eine Änderung ihrer vertraglichen Grundlagen oder eine Erweiterung ihrer Befugnisse ein Gesetz erforderlich ist, das unter den Voraussetzungen des Satzes 3 der qualifizierten Mehrheiten des Art.79 Abs.2 GG bedarf. Darüber hinaus ist der Bundestag an der Wahrnehmung der deutschen Mitgliedschaftsrechte in den europäischen Organen beteiligt. Er wirkt nach Maßgabe des Art.23 Abs.2 und 3 GG und des zu seiner Ausführung erlassenen Gesetzes über die Zusammenarbeit von Bundesregierung und Deutschem Bundestag in Angelegenheiten der Europäischen Union vom 12.März 1993 (BGBl.I S.311) an der Willensbildung des Bundes in diesen Angelegenheiten mit. Diese wechselbezüglichen Kompetenzen sind von Bundesregierung und Bundestag im Sinne der Organtreue wahrzunehmen.
      Schließlich beeinflußt der Bundestag die europäische Politik der Bundesregierung auch durch deren parlamentarische Verantwortlichkeit (Art.63, 67 GG - vgl. BVerfGE 68, 1 [109f.]). Diese Kreations- und Kontrollfunktion, die der Bundestag grundsätzlich in öffentlicher Verhandlung wahrnimmt, veranlaßt eine Auseinandersetzung der Öffentlichkeit und der politischen Parteien mit der Europapolitik der Bundesregierung und wird damit zu einem Faktor für die Wahlentscheidung der Bürger.
      Auch die Regierungen der Mitgliedstaaten haben im Zusammenhang mit der Unterzeichnung des Unions-Vertrags die große Bedeutung unterstrichen, die den einzelstaatlichen Parlamenten in der Union zukommt: Ihre Erklärung zur Rolle der einzelstaatlichen Parlamente in der Europäischen Union (BGBl.1992 II S.1321) betont die Notwendigkeit einer größeren Beteiligung der Parlamente der Mitgliedstaaten an den Tätigkeiten der Europäischen Union und verpflichtet die Regierung zu rechtzeitiger Unterrichtung der Parlamente über Vorschläge der Kommission, um ihnen so deren Prüfung zu ermöglichen.
      2. Der Unions-Vertrag genügt den Bestimmungsanforderungen, weil er den künftigen Vollzugsverlauf, also die mögliche Inanspruchnahme der eingeräumten Hoheitsbefugnisse, hinreichend voraussehbar normiert (vgl. BVerfGE 58, 1 [337]; 68, 1 [98f.]); das begründet die parlamentarische Verantwortbarkeit des Zustimmungsgesetzes. Die Besorgnis des Beschwerdeführers, die Europäische Gemeinschaft werde aufgrund ihrer weit gesteckten Ziele ohne erneute parlamentarische Rechtsanwendungsbefehle sich zu einer politischen Union mit nicht vorausbestimmbaren Hoheitsrechten entwickeln können, ist nicht begründet. Der Unions-Vertrag nimmt das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung, das schon bisher für die Europäischen Gemeinschaften galt, auf und bekräftigte es (a); dieses Prinzip wird durch Art.F Abs.3 EUV, der keine Kompetenz-Kompetenz begründet, nicht in Frage gestellt (b); die Möglichkeiten für die Zuweisung weiterer Aufgaben und Befugnisse an Europäische Union und Europäische Gemeinschaften sind durch hinreichend bestimmte Regelungen begrenzt (c); auch soweit die Entwicklung zur Europäischen Währungsunion geregelt wird, ist dies hinreichend voraussehbar normiert (d, e, f).
      a) ... Die Eröffnung von Tätigkeitsfeldern für die Europäischen Gemeinschaften folgt seit jeher dem Grundsatz, daß die Gemeinschaften nur nach Maßgabe des Vertrages und der darin vorgesehenen Zeitfolge tätig werden dürfen (Art.3 EWGV, jetzt: Art.3 EGV ...), so daß der Schluß von der Aufgabe auf die Befugnis nicht zulässig ist. Dabei bleibt es auch nach einem Inkrafttreten des Unions-Vertrags. Dieses Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung ... wird in Art.4 Abs.1 Satz 2 EGV ... bestätigt, wonach jedes Gemeinschaftsorgan nach Maßgabe der ihm im Vertrag zugewiesenen Befugnisse handelt, sowie in Art.189 Abs.1 EGV ..., [der] Rechtsakte nur nach Maßgabe des Vertrages [zuläßt]. ... Zu diesen überkommenen Regelungen tritt der neue Art.3a EGV, der für die zukünftige Wirtschafts- (Abs.1) und Währungspolitik (Abs.2) der Europäischen Gemeinschaft klarstellt, daß die Gemeinschaft auch dort nur nach Maßgabe des Vertrages und der darin vorgesehenen Zeitfolge handeln darf. Art.4a EGV erstreckt diesen Grundsatz auf das ESZB und die EZB ...
      Ebenso bekräftigt die neue Grundsatznorm des Art.3b EGV im ersten Absatz, daß die Gemeinschaft nur innerhalb der Grenzen der ihr im Vertrag zugewiesenen Befugnisse und gesetzten Ziele tätig wird. Die sodann folgenden Regelungen des Subsidiaritätsprinzips (Art.3b Abs.2 EGV) und des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes (Art.3b Abs.3 EGV) sind als Kompetenzausübungsschranken ausgestaltet. ...
      b) Dieses Regelungssystem wird durch Art.F Abs.3 EUV nicht durchbrochen oder aus den Angeln gehoben. Das Erfordernis hinreichender gesetzlicher Bestimmtheit der eingeräumten Hoheitsrechte und damit der parlamentarischen Verantwortbarkeit dieser Rechtseinräumung wäre allerdings verletzt, wenn Art.F Abs.3 EUV eine Kompetenz-Kompetenz der Europäischen Union als einer Gemeinschaft souveräner Staaten begründete. Art.F Abs.3 EUV ermächtigt die Union jedoch nicht, sich aus eigener Macht die Finanzmittel und sonstigen Handlungsmittel zu verschaffen, die sie zur Erfüllung ihrer Zwecke für erforderlich erachtet; vielmehr wird in Art.F Abs.3 EUV lediglich die politisch-programmatische Absicht bekundet, daß die - die Union bildenden - Mitgliedstaaten in den jeweils dazu erforderlichen Verfahren die Union mit hinreichenden Mitteln ausstatten wollen. Würden europäische Organe den Art.F Abs.3 EUV entgegen diesem im deutschen Zustimmungsgesetz aufgenommenen Vertragsinhalt auslegen und handhaben, so wäre dieses Handeln vom Zustimmungsgesetz nicht gedeckt und somit innerhalb des deutschen Mitgliedstaates rechtlich unverbindlich. Die deutschen Staatsorgane müßten etwaigen auf eine derartige Handhabung des Art.F Abs.3 EUV gestützten Rechtsakten die Gefolgschaft verweigern.
      b 1) Gegen die Begründung einer Kompetenz-Kompetenz der Union durch Art.F Abs.3 EUV spricht bereits, daß der Unions-Vertrag an keiner Stelle den übereinstimmenden Willen der Vertragsparteien erkennbar werden läßt, mit der Union ein selbständiges Rechtssubjekt zu gründen, das Träger eigener Kompetenzen sein soll. Die Union besitzt nach Auffassung der Bundesregierung weder im Verhältnis zu den Europäischen Gemeinschaften noch zu den Mitgliedstaaten eine gesonderte Rechtspersönlichkeit. Diese Auffassung hat auch Generaldirektor Dewost [Leiter des Juristischen Dienstes der EG-Kommission] in der mündlichen Verhandlung bestätigt. ...
      b 6) Dementsprechend stimmen nicht nur Bundesregierung und Bundestag, sondern auch die Mitgliedstaaten und die Kommission der Europäischen Gemeinschaften in der Rechtsauffassung überein, daß der Unions-Vertrag keine Kompetenz-Kompetenz der Union begründet. ... Die Bundesregierung hat festgestellt und dem Senat mitgeteilt, daß ihre Auffassung zur Auslegung des Art.F Abs.3 EUV von den anderen Mitgliedstaaten geteilt wird.
      c) Die Mitgliedstaaten haben in Art.B EUV der Europäischen Union Ziele gegeben und bestimmt, daß diese nur nach Maßgabe des Unions-Vertrags verwirklicht werden dürfen. Sie haben überdies die Aufgaben und Befugnisse der drei Europäischen Gemeinschaften im einzelnen umschrieben und die europäischen Organe und Einrichtungen auf deren Wahrnehmung beschränkt ... Änderungen und Erweiterungen dieser Aufgaben- und Befugnisbestimmungen sind ihrem vorherigen, förmlichen Einverständnis vorbehalten, die Möglichkeiten einer Rechtsfortbildung auf der Grundlage des bestehenden Vertrages begrenzt (BVerfGE 75, 223 [240ff.]). ... Jede dieser Vertragsänderungen oder Vertragserweiterungen setzt jedoch voraus, daß die Mitgliedstaaten gemäß ihren verfassungsrechtlichen Vorschriften zustimmen. Art.23 Abs.1 Satz 2 GG fordert für jede weitere Übertragung von Hoheitsrechten ein Bundesgesetz. Änderungen der vertraglichen Grundlagen der Union und vergleichbare Regelungen, durch die das Grundgesetz seinem Inhalt nach geändert oder ergänzt wird oder solche Änderungen oder Ergänzungen ermöglicht werden, bedürfen nach Art.23 Abs.1 Satz 3, Art.79 Abs.2 GG der Zustimmung von zwei Dritteln der Mitglieder des Bundestages.
      d) Der Unions-Vertrag ist in den in ihm angelegten Vollzugsschritten auch insoweit für den Bundestag verantwortbar, als er die Entwicklung zur Europäischen Währungsunion und deren Bestand regelt.
      d 1) Die Währungsunion ist nach Titel VI, Kapitel 2 des EG-Vertrages als Stabilitätsgemeinschaft konzipiert, die vorrangig die Preisstabilität zu gewährleisten hat (Art.3a Abs.2, Art.105 Abs.1 Satz 1 EGV). ...
      d 2) Auch wenn derzeit noch nicht voraussehbar ist, welche Entwicklung die Währungsunion in ihren einzelnen Stufen nach wirtschaftlicher Bedeutung, beteiligten Mitgliedstaaten und Zeitpunkten nehmen wird, genügt das Zustimmungsgesetz zum Unions-Vertrag den Erfordernissen parlamentarischer Verantwortbarkeit.
      (1) Der Vertrag über die Europäische Union trifft eine völkerrechtliche Vereinbarung über einen auf Fortentwicklung angelegten mitgliedstaatlichen Verbund. Er ist darauf angewiesen, daß die Mitgliedstaaten den Vertrag ständig mit Leben erfüllen; Vollzug und Entwicklung des Vertrages müssen vom Willen der Vertragspartner getragen sein. ... [D]er Vollzug geltender Verträge ist auf die Kooperationsbereitschaft der Mitgliedstaaten angewiesen: Die in Art.102a ff. EGV vorgesehene Wirtschafts- und Währungsunion läßt sich wegen der wechselseitigen Bedingtheit von vertraglich vereinbarter Währungsunion und vorausgesetzter Entwicklung auch zu einer Wirtschaftsunion nur bei der stetigen ernsthaften Vollzugsbereitschaft aller Mitgliedstaaten verwirklichen.
      Im Rahmen dieser Bedingtheit von Vertragsinhalt und tatsächlich vorausgesetzten Konvergenzen ist auch der Zeitpunkt für den Eintritt in die dritte Stufe der Wirtschafts- und Währungsunion (Art.109j Abs.4 EGV) eher als Zielvorgabe denn als rechtlich durchsetzbares Datum zu verstehen. Zwar schulden die Mitgliedstaaten europarechtlich ein ernsthaftes Bemühen, dieses vertraglich genannte Datum zu erreichen. Wie Generaldirektor Dewost in der mündlichen Verhandlung bestätigt hat, findet die Setzung von Zieldaten nach gefestigter Gemeinschaftstradition ihren Sinn eher darin, die Integrationsentwicklung anzustoßen und zu beschleunigen, als sie unter allen Umständen fristgerecht zu verwirklichen ... Auch der EGKS-Vertrag gibt die weitere Entwicklung der Europäischen Union in die Hand der Mitgliedstaaten. Er ist nach Art.A EUV eine der Grundlagen der Union, tritt nach Art.97 EGKSV jedoch im Jahre 2002 außer Kraft und macht insoweit eine erneute Verständigung unter den Mitgliedstaaten notwendig.
      (2) Darüber hinaus genügt die Verpflichtung der Europäischen Zentralbank auf das vorrangige Ziel der Sicherung der Preisstabilität (Art.3a Abs.2, Art.105 Abs.1 EGV) auch einer gesonderten Verfassungspflicht der Bundesrepublik Deutschland als Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaft (Art.88 Satz 2 GG). Diese Verfassungspflicht hat innerhalb der Gemeinschaft insofern Bedeutung, als die Europäische Gemeinschaft eine Rechtsgemeinschaft ist und in dieser gemäß Art.5 EWGV der Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit gilt. Dieser Grundsatz verpflichtet nicht nur die Mitgliedstaaten gegenüber der Gemeinschaft, sondern er legt auch den Gemeinschaftsorganen entsprechende Pflichten zur loyalen Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten auf (siehe Beschluß des Europäischen Gerichtshofs vom 13. Juli 1990 in der Rechtssache C-2/88, Slg.1990 I, S.3367). Diese Loyalitätspflicht ist von Generaldirektor Dewost in der mündlichen Verhandlung dahingehend erläutert worden, daß die Gemeinschaftsorgane nachdrückliche Hinweise der Mitgliedstaaten auf entgegenstehendes Verfassungsrecht stets ernstnehmen und um eine Lösung bemüht sein würden, die das Verfassungsrecht des Mitgliedstaates achtet.
      (3) Das Anliegen des Deutschen Bundestages, sich für den Übergang zur dritten Stufe der Wirtschafts- und Währungsunion eine eigene Bewertung vorzubehalten und sich damit einer Aufweichung der Stabilitätskriterien zu widersetzen, kann sich insbesondere auf Art.6 des Protokolls über die Konvergenzkriterien stützen. Dort wird bereits die Regelung von Einzelheiten der vertraglich festgelegten Konvergenzkriterien in Abweichung von den Definitionen des Protokolls einer einstimmigen Entscheidung des Rates vorbehalten. ... [Daraus ist] ... zu entnehmen, daß die nach Art.109j Abs.2 EGV vom Rat seinen Empfehlungen zugrunde zu legende Beurteilung, ob einzelne Mitgliedstaaten die Konvergenzkriterien für die Einführung einer einheitlichen Währung erfüllen, diese Kriterien nicht durch bloße Mehrheitsentscheidung unterlaufen darf. Vielmehr kann das Mehrheitserfordernis nur bedeuten, daß im Rahmen der verbleibenden Einschätzungs-, Bewertungs- und Prognosespielräume Meinungsverschiedenheiten mehrheitlich ausgeräumt werden können. ... Unbeschadet ihm zustehender Einschätzungs-, Bewertungs- und Prognosespielräume erlaubt es der Vertragstext dem Rat nicht, sich von seiner Entscheidungsgrundlage in den Empfehlungen nach Art.109j Abs.2 EGV und damit von den vertraglich in Art.109j Abs.1 EGV festgelegten und im Protokoll über die Konvergenzkriterien näher definierten Konvergenzkriterien zu lösen. Damit ist hinreichend sichergestellt, daß ohne deutsche Zustimmung - und damit ohne maßgebliche Mitwirkung des Deutschen Bundestages - die Konvergenzkriterien nicht "aufgeweicht" werden können.
      (4) Daneben erkennt das Protokoll über den Übergang zur dritten Stufe der Wirtschafts- und Währungsunion an, daß der unwiderrufliche Eintritt in die dritte Stufe von "vorbereitenden Arbeiten" der betreffenden Mitgliedstaaten abhängig ist. Diese vorbereitenden Arbeiten richten sich auch nach dem jeweiligen nationalen Verfassungsrecht und können dort unter Parlamentsvorbehalt gestellt werden ... Auch insoweit kann der Deutsche Bundestag seinen Willen, die zukünftige Währungsunion nur unter den Voraussetzungen strikter Stabilitätskriterien beginnen zu lassen, jedenfalls im Rahmen des Art.23 Abs.3 GG und der im Sinne der Organtreue zu handhabenden Entschließung vom 2. Dezember 1992 zur Wirtschafts- und Währungsunion als Stabilitätsgemeinschaft ... zur Wirkung bringen.
      (5) Im Ergebnis unterwirft sich die Bundesrepublik Deutschland mit der Ratifikation des Unions-Vertrags somit nicht einem unüberschaubaren, in seinem Selbstlauf nicht mehr steuerbaren "Automatismus" zu einer Währungsunion; der Vertrag eröffnet den Weg zu einer stufenweisen weiteren Integration der Europäischen Rechtsgemeinschaft, der in jedem weiteren Schritt entweder von gegenwärtig für das Parlament voraussehbaren Voraussetzungen oder aber von einer weiteren, parlamentarisch zu beeinflussenden Zustimmung der Bundesregierung abhängt.
      e) Die Entwicklung der Währungsunion ist auch nach Eintritt in die dritte Stufe voraussehbar normiert und insoweit parlamentarisch verantwortbar. Der Unions-Vertrag regelt die Währungsunion als eine auf Dauer der Stabilität verpflichtete und insbesondere Geldwertstabilität gewährleistende Gemeinschaft. Zwar läßt sich nicht voraussehen, ob die Stabilität einer ECU-Währung auf der Grundlage der im Vertrag getroffenen Vorkehrungen tatsächlich dauerhaft gesichert werden kann. Die Befürchtung eines Fehlschlags der Stabilitätsbemühungen, der sodann weitere finanzpolitische Zugeständnisse der Mitgliedstaaten zur Folge haben könnte, ist jedoch zu wenig greifbar, als daß sich daraus die rechtliche Unbestimmtheit des Vertrages ergäbe. Der Vertrag setzt langfristige Vorgaben, die das Stabilitätsziel zum Maßstab der Währungsunion machen, die durch institutionelle Vorkehrungen die Verwirklichung dieses Zieles sicherzustellen suchen und letztlich - als ultima ratio - beim Scheitern der Stabilitätsgemeinschaft auch einer Lösung aus der Gemeinschaft nicht entgegenstehen. ... Diese Konzeption der Währungsunion als Stabilitätsgemeinschaft ist Grundlage und Gegenstand des deutschen Zustimmungsgesetzes. Sollte die Währungsunion die bei Eintritt in die dritte Stufe vorhandene Stabilität nicht kontinuierlich im Sinne des vereinbarten Stabilitätsauftrags fortentwickeln können, so würde sie die vertragliche Konzeption verlassen.
      f) Schließlich begründet auch der sachliche Zusammenhang zwischen der Währungsunion und einer Wirtschaftsunion keine Unbestimmtheit des Vertragsinhalts. Zwar mag es nachvollziehbare Gründe geben, die Währungsunion könne politisch-faktisch nur bei alsbaldiger Ergänzung durch eine Wirtschaftsunion sinnvoll durchgeführt werden, die über eine Koordinierung der Wirtschaftspolitik der Mitgliedstaaten und der Gemeinschaft hinausgeht. Eine solche Ergänzung setzt aber ein Vertragsänderungsverfahren gemäß Art.N EUV und dementsprechend eine weitere parlamentarische Zustimmung voraus. Insofern ist gegenwärtig offen, ob die Währungsunion eine derartige Wirtschaftsunion zur Folge haben oder aber der fehlende Wille der Mitgliedstaaten zu einer vergemeinschafteten Wirtschaftspolitik und einem damit verbundenen "dominanten Haushalt" der Gemeinschaft ... den zukünftigen Verzicht auf die Währungsunion und eine dementsprechende Vertragsänderung bedingen wird.
      Darüber hinaus weisen gewichtige Stimmen darauf hin, daß eine Währungsunion, zumal zwischen Staaten, die auf eine aktive Wirtschafts- und Sozialpolitik ausgerichtet sind, letztlich nur gemeinsam mit einer politischen - alle finanzwirtschaftlich wesentlichen Aufgaben umfassenden - Union, nicht aber unabhängig davon oder als eine bloße Vorstufe auf dem Wege dahin verwirklicht werden könne. ... Hiermit wird indes keine verfassungsrechtliche sondern eine politische Frage aufgeworfen. Die Währungsunion ohne eine gleichzeitige oder unmittelbar nachfolgende politische Union zu vereinbaren und ins Werk zu setzen, ist eine politische Entscheidung, die von den dazu berufenen Organen politisch zu verantworten ist. Stellt sich heraus, daß die gewollte Währungsunion in der Realität ohne eine (noch nicht gewollte) politische Union nicht zu verwirklichen ist, bedarf es einer erneuten politischen Entscheidung, wie weiter vorgegangen werden soll. Für diese Entscheidung ist rechtlich Raum, weil die Währungsunion nach dem jetzigen Vertrag eine politische Union ebensowenig wie eine Wirtschaftsunion automatisch nach sich zu ziehen vermag, es dazu vielmehr einer Vertragsänderung bedarf, die ohne die Entscheidung der nationalen staatlichen Organe einschließlich des Deutschen Bundestages nicht zustandekommen kann. Diese Entscheidung ist dann wiederum - im Rahmen des verfassungsrechtlich Zulässigen - politisch zu verantworten.
      3. Die im Unions-Vertrag vorgesehene Einräumung von Aufgaben und Befugnissen europäischer Organe beläßt dem Deutschen Bundestag noch hinreichende Aufgaben und Befugnisse von substantiellem politischen Gewicht. Der Vertrag setzt der in ihm angelegten Dynamik einer weiteren Integration auch eine hinreichend verläßliche Grenze, die eine Ausgewogenheit zwischen der Struktur gouvernementaler Entscheidung im europäischen Staatenverbund und den Entscheidungsvorbehalten sowie Mitentscheidungsrechten des Deutschen Bundestages wahrt.
      a) Die Einflußmöglichkeiten des Bundestages und damit der Wähler auf die Wahrnehmung von Hoheitsrechten durch europäische Organe sind allerdings nahezu vollständig zurückgenommen, soweit die Europäische Zentralbank mit Unabhängigkeit gegenüber der Europäischen Gemeinschaft und den Mitgliedstaaten ausgestattet wird (Art.107 EGV). Ein wesentlicher Politikbereich, der mit dem Geldwert die individuelle Freiheit stützt und mit der Geldmenge auch das öffentliche Finanzwesen und die davon abhängigen Politikbereiche bestimmt, wird der Weisungsbefugnis von Hoheitsträgern und - außerhalb einer Vertragsänderung - zugleich der gesetzgeberischen Kontrolle von Aufgabenbereichen und Handlungsmitteln entzogen. Die Verselbständigung der meisten Aufgaben der Währungspolitik bei einer unabhängigen Zentralbank löst staatliche Hoheitsgewalt aus unmittelbarer staatlicher oder supranationaler parlamentarischer Verantwortlichkeit, um das Währungswesen dem Zugriff von Interessentengruppen und der an einer Wiederwahl interessierten politischen Mandatsträger zu entziehen ...
      Diese Einschränkung der von den Wählern in den Mitgliedstaaten ausgehenden demokratischen Legitimation berührt das Demokratieprinzip, ist jedoch als eine in Art.88 Satz 2 GG vorgesehene Modifikation dieses Prinzips mit Art.79 Abs.3 GG vereinbar. ... Der Wille des verfassungsändernden Gesetzgebers zielt ... ersichtlich darauf, für die im Unions-Vertrag vorgesehene Währungsunion eine verfassungsrechtliche Grundlage zu schaffen, die Einräumung der damit verbundenen, in der dargelegten Weise unabhängig gestellten Befugnisse und Institutionen jedoch auch auf diesen Fall zu begrenzen. Diese Modifikation des Demokratieprinzips im Dienste der Sicherung des in eine Währung gesetzten Einlösungsvertrauens ist vertretbar, weil es der - in der deutschen Rechtsordnung erprobten und, auch aus wissenschaftlicher Sicht, bewährten - Besonderheit Rechnung trägt, daß eine unabhängige Zentralbank den Geldwert und damit die allgemeine ökonomische Grundlage für die staatliche Haushaltspolitik und für private Planungen und Dispositionen bei der Wahrnehmung wirtschaftlicher Freiheitsrechte eher sichert als Hoheitsorgane, die ihrerseits in ihren Handlungsmöglichkeiten und Handlungsmitteln wesentlich von Geldmenge und Geldwert abhängen und auf die kurzfristige Zustimmung politischer Kräfte angewiesen sind. Insofern genügt die Verselbständigung der Währungspolitik in der Hoheitskompetenz einer unabhängigen Europäischen Zentralbank, die sich nicht auf andere Politikbereiche übertragen läßt, den verfassungsrechtlichen Anforderungen, nach denen das Demokratieprinzip modifiziert werden darf (vgl. BVerfGE 30, 1 [24]; 84, 90 [121]).
      b) ... Der Unions-Vertrag genügt ... dem mit der zunehmenden Integrationsdichte einhergehenden Gebot, die Handlungsmöglichkeiten europäischer Organe nicht nur auf Ziele hin zu bestimmen, sondern in ihren Mitteln tatbestandlich zu erfassen, ihre Aufgaben und Befugnisse also gegenständlich zu umgrenzen. ... Der Unions-Vertrag und insbesondere der EG-Vertrag folgen dem Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung ... Nach diesem Grundsatz kann zwar eine einzelne Bestimmung, die Aufgaben und Befugnisse zuweist, mit Blick auf die Vertragsziele ausgelegt werden; das Vertragsziel selbst genügt jedoch nicht, um Aufgaben und Befugnisse zu begründen oder zu erweitern ... Darüber hinaus verdeutlicht der Unions-Vertrag durch ausdrückliche Hinweise auf das Erfordernis einer Vertragsänderung (Art.N EUV) oder einer Vertragserweiterung (Art.K.9 EUV) die Trennlinie zwischen einer Rechtsfortbildung innerhalb der Verträge (zur richterlichen Rechtsfortbildung vgl. BVerfGE 75, 223 [240ff.]) und einer deren Grenzen sprengenden, vom geltenden Vertragsrecht nicht gedeckten Rechtsetzung. Diesen Maßstab nimmt Art.23 Abs.1 GG auf, wenn er für Änderungen der vertraglichen Grundlagen der Europäischen Union und für vergleichbare Regelungen ein Zustimmungsgesetz fordert.
      Indem die Gründungsverträge den Europäischen Gemeinschaften einerseits in umgrenzten Tatbeständen Hoheitsrechte einräumen, andererseits die Vertragsänderung ... regeln, hat diese Unterscheidung auch Bedeutung für die zukünftige Handhabung der Einzelermächtigungen. Wenn eine dynamische Erweiterung der bestehenden Verträge sich bisher auf eine großzügige Handhabung des Art.235 EWGV im Sinne einer "Vertragsabrundungskompetenz", auf den Gedanken der inhärenten Zuständigkeiten der Europäischen Gemeinschaften ("implied powers") und auf eine Vertragsauslegung im Sinne einer größtmöglichen Ausschöpfung der Gemeinschaftsbefugnisse ("effet utile") gestützt hat ..., so wird in Zukunft bei der Auslegung von Befugnisnormen durch Einrichtungen und Organe der Gemeinschaften zu beachten sein, daß der Unions-Vertrag grundsätzlich zwischen der Wahrnehmung einer begrenzt eingeräumten Hoheitsbefugnis und der Vertragsänderung unterscheidet, seine Auslegung deshalb im Ergebnis nicht einer Vertragserweiterung gleichkommen darf; eine solche Auslegung von Befugnisnormen würde für Deutschland keine Bindungswirkung entfalten.
      c) Die Handhabung dieses Prinzips der beschränkten Einzelermächtigung wird sodann durch das Subsidiaritätsprinzip verdeutlicht und weiter begrenzt. Für die Europäische Gemeinschaft ist der Subsidiaritätsgrundsatz in Art.3b Abs.2 EGV verankert ... Das Subsidiaritätsprinzip begründet ... keine Befugnisse der Europäischen Gemeinschaft, sondern begrenzt die Ausübung bereits anderweitig eingeräumter Befugnisse. ... Das bedeutet: Besteht eine vertragliche Handlungsbefugnis, so bestimmt das Subsidiaritätsprinzip, ob und wie die Europäische Gemeinschaft tätig werden darf. Will der Gemeinschaftsgesetzgeber eine ihm zugewiesene Gesetzgebungsbefugnis ausüben, so muß er sich zunächst vergewissern - und dies gemäß Art.190 EGV auch nachvollziehbar darlegen -, daß die Ziele der in Betracht gezogenen Maßnahme durch ein Tätigwerden der Mitgliedstaaten auf nationaler Ebene nicht ausreichend erreicht werden können. Sodann muß dieser Befund den weiteren Schluß rechtfertigen, daß die Ziele in Anbetracht des Umfangs oder der Wirkungen der Maßnahme besser auf Gemeinschaftsebene zu erreichen sind.
      Mit diesem Subsidiaritätsprinzip, dessen Einhaltung der Europäische Gerichtshof zu überwachen hat, sollen die nationale Identität der Mitgliedstaaten gewahrt und ihre Befugnisse erhalten bleiben (Europäischer Rat in Edinburgh, a.a.O., S.1280f.). Inwieweit das Subsidiaritätsprinzip einer Erosion mitgliedstaatlicher Zuständigkeiten und damit einer Entleerung der Aufgaben und Befugnisse des Bundestages entgegenwirken wird, hängt - neben der an das Subsidiaritätsprinzip gebundenen Rechtsprechung des Europäischen Gerichthofs - maßgeblich von der Praxis des Rates als dem eigentlichen Gesetzgebungsorgan der Gemeinschaft ab. Hier hat die Bundesregierung ihren Einfluß zugunsten einer strikten Handhabung des Art.3b Abs.2 EGV geltend zu machen und damit die ihr durch Art.23 Abs.1 Satz 1 GG auferlegte Verfassungspflicht zu erfüllen. Der Bundestag hat seinerseits die Möglichkeit, über sein in Art.23 Abs.3 GG begründetes Mitwirkungsrecht an der internen deutschen Willensbildung auf die Ratspraxis einzuwirken und sie im Sinne des Subsidiaritätsprinzips zu beeinflussen. Auch der Bundestag erfüllt damit eine ihm nach Art.23 Abs.1 Satz 1 GG obliegende Verfassungspflicht. Im übrigen ist zu erwarten, daß sich auch der Bundesrat des Subsidiaritätsprinzips besonders annehmen wird ...
      d) Als drittes grundlegendes Prinzip der Gemeinschaftsverfassung regelt Art.3b Abs.3 EGV den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Dieses Prinzip enthält zunächst ein grundrechtliches Übermaßverbot, kann aber im Rahmen eines Staatenverbundes, der eben nicht eine staatliche organisierte Einheit ist, die Regelungsintensität von Gemeinschaftsmaßnahmen auch im Dienste der Verpflichtung des Art.F Abs.1 EUV beschränken und so die nationale Identität der Mitgliedstaaten und damit die Aufgaben und Befugnisse ihrer Parlamente gegen ein Übermaß europäischer Regelungen wahren. ...
      4. Im Ergebnis regelt der Unions-Vertrag begrenzte Handlungsermächtigungen der Organe und Einrichtungen der drei Europäischen Gemeinschaften, deren Wahrnehmung nach Handlungsmitteln und Regelungsintensität abgestuft ist. Der Vertrag räumt rechtlich bestimmbare Hoheitsrechte ein; dies konnte parlamentarisch verantwortet werden und ist infolgedessen demokratisch legitimiert. ...
      D. Der Vertrag von Maastricht räumt ... europäischen Organen weitere wesentliche Aufgaben und Befugnisse ein, die auf der Ebene der Verträge bisher nicht von einer entsprechenden Stärkung und Erweiterung der demokratischen Grundlagen gestützt werden. Er errichtet eine neue Stufe der europäischen Einigung, die nach dem erklärten Willen der vertragsschließenden Parteien Demokratie und Effizienz in der Arbeit der Organe weiter stärken soll (Präambel, 5.Erwägung). Demokratie und Effizienz sind hiernach voneinander nicht zu trennen; auch von der Stärkung des demokratischen Prinzips wird erwartet, daß sie die Arbeit auf Gemeinschaftsebene in allen Organen verbessert. Zugleich achtet die Union nach Art.F Abs.1 EUV die nationale Identität ihrer Mitgliedstaaten, deren Regierungssysteme auf demokratischen Grundsätzen beruhen. Insoweit wahrt die Union die in den Mitgliedstaaten vorgefundenen demokratischen Grundlagen und baut auf diesen auf.
      Aus diesem Sinnzusammenhang kann sich eine weitere Entwicklung der Europäischen Union nicht lösen. Der verfassungsändernde Gesetzgeber hat dem im Zusammenhang mit diesem Vertrag durch die Einfügung des Art.23 GG in das Grundgesetz Rechnung getragen, wenn dort ausdrücklich von der Entwicklung der Europäischen Union gesprochen wird, die demokratischen, rechtsstaatlichen, sozialen und föderativen Grundsätzen und dem Grundsatz der Subsidiarität verpflichtet ist. Entscheidend ist somit sowohl aus vertraglicher wie aus verfassungsrechtlicher Sicht, daß die demokratischen Grundlagen der Union schritthaltend mit der Integration ausgebaut werden und auch im Fortgang der Integration in den Mitgliedstaaten eine lebendige Demokratie erhalten bleibt.

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