Protestaufruf
zf. In einem offenen Brief an die Bürger protestieren 172 Wirtschaftsprofessoren aus Österreich und Deutschland gegen die Beschlüsse des jüngsten EU-Gipfels. Im folgenden drucken wir die Erklärung im Wortlaut ab.
zf. In einem offenen Brief an die Bürger protestieren 172 Wirtschaftsprofessoren aus Österreich und Deutschland gegen die Beschlüsse des jüngsten EU-Gipfels. Im folgenden drucken wir die Erklärung im Wortlaut ab.
Liebe Mitbürger,
die Entscheidungen, zu denen sich die Kanzlerin auf dem Gipfeltreffen der EU-Länder gezwungen sah, waren falsch. Wir, Wirtschaftswissenschaftlerinnen und Wirtschaftswissenschaftler der deutschsprachigen Länder, sehen den Schritt in die Bankenunion, die eine kollektive Haftung für die Schulden der Banken des Eurosystems bedeutet, mit grosser Sorge. Die Bankschulden sind fast dreimal so gross wie die Staatsschulden und liegen in den fünf Krisenländern im Bereich von mehreren Billionen Euro. Die Steuerzahler, Rentner und Sparer der bislang noch soliden Länder Europas dürfen für die Absicherung dieser Schulden nicht in Haftung genommen werden, zumal riesige Verluste aus der Finanzierung der inflationären Wirtschaftsblasen der südlichen Länder absehbar sind. Banken müssen scheitern dürfen. Wenn die Schuldner nicht zurückzahlen können, gibt es nur eine Gruppe, die die Lasten tragen sollte und auch kann: die Gläubiger selber, denn sie sind das Investitionsrisiko bewusst eingegangen und nur sie verfügen über das notwendige Vermögen.
Die Politiker mögen hoffen, die Haftungssummen begrenzen und den Missbrauch durch eine gemeinsame Bankenaufsicht verhindern zu können. Das wird ihnen aber kaum gelingen, solange die Schuldnerländer über die strukturelle Mehrheit im Euroraum verfügen. Wenn die soliden Länder der Vergemeinschaftung der Haftung für die Bankschulden grundsätzlich zustimmen, werden sie immer wieder Pressionen ausgesetzt sein, die Haftungssummen zu vergrössern oder die Voraussetzungen für den Haftungsfall aufzuweichen. Streit und Zwietracht mit den Nachbarn sind vorprogrammiert. Weder der Euro noch der europäische Gedanke als solcher werden durch die Erweiterung der Haftung auf die Banken gerettet; geholfen wird statt dessen der Wall Street, der City of London – auch einigen Investoren in Deutschland – und einer Reihe maroder in- und ausländischer Banken, die nun weiter zu Lasten der Bürger anderer Länder, die mit all dem wenig zu tun haben, ihre Geschäfte betreiben dürfen.
Die Sozialisierung der Schulden löst nicht dauerhaft die aktuellen Probleme; sie führt dazu, dass unter dem Deckmantel der Solidarität einzelne Gläubigergruppen bezuschusst und volkswirtschaftlich zentrale Investitonsentscheidungen verzerrt werden.
Bitte tragen Sie diese Sorgen den Abgeordneten Ihres Wahlkreises vor; unsere Volksvertreter sollen wissen, welche Gefahren unserer Wirtschaft drohen.
die Entscheidungen, zu denen sich die Kanzlerin auf dem Gipfeltreffen der EU-Länder gezwungen sah, waren falsch. Wir, Wirtschaftswissenschaftlerinnen und Wirtschaftswissenschaftler der deutschsprachigen Länder, sehen den Schritt in die Bankenunion, die eine kollektive Haftung für die Schulden der Banken des Eurosystems bedeutet, mit grosser Sorge. Die Bankschulden sind fast dreimal so gross wie die Staatsschulden und liegen in den fünf Krisenländern im Bereich von mehreren Billionen Euro. Die Steuerzahler, Rentner und Sparer der bislang noch soliden Länder Europas dürfen für die Absicherung dieser Schulden nicht in Haftung genommen werden, zumal riesige Verluste aus der Finanzierung der inflationären Wirtschaftsblasen der südlichen Länder absehbar sind. Banken müssen scheitern dürfen. Wenn die Schuldner nicht zurückzahlen können, gibt es nur eine Gruppe, die die Lasten tragen sollte und auch kann: die Gläubiger selber, denn sie sind das Investitionsrisiko bewusst eingegangen und nur sie verfügen über das notwendige Vermögen.
Die Politiker mögen hoffen, die Haftungssummen begrenzen und den Missbrauch durch eine gemeinsame Bankenaufsicht verhindern zu können. Das wird ihnen aber kaum gelingen, solange die Schuldnerländer über die strukturelle Mehrheit im Euroraum verfügen. Wenn die soliden Länder der Vergemeinschaftung der Haftung für die Bankschulden grundsätzlich zustimmen, werden sie immer wieder Pressionen ausgesetzt sein, die Haftungssummen zu vergrössern oder die Voraussetzungen für den Haftungsfall aufzuweichen. Streit und Zwietracht mit den Nachbarn sind vorprogrammiert. Weder der Euro noch der europäische Gedanke als solcher werden durch die Erweiterung der Haftung auf die Banken gerettet; geholfen wird statt dessen der Wall Street, der City of London – auch einigen Investoren in Deutschland – und einer Reihe maroder in- und ausländischer Banken, die nun weiter zu Lasten der Bürger anderer Länder, die mit all dem wenig zu tun haben, ihre Geschäfte betreiben dürfen.
Die Sozialisierung der Schulden löst nicht dauerhaft die aktuellen Probleme; sie führt dazu, dass unter dem Deckmantel der Solidarität einzelne Gläubigergruppen bezuschusst und volkswirtschaftlich zentrale Investitonsentscheidungen verzerrt werden.
Bitte tragen Sie diese Sorgen den Abgeordneten Ihres Wahlkreises vor; unsere Volksvertreter sollen wissen, welche Gefahren unserer Wirtschaft drohen.
Hanns Abele (Wien), Werner Abelshauser
(Bielefeld), Klaus Adam (Mannheim), Niels Angermüller (Göttingen),
Thomas Apolte (Münster), Lutz G. Arnold (Regensburg), Ludwig von Auer
(Trier), Ulrich Basseler (Berlin), Sascha Becker (Warwick), Gerard J.
van den Berg (Mannheim), Annette Bergemann (Mannheim), Peter Bernholz
(Basel), Norbert Berthold (Würzburg), Thomas Beissinger (Hohenheim),
Martin Biewen (Tübingen), Charles B. Blankart (Berlin), Eckhart Bomsdorf
(Köln), Michael Braulke (Osnabrück), Friedrich Breyer (Konstanz),
Jeanette Brosig-Koch (Duisburg-Essen), Carsten Burhop (Köln), Volker
Caspari (Darmstadt), Dieter Cassel (Duisburg/Essen), Norbert Christopeit
(Bonn), Manfred Deistler (Wien), Alexander Dilger (Münster), Klaus
Diller (Koblenz), Jürgen B. Donges (Köln), Axel Dreher (Heidelberg),
Hilmar Drygas (Kassel), Jürgen Eichberger (Heidelberg), Patrick
Eichenberger (Zug), Peter Egger (Zürich), Wolfgang Eggert (Freiburg),
Mathias Erlei (Clausthal-Zellerfeld), Hans Fehr (Würzburg), Stefan
Felder (Basel), Cay Folkers (Bochum), Reto Föllmi (St. Gallen), Andreas
Freytag (Jena), Jan Franke-Viebach (Siegen), Michael Fritsch (Jena),
Markus Frölich (Mannheim), Wilfried Fuhrmann (Potsdam), Michael Funke
(Hamburg), Werner Gaab (Bochum), Gerhard Gehrig (Frankfurt), Egon
Görgens (Bayreuth), Volker Grossmann (Freiburg/Schweiz), Joachim Grammig
(Tübingen), Wolf-Heimo Grieben (Würzburg), Thomas Gries (Paderborn),
Josef Gruber (Hagen), Erich Gundlach (Hamburg), Hendrik Hakenes (Bonn),
Gerd Hansen (Kiel), Andreas Haufler (München), Harry Haupt (Bielefeld),
Nikolaus Hautsch (Berlin), Burkard Heer (Augsburg), Arne Heise
(Hamburg), Christoph Helberger (Berlin), Florian Heiss (Mainz), Thomas
Hering (Hagen), Carsten Herrmann-Pillath (Frankfurt), Matthias Hertweck
(Konstanz), Helmut Herwartz (Kiel), Hans Hirth (Berlin), Stefan
Hoderlein (Boston), Andreas Hoffmann (Leipzig), Stefan Homburg
(Hannover), Jürgen Jerger (Regensburg), Uwe Jirjahn (Trier), Leo Kaas
(Mannheim), Alexander Karmann (Dresden), Gebhard Kirchgässner (St.
Gallen), Oliver Kirchkamp (Jena), Guy Kirsch (Freiburg/Schweiz), Roland
Kirstein (Magdeburg), Kai Konrad (Berlin), Walter Krämer (Dortmund), Tim
Krieger (Paderborn), Hans-Martin Krolzig (Canterbury), Jens Krüger
(Darmstadt), Jörn Kruse (Hamburg), Franz Peter Lang (Braunschweig),
Bernd Lucke (Hamburg), Helga Luckenbach (Giessen), Helmut Lütkepohl
(Berlin), Ernst Maug (Mannheim), Georg Meran (Berlin), Dirk Meyer
(Hamburg), Georg Milbradt (Dresden), Gertrud Moosmüller (Passau), Karl
Mosler (Köln), Georg Müller-Fürstenberger (Trier), Marc-Andreas Muendler
(San Diego), Bernhard Neumärker (Freiburg), Werner Neus (Tübingen),
Dirk Niepelt (Gerzensee), Volker Nitsch (Darmstadt), Peter Oberender
(Bayreuth), Walter Oberhofer (Regensburg), Ingrid Ott (Karlsruhe), Max
Otte (Graz), Wolfgang Paffenberger (Bremen), Hans-Georg Petersen
(Potsdam), Dietmar Petzina (Bochum), Wilhelm Pfähler (Hamburg), Michael
Pickhardt (Cottbus), Winfried Pohlmeier (Konstanz), Mattias Polborn
(Urbana-Champain), Olaf Posch (Aarhus), Birger P. Priddat
(Witten-Herdecke), Bernd Raffelhüschen (Freiburg), Olaf Rank (Freiburg),
Franko Reither (Hamburg), Til Requate (Kiel), Rudolf Richter
(Saarbrücken), Gerhard Rübel (Göttingen), Ralf Runde (Siegen), Dirk
Sauerland (Witten-Herdecke), Wolf Schäfer (Hamburg), Malcolm Schauf
(Essen), Bernhard Scherer (London), Jörg Schimmelpfennig (Bochum),
Burkhard C. Schipper (University of California), Karl Schmedders
(Zürich), André Schmidt (Witten-Herdecke), Gunther Schnabl (Leipzig),
Ronnie Schöb (Berlin), Klaus Schöler (Potsdam), Siegfried G. Schoppe
(Hamburg), Matthias Graf von der Schulenburg (Hannover), Christian Seidl
(Kiel), Franz Seitz (Weiden), Friedrich L. Sell (Neubiberg), Gernot
Sieg (Braunschweig), Hans-Werner Sinn (München), Peter Spahn
(Hohenheim), Georg Stadtmann (Frankfurt/Oder), Joachim Starbatty
(Tübingen), Thomas Steger (Leipzig), Martin Steinrücke (Greifswald),
Erich Streissler (Wien), Wolfgang Ströbele (Münster), Hans Gerhard
Strohe (Oppen), Tymon Tatur (Bonn), Theresia Theurl (Münster), Stephan
Thomsen (Hannover), Karl-Heinz Tödter (Frankfurt), Stefan Traub
(Bremen), Siegfried Trautmann (Mainz), Harald Uhlig (Chicago), Stefan
Voigt (Hamburg), Andreas Wagener (Hannover), Gerhard Wagenhals
(Hohenheim), Adolf Wagner (Tübingen/Leipzig), Martin Wagner (Graz),
Klaus Wälde (Mainz), Martin Wallmeier (Freiburg/Schweiz), Gerhard Wegner
(Erfurt), Joachim Weimann (Magdeburg), Thomas Wein (Lüneburg), Rafael
Weissbach (Rostock), Robert K. von Weizsäcker (München), Frank
Westermann (Osnabrück), Hans Wielens (Münster), Michael Wolf (Zürich),
Elmar Wolfstetter (Berlin), Klaus F. Zimmermann (Bonn), Achim Zink
(Karlsruhe/Wien)
Quelle: Zeit-Fragen Nr. 29 vom 9. Juli 2012
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen