von Professor Karl Albrecht Schachtschneider
Mit dem
Vertrag von Maastricht vom 7. Februar 1992, der wegen der ebenfalls von
mir vertretenen Verfassungsbeschwerde gegen das deutsche Zustimmungsgesetz
erst am 1. November 1993 in Kraft getreten ist, wurde die
Währungshoheit der Mitgliedstaaten auf die Europäische Union übertragen, näherhin durch Art. 105 ff. EGV27. In Deutschland wurde für die weitreichenden Übertragungen von
nationalen Hoheitsrechten auf die
Union ein neuer Europaartikel geschaffen, nämlich Art. 23 des Grundgesetzes. Die Ermächtigung, die Aufgaben und Befugnisse der Bundesbank auf die Europäische Zentralbank zu
übertragen, „die unabhängig ist und dem vorrangigen Ziel der Sicherung
der Preisstabilität verpflichtet“ ist, ist
eigens in Art. 88 S. 2 GG hinzugefügt worden. Das Maastricht-Urteil vom 12. Oktober 1993 hat die Befugnisse der Europäischen Union erheblich eingeschränkt und Prinzipien unterworfen, welche wegen der
nationalen Souveränität in nationaler Verantwortung bleiben müssen. Dennoch ist die Währungsunion eine schwere
Verletzung der Souveränität, weil die
Währungshoheit, die von der Wirtschafts- und Sozialhoheit nicht getrennt werden kann, seit eh und je zum
zentralen Bestand der Souveränität gehört.
25 Dazu K. A. Schachtschneider,
Wirtschaftsverfassung mit Welthandelsordnung, S. 111 ff., 624 ff. (Kritik der
Globalisierung).
26 Dazu K. A. Schachtschneider,
Grenzen der Kapitalverkehrsfreiheit, in: ders. (Hrsg.), Rechtsfragen der
Weltwirtschaft, 2002, S. 253 ff.
27 Dazu K. A. Schachtschneider,
Wirtschaftsverfassung mit Welthandelsordnung, S. 157 ff.
Seit der Einführung der einheitlichen Währung, dem Euro, am 1. Januar 1999 ist die Währungspolitik mittels Art. 105 ff. EGV, jetzt Art. 127 ff. AEUV dem Europäischen System der Zentralbanken (ESZB) überantwortet. Dieses, zumal dessen Leitungsorgan, die Europäische Zentralbank (EZB), ist von
allen anderen Organen der Mitgliedstaaten und der Union unabhängig (Art.
130 AEUV). Die nationalen Zentralbanken sind
durch die Auswahl der Leitungsgremien noch schwach von ihren Völkern
legitimiert, die Europäische Zentralbank, welche die Geldpolitik verbindlich
steuert, hat keinerlei demokratische Legitimation, hat aber mittels der
Staatsfinanzierung die wesentliche Regierungsfunktion im Euro-Gebiet an sich gezogen. Das Bundesverfassungsgericht meinte im Maastricht-Urteil 1993, das demokratische Defizit der EZB mit der notwendigen Sachlichkeit der Geldpolitik, die sich
von politischen Einflüssen frei
machen müsse, rechtfertigen zu
können (BVerfGE 89, 155 (199, 207 ff.)). Das Gericht hat das Prinzip der Demokratie damit im Wesen verkannt und ist auch durch die Politik der
EZB, die nicht mehr als Geldpolitik ausgegeben werden kann, empirisch widerlegt
worden.
Der Deutsche
Bundestag hat heilige Schwüre auf die Stabilitätsverpflichtung der
Währungsunion geleistet, aber bereitwillig den Vertragsbrüchen durch die Euro-Rettungspolitik
zugestimmt28. Die Gefahren der Währungsunion für die wirtschaftliche Stabilität, die ihnen sachkundig dargelegt worden waren, haben
die Parlamentarier nie wirklich zur Kenntnis genommen, weil das ihrer Vision von einem großen, mächtigen Europa
widersprach, die sie jedenfalls in Deutschland zu ihrer Moral zu machen hatten. Schon dadurch haben sie die
Souveränität der Bürger verraten.
Die
Verfassungsbeschwerde, die ich mit drei Kollegen der Volkswirtschaftslehre
(Wilhelm Hankel, Wilhelm Nölling, Joachim Starbatty) gegen den Schritt zur dritten Stufe der
Währungsunion, die Einführung der einheitlichen Währung, den Euro, am 12.
Januar 1998 erhoben habe, hat das
Bundesverfassungsgericht am 31.
März 1998 in großer Eile durch Beschluß als „offensichtlich unbegründet“ verworfen und dieses
offensichtlich fragwürdige
Erkenntnis auf 39 Seiten begründet (BVerfGE
97, 350 ff.). Die Euro-Klage haben
wir 1998 bei rororo veröffentlicht, den Verwerfungsbeschluß habe ich in
der Schrift W. Hankel u.a., die Euro-Illusion, 2001, S. 274 ff. erörtert.
Österreich
und Deutschland haben nicht nur ihre durch das Sozialprinzip geprägte
Wirtschaftsverfassung eingebüßt und die Fähigkeit verloren, sachgerecht auf
die Wirtschaftslagen zu reagieren, etwa durch eine antizyklische
Konjunkturpolitik, sondern darüber hinaus wird die Union befugt,
verbindlich die Grundzüge der Wirtschaftspolitik für die Union und vor allem für die
Mitgliedstaaten zu definieren (Art. 121 Abs. 2 ff. AEUV)29.
Die Grundzüge können makro- oder mikropolitische Vorgaben machen.
Sie sind der Wirtschaftsverfassung
der Union verpflichtet und stehen darum dem Sozialprinzip des Grundgesetzes,
insbesondere dessen
beschäftigungspolitischer Zielsetzung, entgegen. Hinzu kommt die
außenwirtschaftliche Entmachtung
der Mitgliedstaaten, weil die Handelspolitik (Art. 206 f. AEUV) der ausschließlichen Zuständigkeit der Union
überantwortet ist und bleiben wird (Art. 3 Abs.
1 lit. e AEUV)30. Eine beschäftigungswirksame Beihilfepolitik
ist den Mitgliedstaaten grundsätzlich untersagt
(Art. 107 AEUV). Als Standortpolitik bleibt nur die sogenannte Lohnflexibilisierung, also die Absenkung der Löhne, oder eben wegen der eindimensionalen Globalisierung die von dem grenzüberschreitenden Wettbewerb erzwungene Arbeitslosigkeit,
weil die sozialen Standards, die Österreich und Deutschland lange Zeit erfüllt hatten und zu erfüllen verpflichtet waren und sind, nicht globalisiert
sind, vor allem nicht die menschenrechtlichen Standards, deren Verwirklichung
das Sozialprinzip gebietet.
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