Nur noch zwölf
Piloten für Eurofighter.
Sparkurs und
Strukturprobleme führen beim Heer zum Kollaps. DerFlugbetrieb wird reduziert. Hunderte Fahrzeuge werden
abgestoßen.Salzburg, Wien.Das Bundesheer
verliert seine Mobilität auf dem Boden und
in der Luft und ist damit aus militärischer Sicht nicht mehr
voll einsatzfähig.
Weil aus Spargründen 900 Pinzgauer verkauft werden und
die Steyr-Lkw-Flotte stillgelegt wird, büßen
die Landstreitkräfte in zunehmenden Maße
ihre Bewegungsfähigkeit ein. Ein Beispiel ist die
7.
Jägerbrigade in Klagenfurt, einer
von vier Kampfverbänden des Bundesheeres.
Diese Brigade verfügt insgesamt über 27 Kompanien;
ab Juli sind nur noch drei davon
beweglich.
Damit hat das Heer bereits
Probleme, zu einem größeren Assistenzeinsatz
nach einer Naturkatastrophe auszurücken – bislang
die maßgebliche Existenzberechtigung und
„Lebensversicherung“ für das Bundesheer.
Nicht viel besser als der
Infanterie ergeht es den österreichischen Luftstreitkräften. Jetzt wurden sechs Eurofighterpiloten „aus
dem System genommen“, wie es heißt. Damit
gibt es nur noch zwölf Piloten
für 15
Maschinen.Hintergrund sind Einsparungen
beim Betrieb und die Rationierung von Flugbenzin. Für Piloten ist aber ein Minimum an
Flugstunden vorgeschrieben – und die
reichten nicht mehr für 16 Piloten. Für die
betroffenen Flieger wird nun ein neues Betätigungsfeld gesucht.
Ziel sei es, die Piloten als Fachleute zu
halten, heißt es aus dem Verteidigungsministerium.
Viel
wahrscheinlicher ist aber, dass qualifiziertes Personal das
Weite sucht. Die Stimmung im Heer ist im
Keller, die Kommandanten eilen von einer
Krisensitzung zur nächsten. „Wir erfahren alle paar Wochen
von
einer neuen Einsparungsmaßnahme, die
alle bisherigen Planungen über den Haufen
schmeißt“, schildert ein General. Der
strikte Sparkurs der Regierung und nicht gelöste
Strukturprobleme führen zum Systemkollaps
beim Heer. Nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten ist der Betrieb pleite: 1300 Mill. Euro werden für
das
Personal benötigt, 700 Mill. Euro für
den laufenden Betrieb. Die Einnahmen aus dem
Budget belaufen sich aber nur auf 1840 Mill. Euro. Damit fehlen 160 Mill. Euro, die mit teils absurd anmutenden
Sparideen aufgebracht werden sollen.
So mussten jüngst die höheren Stäbe ihre Kampfausrüstung abgeben, weil nichts mehr angekauft wird, diese
dieseAusrüstung aber dringend von der
Truppe gebraucht wird.
Bundesheer fährt das System nieder.
Weniger Rekruten, keine Ersatzteile und Beschaffungen, Stopp
allerBauvorhaben: Das Geld reicht
trotzdem nicht. Salzburg, Wien.In
der Volksbefragung im Jänner 2013 haben sich die Österreicher und Österreicherinnen noch mit großer Mehrheit für
die Beibehaltung der Wehrpflicht
ausgesprochen, 17 Monate später schafft
sie
die Politik im Umweg über das Budget erst recht ab. Weil beim Heer an allen Ecken und Enden das Geld fehlt, wird
derzeit überlegt, die Tauglichkeitskriterien
zu erhöhen. Je nach Rechnung müsste man so
eintausend bis zweitausend Grundwehrdiener weniger
pro Jahr einberufen, ausrüsten, ausbilden
und verpflegen.
Für die verbliebenen
Rekruten dürfte der Wehrdienst trotz anderslautender Ankündigungen wohl auch nicht attraktiver werden.
Alle Bauvorhaben im Bereich des Bundesheeres
wurden gestoppt, es wird so
gar überlegt,
Pönalen zu zahlen. „Ob das für die Rekruten so ein tolles Erlebnis ist, wenn sie vom Schießen in das
20-Mann-Zimmer zurückkommen, mit Schimmel an
den Wänden, das glaube ich nicht“, sagte
ein
Offizier. Ohnehin sollen Rekruten nur noch
im Pionierdienst, der ABC-Abwehr, im Fernmeldedienst und für einfache Infanterieaufgaben – etwa
Wache stehen – ausgebildet werden. Schwere
Waffengattungen bleiben
Berufssoldaten
vorbehalten. Damit dürfte in Kürze wieder über die Sinnhaftigkeit des Wehrdienstes diskutiert werden. Beim
Bundesheer kratzt man derweil jeden Cent
zusammen. Streitkräftekommandant Franz
Reißner hat angeordnet, dass alle Schießen des Bundesheeres
mit Vereinen – so genannte
Partnerschaftsschießen – abzusagen sind. „34 Prozent der Grundwehrdiener wählen das Modul Schießen. Wir
brauchen die Munition. Wir haben über
Jahrzehnte Schießen im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit veranstaltet, aber Vorrang hat
die Einsatzvorbereitung“, sagte der
Generalleutnant.Von der Sparwelle betroffen
ist selbst modernstes Gerät. Wenn die nach der Lawinenkatastrophe von Galtür beschafften
Black-Hawk-Hubschrauber
nicht modernisiert
werden, müssen sie 2018 abgestellt werden. Das Update betrifft die Instrumente und Bordcomputer und müsste wegen
der langen Vorlaufzeiten in Kürze
eingeleitet werden.
Bei den
Landstreitkräften zittern die Kraftfahrunteroffiziere vor
der nächsten Inspektion ihrer Autos. Für
Geländewagen der Typen Pinzgauer und Puch G
gilt: Wenn eine Reparatur teurer ist als 2000 Euro,
werden
die Fahrzeuge ausgeschieden. Für die
Lastkraftwagen der Type Steyr 12M18 liegt
die Obergrenze bei 3000 Euro. In dieser Summe sind
selbst Verschleißteile wie Reifen und
Batterien enthalten. „Wir haben eine
Mobilitätskrise“, sagt Reißner. „Das möchte ich gar nicht beschönigen. Im Fahrzeugbereich fallen jetzt die
Einsparungen und die Altlasten zusammen.“
Man könne das aber durch Umverteilung und
Zuweisungen auffangen. „Für einsatzwahrscheinliche Aufgaben“ sei
mangut gerüstet.
Das sehen die wehrpolitischen Verbände ganz anders. Sie schlugen
am Mittwoch Alarm. Auf den Plan gerufen
haben die Vereine sowohl die Krise in der
Ukraine, bei der eine lange Phase einer „kalten Konfrontation“ zwischen Russland und den USA drohe, als auch
die „verantwortungslosen Kürzungen“ im
Budget, wie Erich Cibulka, Präsident der
Österreichischen Offiziersgesellschaft, erklärte.
2015 werde das Wehrbudget auf unter 0,6
Prozent des BIP sinken. Die Einsatzfähigkeit
des Bundesheers sei für Einsätze zur Grenzsicherung
nicht mehr gewährleistet, sagte Cibulka.Wir haben
eine Mobilitätskrise, das möchte ich gar
nicht beschönigen
Franz Reißner,
Generalleutnant
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