Kronen Zeitung (Bunt), vom 14. September 2014 – Bereich: offen gesagt – Seite 8
OFFEN GESAGT
DR. TASSILO WALLENTIN
TTIP, jetzt durch
die Hintertür?
Am 25. September wollen die EU und Kanada das
Freihandelsabkommen CETA beschließen. Die Öffentlichkeit
ist darüber kaum informiert worden. CETA verschafft
kanadischen Investoren ähnliche Rechte wie das umstrittene
Freihandelsabkommen TTIP. Namhafte US-Unternehmen
haben ihren Firmensitz bereits in Kanada, andere – wie der
Fast-Food-Gigant „Burger King“ – bräuchten ihn nur offiziell
dorthin zu verlegen und kämen automatisch in den Genuss
des Abkommens. Ob TTIP politisch verhindert wird oder
nicht, ist dann nicht mehr von Bedeutung.
Während die Öffentlichkeit noch über Genmais,
Chlorhühner und Wasserprivatisierung, also über das umstrittene
EU-US-Freihandelsabkommen TTIP diskutiert, schafft man andernorts klammheimlich Tatsachen: Am 25.
September wollen Brüssel und Kanada das Freihandelsabkommen
namens CETA beschließen. Der Inhalt dieses
1500- seitigen Abkommens ist erst
seit kurzem bekannt. Kein Wunder,
denn wie bei TTIP fanden die
Verhandlungen unter striktem Ausschluss der Öffentlichkeit und ohne parlamentarische Kontrolle statt. Wie bei TTIP garantiert dieser Vertrag Konzernen den
Zugang zu 500 Millionen Verbrauchern in der
EU. Und wie bei TTIP könnten auf
unser Land Klagen und
Entschädigungszahlungen in
Milliardenhöhe zukommen. Denn auch
CETA gibt Konzernen die Möglichkeit, Staaten
wie Österreich vor überstaatlichen Schiedsgerichten zu verklagen. Die
internationalen Investoren müssen nur
behaupten, dass heimische Gesetze ihre
Geschäfte zu sehr „stören“. Was das
bedeuten kann, zeigen zwei bekannte Beispiele:
Der Tabakkonzern Philip Morris verklagte Australien, weil die Regie- rung ein Gesetz zum Nichtraucherschutz verabschiedet hatte. Die strengeren
Tabakgesetze (zum Schutz der
Gesundheit der Menschen) hätten dem
Konzern das Geschäft kaputt gemacht.
Philip Morris fordert nun vor einem
solchen Schiedsgericht Schadenersatz
in Millionenhöhe. Der schwedische Energiekonzern
Vattenfall verklagte die
Bundesrepublik Deutschland wegen des staatlichen Ausstiegs aus Atomkraftwerken. Die Forderung: 3,7 Milliarden Euro Schadenersatz.
Warum
die EU-Staaten den Steuerzahler derartigen Haftungsrisiken aussetzen und ihre Souveränität einer
Paralleljustiz für Konzerne opfern,
bleibt unerklärlich. Denn das durch
CETA zu erwartende Handelsvolumen
ist für Europa eher gering.
Vielmehr wird das
Abkommen gerade für die Nicht-Kanadier zum Einfallstor in die EU. Denn US-Konzerne bräuchten ihren
Firmensitz nur offiziell nach Kanada zu verlegen und
wären automatisch Nutznießer der
europäisch-kanadischen Freihandelszone.
Ob TTIP später noch politisch
verhindert wird oder nicht, wäre
nicht mehr von Bedeutung. So wie für
den US-Fast-Food-Giganten Burger
King, der 60 Jahre nach sei ner Gründung zufällig nach Kanada umziehen will.
Habe
ich eigentlich schon erwähnt, dass unsere
EU-Abgeordneten nun über dieses ihnen
erstmals vorliegende, 1500 Seiten
starke und über Monate von
internationalen Anwaltskanzleien in
trickreichem „Juristenenglisch“
ausgearbeitete Abkommen entscheiden sollen? Wohl kaum ein Parlamentarier verfügt über die spezielle Ausbildung,
geschweige denn Berufserfahrung, einen
Vertrag wie CETA in seiner Tragweite
voll zu erfassen. Im Zivilleben würde
man das eine Übervorteilung oder
Überrumpelung nennen.
Aber auch der Rat der EU (das ist die Versammlung der 28 Staats- und Regierungschefs) muss über CETA gesondert abstimmen. Die Position der österreichischen Bundesregierung hierzu ist völlig unbekannt, obwohl der Vertrag am Ballhausplatz längst
eingetroffen sein müsste. In Deutschland ist
die öffentliche Diskussion bereits
voll entbrannt.
Das Nichtvorhandensein einer klaren Position unserer Regierung in dieser für
Generationen entscheidenden Frage wäre weit mehr als ein demokratiepolitischer Abgesang, es wäre ein schwerer Fehler.
3 Kommentare:
Sg. Herr Dr. Wallentin,
Erstmal danke dafür, daß Sie sich immer wieder kritisch über EU- und sonstige Themen in der Sonntagskrone zu Wort melden.
In Ihrer gestrigen Kolumne “TTIP, jetzt durch die Hintertür?”, wo Sie v.a. auf das in Kürze zu beschließende EU-kanadische CETA-.Abkommen eingehen, sagen Sie u.a.: “Warum die EU-Staaten den Steuerzahler derartigen Haftungsrisiken aussetzen und ihre Souveränität einer Paralleljustiz für Konzerne opfern, bleibt unerklärlich....”.
Die Antwort darauf wissen Sie sicherlich, als kritischer Beobachter, selber am besten: Es geht in der EU doch bekanntlich in keinster Weise um das Wohl der Bürger, der Zukunft unserer Kinder, der Umwelt- oder gar Tierschutzfragen, sondern AUSSCHLIESSLICH um das der internationalen Konzerne bzw. die Interessen der Finanzwelt und der USA. Das kann man dann ruhig auch so schreiben, zumindest in einer Zeitung, die sich gerne als “Speerspitze” der EU-Skeptiker präsentiert (jedenfalls NACH deren MASSIVER Bewerbung zum JA bei der Volksabstimmung zum österr. EU-Anschluß 1994...).
Wieso also – wenn Sie und die Zeitung, in der Sie regelmäßig in der Sonntagsbeilage schreiben – haben Sie noch NIE das dzt. in der Einreichungsphase befindliche “EU-Austritts-Volksbegehren” der reinen Bürger-Initiative “Heimat und Umwelt” beworben oder zumindest erwähnt (siehe Anhang)? Wollen oder dürfen Sie das nicht in der Kronenzeitung?? Dabei wäre das – eben der Austritt aus der EU – doch die einzig wahre Lösung aller dieser Probleme – mit und in der EU – die Sie andauernd in Ihren Kolumnen ansprechen und thematisieren!: TTIP, CETA, Aufoktroyieren von sinnlosen – weil nur Konzernen nützlichen – Gesetzen, wie etwa dem Glühbirnenverbot, etc. Und dann – eben nach einem jetzt sogar legistisch möglichen Austritt – könnten wir endlich wieder unsere Gesetze in Österreich selbstständig und weitgehend unbeeinflußt beschließen, wie etwa die Schweiz, ja vielleicht sogar so etwas wie die vielbeschworene direkte Demokratie durchsetzen....
Vielleicht einfach nur zum Nachdenken, ggf. auch als Leserbrief. Über eine Antwort von Ihnen persönlich würde ich mich jedenfalls freuen.
MfG,
Tzt. Dr. Franz-Joseph Plank
(Mit-Initiator des EU-Austritts-Volksbegehrens)
Animal Spirit - Zentrum für Tiere in Not
Am Hendlberg 112, A-3053 Laaben
Tel: +43 (0) 2774/29 330
Email: office@animal-spirit.at
Web: www.animal-spirit.at
Lieber Herr Dr. Plank!
Besten Dank für Ihre Zusendung, über die ich mich wirklich sehr gefreut habe. Man muss das Bewusstsein der Menschen schärfen. Deshalb darf ich Sie höflichst fragen, ob Sie mit der Veröffentlichung Ihres untenstehenden EMAILs auf der Leserbriefseite der Kronen Zeitung einverstanden sind.
Beste Grüße
Ihr T.Wallentin
Dr. Tassilo Wallentin, LL.M.
Rechtsanwalt
1010 Wien, Gonzagagasse 14/10
Tel.: (+43 1) 533 36 95 0
Fax: (+43 1) 533 36 95 30
email: tassilo.wallentin@wallentinlaw.com
web: http://www.wallentinlaw.com
Sg. Herr Dr. Wallentin,
es freut mich auch daß Sie mir auf diesen doch eher kritischen Brief antworten und noch mehr, daß Sie ihn als Leserbrief vorschlagen.
Immerhin kritisiere ich ja auch etwas die KRONE, die ja bekanntlich vor dem EU-Anschluß und der alles entscheidenden Volksabstimmung massivst und mit den absurdesten Argumenten Werbung FÜR den Anschluß gemacht hat und sich jetzt eben als große EU-Kritikerin aufspielt... Und dann aber dennoch noch nie unser Volksbegehren auch nur erwähnt hat, obwohl die Unterschriftensammlungen schon seit ca. 2 Jahren laufen!
Also ja – gerne können Sie mein Schreiben als Leserbrief vorschlagen.
MfG, F. Plank
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