«Kurzfristig ist es in Amerikas Interesse, den
derzeit herrschenden Pluralismus auf der Landkarte Eurasiens zu festigen
und fortzuschreiben. Dies erfordert ein hohes Mass an Taktieren und
Manipulieren, damit keine gegnerische Koalition zustande kommt, die
schliesslich Amerikas Vorrangstellung in Frage stellen könnte, ganz
abgesehen davon, dass dies einem einzelnen Staat so schnell nicht
gelänge.
[…] Daraus folgt, dass ein grösseres Europa und eine erweiterte Nato den kurz- und längerfristigen Zielen der US-Politik durchaus dienlich sind. Ein grösseres Europa wird den Einflussbereich Amerikas erweitern – und mit der Aufnahme neuer Mitglieder aus Mitteleuropa in den Gremien der Europäischen Union auch die Zahl der Staaten erhöhen, die den USA zuneigen –, ohne dass ein politisch derart geschlossenes Europa entsteht, das bald schon die Vereinigten Staaten in für sie bedeutsamen geopolitischen Belangen anderswo, insbesondere im Nahen Osten, herausfordern könnte. Ein politisch klar definiertes Europa ist nicht zuletzt für die fortschreitende Einbindung Russlands in ein System globaler Zusammenarbeit unverzichtbar.
[…] Daraus folgt, dass ein grösseres Europa und eine erweiterte Nato den kurz- und längerfristigen Zielen der US-Politik durchaus dienlich sind. Ein grösseres Europa wird den Einflussbereich Amerikas erweitern – und mit der Aufnahme neuer Mitglieder aus Mitteleuropa in den Gremien der Europäischen Union auch die Zahl der Staaten erhöhen, die den USA zuneigen –, ohne dass ein politisch derart geschlossenes Europa entsteht, das bald schon die Vereinigten Staaten in für sie bedeutsamen geopolitischen Belangen anderswo, insbesondere im Nahen Osten, herausfordern könnte. Ein politisch klar definiertes Europa ist nicht zuletzt für die fortschreitende Einbindung Russlands in ein System globaler Zusammenarbeit unverzichtbar.
Zbigniew Brzezinski. Die einzige Weltmacht.
Amerikas Strategie der Vorherrschaft. 1999, S. 282 ff, ISBN 9-783596-143580 (Zeit-Fragen Nr. 14)
Amerikas Strategie der Vorherrschaft. 1999, S. 282 ff, ISBN 9-783596-143580 (Zeit-Fragen Nr. 14)
Ukraine-Konflikt – Propaganda und Wirklichkeit
von Prof. Dr. Klaus Hornung
Die Bundeskanzlerin ist eine Meisterin der
Schlagzeilen. Das begann mit der «Alternativlosigkeit» des Euro und
seiner Rettung. Jetzt wirft sie Präsident Putin und den Russen die
Rückkehr zum «alten Denken» des Sowjetkommunismus vor, zum Streben nach
«Einflusssphären», das doch seit dem Ende des Kalten Krieges vor
25 Jahren von einer Politik des Interessenausgleichs und der
internationalen Kooperation abgelöst worden sei, wie sie vor allem von
der EU und den Vereinigten Staaten betrieben würden. Seit dem Beginn des
Ukraine-Konflikts im vorigen Winter ist diese Lesart zum Leitmotiv der
westlichen Propaganda geworden, die unisono die russische Führung für
den Konflikt und seine Verschärfung verantwortlich machen will. Ein
Blick auf die Fakten erscheint nötig.
1991 war die Ukraine nach dem Zusammenbruch der
Sowjetunion zu einem selbständigen Staat geworden. Doch sie blieb in der
Folgezeit ein labiles politisches Gebilde. Ihre Machthaber stammten in
der Mehrheit noch aus der alten sowjetischen Nomenklatura. Aber schon
diese Oligarchen-Regierungen begannen die Öffnung zum Westen. 1992 trat
die Ukraine dem IWF bei, 2004 der WTO. Die Grenzen für ausländisches
Kapital wurden geöffnet. Die Folge war, dass zwischen 1991 und 2013 die
Hälfte der Betriebe geschlossen wurde, die andere Hälfte übernahmen
ausländische Konzerne und die Oligarchen. In diesem Zeitraum sank das
ukrainische Bruttosozialprodukt auf 70 Prozent des Standes von 1991, die
Stahlproduktion auf 43 Prozent, die Bevölkerung von 52 auf
38 Millionen, insbesondere durch eine enorme Abwanderung. Das
geschwächte Land geriet zunehmend unter die Direktion westlicher,
amerikanischer und europäischer Interessen, vorbereitet und finanziert
durch politische Stiftungen und Medien wie Radio Liberty, Stimme
Amerikas, die BBC und die Deutsche Welle. 2004 gelang einer breiten
Volksbewegung die sogenannte «Revolution in Orange». Julia Timoschenko,
obwohl selbst zur Oligarchie gehörend, wurde ihr Idol und
Regierungschefin. Ihr Dauerstreit mit dem ebenfalls aus der orangenen
Revolution kommenden Präsidenten Justschenko führte 2009 zu Neuwahlen
und zur Rückkehr der alten Oligarchengarde in die Regierung. Auch
Präsident Janukowitsch setzte dann jedoch die Verhandlungen zur
Assoziierung der Ukraine mit der EU fort. Im Sommer 2013 lag der
Vertragsentwurf auf dem Tisch, doch dann verweigerte der Präsident
überraschend seine Unterschrift, um den Vertrag in Kraft zu setzen.
Offensichtlich hatte sich Präsident Putin eingeschaltet mit einem
günstigen finanziellen Angebot russischer Öl- und Gaslieferungen für die
Ukraine. Die Folge war, dass sich in der Erinnerung an 2004 vor allem
in der West- und Zentralukraine erneut eine breite Widerstandsbewegung
gegen das Oligarchenregime und die Moskauer Bevormundung formierte, die
während des Winters 2013/14 immer mehr die Form eines Volksaufstandes,
bald auch mit einer wachsenden Zahl von Toten, annahm. Am 21. Februar
2014 reisten die Aussenminister Deutschlands, Frankreichs und Polens
nach Kiew, um eine Vermittlung in dem eskalierenden Konflikt zu
versuchen. Tatsächlich gelang der Abschluss eines Abkommens, das die
Wiederherstellung der Verfassung von 2004, vorgezogene Neuwahlen und die
Bildung einer Regierung der nationalen Einheit vorsah und die
Unterschriften der drei Aussenminister, des Präsidenten Janukowitsch,
eines Vertreters Präsident Putins sowie von Vertretern der
Maidan-Bewegung fand eine Lösung des Konflikts aus politischer
Vernunft. Die drei Aussenminister reisten jedoch noch in der gleichen
Nacht übereilt ab. Dieses Vakuum nützten sogleich radikale Kräfte des
Maidan zu einem gewaltsamen Vorgehen, das die Regierung Janukowitsch zur
Flucht aus Kiew zwang. In Kiew etablierten sich eine provisorische
Regierung und ein provisorischer Präsident, ein Vorgehen, das die mit
den europäischen Aussenministern getroffene Vereinbarung hinfällig
machte. Immerhin gelang es kurz darauf, die Zustimmung der Mehrheit des
ukrainischen Parlaments zu dieser provisorischen Regelung zu erreichen,
auch dadurch, dass ein Teil der Fraktion der Regierung Janukowitsch zur
neuen Regierung umschwenkte. weiterlesen>>>
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