von FOCUS-MONEY-Redakteur Peter Bloed
In der Euro-Krise wird viel getrickst. Fünf Experten
haben sich der Wahrheit verschrieben. Für FOCUS Online erklären sie,
was beim einem Euro-Crash auf uns zukommt – und dabei geht es nicht nur
ums Geld.
„Man kann einen Teil des Volkes die
ganze Zeit täuschen und das ganze Volk einen Teil der Zeit. Aber man
kann nicht das ganze Volks die ganze Zeit täuschen“ – das Zitat stammt
von US-Präsident Abraham Lincoln. Europas Politiker sollten sich an
diese Worte halten. Eine Währung ist für den Bürger da. Der Euro steht
nicht über den Rechten der Bürger. Doch genau daran arbeiten die
Regierungen nach Ansicht von Experten mit dem Euro-Rettungsschirm.
Es ist ein dramatischer Appell, den
die fünf Wissenschaftler Wilhelm Hankel, Bruno Bandulet, Bernd-Thomas
Ramb, Karl Albrecht Schachtschneider und Udo Ulfkotte in ihrem neuen
Buch „Gebt uns unsere D-Mark zurück!“ ausrufen. Von den Regierungen
fordern sie: „Beendet das Euro-Abenteuer!“. Von den Bürgern: „Lasst euch
nicht verdummen!“ Sie zeigen, wie groß die Gefahr eines Euro-Crashs ist
und was bei einer Währungsreform passiert. Ihre Antworten auf die
wichtigsten Fragen:
1.Ist der Rettungsschirm mit den Grundsätzen des Euro vereinbar?
Für
Karl Albrecht Schachtschneider, Professor für öffentliches Recht, ist
der Euro-Rettungsschirm ESM schlicht „rechtsstaatwidrig“. Denn es gibt
eine eindeutige „No-Bailout-Klausel“ im Vertrag über die Arbeitsweise
der Europäischen Union, kurz AEUV. Er ist mit dem Vertrag über die
Europäische Union (Maastricht-Vertrag) der Gründungsvertrag der EU, also
das oberste Regelwerk. In Artikel 125 steht, dass weder die Union noch
ein Mitgliedsstaat für die Verbindlichkeiten eines anderen Staates
eintritt. Mit einem neuen, vagen Absatz sollen die Staaten künftig den
ESM-Vertrag ändern können, ohne sich an die No-Bail-out-Klausel halten
zu müssen. Das widerspricht dem Grundsatz des EU-Vertrags:
Haushaltsdisziplin als systemische Grundlage für die Stabilität der
gemeinsamen Währung.
2. Sind wir auf dem Weg zu einer Haftungs- und Schuldengemeinschaft?
„Die
geplante Vertragsänderung verändert die Europäische Währungsunion in
ihrem Wesen“, schreibt Schachtschneider. Denn sie wird von der
Stabilitätsgemeinschaft zur Haftungs- und Schuldengemeinschaft. Die
Neuregelung stellt die Währungsunion über die Haushaltsdisziplin sowie
wirtschaftliche und monetäre Stabilität. „Der Stabilitätsmechanismus
(ESM) ist ein Risikopuffer, der die Schulden der Euro-Gruppe zu
vergemeinschaften erlaubt und das geradezu aufdrängt“, so
Schachtschneider.
Zur Person: Karl Albrecht Schachtschneider
Der emeritierte Staatsrechts-Professor veröffentlichte 26 Bücher, unter anderem „Die Rechtswidrigkeit der Euro-Rettungspolitik“.
3. Ist es ethisch geboten, für die Griechen zu zahlen?
Christine
Lagarde, Chefin des Internationalen Währungsfonds, formulierte das
klar: „„Ich habe mehr Mitleid mit den Ärmsten in Afrika als mit den
Menschen in Griechenland.“ Die Griechen sollten sich selbst helfen,
indem sie alle ihre Steuern bezahlen. „Das Volk ist der Staat, sonst
niemand“, so Schachtschneider. Also muss das griechische Volk auch für
die Schulden des Staates einstehen. Die Finanzierung fremder Staaten
verletzt die Souveränität der Völker. Schließlich wollen die nicht mit
ihrer Arbeit fremde Staaten finanzieren. Dieses Recht haben auch die
Nehmerländer. Trotz Finanzhilfen wehren sie sich – verständlicherweise –
gegen ihre Entmündigung. „Das Kontrollinteresse der Geber ist
wohlbegründet, aber unverbesserlich demokratiewidrig, staatswidrig,
souveränitätswidrig“, so der Staatsrechtler. Erst wird den Griechen Geld
von anderen Staaten aufgezwungen, und dann wird ihnen auferlegt, wie
sie ihren Staat zu führen haben. Man nimmt ihnen ihre Souveränität. Also
ihre Freiheit.
4. Warum mussten wir die D-Mark aufgeben?
Sie
war schlicht zu stark. Der Erfolg der Bundesbank wurde der Mark zum
Verhängnis. Der ehemalige französische Präsident François Mitterrand
wollte die Wiedervereinigung Deutschlands zunächst verhindern. Aber noch
mehr wollte er: die D-Mark loswerden. Also verlangte er für die
Zustimmung zur Wiedervereinigung von Kanzler Helmut Kohl die
Einheitswährung. „Wäre die D-Mark eine Schwachwährung gewesen, bestünde
sie noch heute“, urteilt der Autor Bruno Bandulet. Frankreichs Absichten
zeigten sich bei den deutsch-französischen Besprechungen von 1988.
Jacques Attali, Mitterrands außenpolitischer Berater, erkärte: „Um eine
Balance zu erhalten, möchten wir über die deutsche Atombombe reden.“
Darauf antworteten die Deutschen: „Sie wissen doch, wir besitzen gar
keine Atombombe.“ Woraufhin Attali sagte: „Ich meine die Deutsche Mark.“
Kohl wollte partout die Wiedervereinigung. Also opferte er das
Stärkste, was Deutschland hatte: die D-Mark.
5. Verliert Deutschland seine Top-Bonität?
Die
Gefahr ist groß. „Eine Transferunion, vor der jetzt viele warnen,
braucht die EU nicht mehr zu werden“, sagt Bandulet. „Sie ist schon
eine.“ Seit der Ära Kohl hat es sich eingebürgert, dass Streit in Europa
damit gelöst wird, dass Deutschland das Scheckbuch zückt. Zwischen 1976
und 2008 hat ein EU-Mitglied mehr Nettobeiträge an die EU geleistet als
alle anderen Nettozahler zusammen: Deutschland. Politiker rechtfertigen
die Zahlmeister- Rolle damit, dass Deutschland als Exportnation am
stärksten vom Euro profitiert. Tatsächlich ging auch schon lange vor der
Gemeinschaftswährung der Großteil der deutschen Ausfuhren nach Europa.
Das Regelwerk des ESM sieht vor, dass alle Euro-Länder bürgen und
Bareinlagen leisten müssen. Theoretisch. Denn wer kein Geld hat, für den
springen die anderen Euro-Länder ein. Je mehr Staaten nicht mehr
zahlungsfähig sind, desto mehr bleibt an Deutschland hängen. Die
Bundesrepublik wird also zum Kreditgeber der letzten Instanz. Werden die
Finanzspritzen immer größer, muss Deutschland irgendwann eine höhere
Neuverschuldung eingehen, um die Schulden Europas abzusichern. Damit ist
die Top-Bonität dahin.
Übersicht: Fünf Experten reden Klartext
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