2012-06-21

Die Wahrheit über den Euro-Crash

von FOCUS-MONEY-Redakteur
 

Bloomberg Euro-Skulptur vor dem EU-Parlament in Brüssel
 
In der Euro-Krise wird viel getrickst. Fünf Experten haben sich der Wahrheit verschrieben. Für FOCUS Online erklären sie, was beim einem Euro-Crash auf uns zukommt – und dabei geht es nicht nur ums Geld.
„Man kann einen Teil des Volkes die ganze Zeit täuschen und das ganze Volk einen Teil der Zeit. Aber man kann nicht das ganze Volks die ganze Zeit täuschen“ – das Zitat stammt von US-Präsident Abraham Lincoln. Europas Politiker sollten sich an diese Worte halten. Eine Währung ist für den Bürger da. Der Euro steht nicht über den Rechten der Bürger. Doch genau daran arbeiten die Regierungen nach Ansicht von Experten mit dem Euro-Rettungsschirm.
Es ist ein dramatischer Appell, den die fünf Wissenschaftler Wilhelm Hankel, Bruno Bandulet, Bernd-Thomas Ramb, Karl Albrecht Schachtschneider und Udo Ulfkotte in ihrem neuen Buch „Gebt uns unsere D-Mark zurück!“ ausrufen. Von den Regierungen fordern sie: „Beendet das Euro-Abenteuer!“. Von den Bürgern: „Lasst euch nicht verdummen!“ Sie zeigen, wie groß die Gefahr eines Euro-Crashs ist und was bei einer Währungsreform passiert. Ihre Antworten auf die wichtigsten Fragen: 
1.Ist der Rettungsschirm mit den Grundsätzen des Euro vereinbar? 
Für Karl Albrecht Schachtschneider, Professor für öffentliches Recht, ist der Euro-Rettungsschirm ESM schlicht „rechtsstaatwidrig“. Denn es gibt eine eindeutige „No-Bailout-Klausel“ im Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, kurz AEUV. Er ist mit dem Vertrag über die Europäische Union (Maastricht-Vertrag) der Gründungsvertrag der EU, also das oberste Regelwerk. In Artikel 125 steht, dass weder die Union noch ein Mitgliedsstaat für die Verbindlichkeiten eines anderen Staates eintritt. Mit einem neuen, vagen Absatz sollen die Staaten künftig den ESM-Vertrag ändern können, ohne sich an die No-Bail-out-Klausel halten zu müssen. Das widerspricht dem Grundsatz des EU-Vertrags: Haushaltsdisziplin als systemische Grundlage für die Stabilität der gemeinsamen Währung. 
2. Sind wir auf dem Weg zu einer Haftungs- und Schuldengemeinschaft?
 „Die geplante Vertragsänderung verändert die Europäische Währungsunion in ihrem Wesen“, schreibt Schachtschneider. Denn sie wird von der Stabilitätsgemeinschaft zur Haftungs- und Schuldengemeinschaft. Die Neuregelung stellt die Währungsunion über die Haushaltsdisziplin sowie wirtschaftliche und monetäre Stabilität. „Der Stabilitätsmechanismus (ESM) ist ein Risikopuffer, der die Schulden der Euro-Gruppe zu vergemeinschaften erlaubt und das geradezu aufdrängt“, so Schachtschneider.
Karl Albrecht Schachtschneider
picture-alliance/ZB

Zur Person: Karl Albrecht Schachtschneider

Der emeritierte Staatsrechts-Professor veröffentlichte 26 Bücher, unter anderem „Die Rechtswidrigkeit der Euro-Rettungspolitik“. 
3. Ist es ethisch geboten, für die Griechen zu zahlen?
Christine Lagarde, Chefin des Internationalen Währungsfonds, formulierte das klar: „„Ich habe mehr Mitleid mit den Ärmsten in Afrika als mit den Menschen in Griechenland.“ Die Griechen sollten sich selbst helfen, indem sie alle ihre Steuern bezahlen. „Das Volk ist der Staat, sonst niemand“, so Schachtschneider. Also muss das griechische Volk auch für die Schulden des Staates einstehen. Die Finanzierung fremder Staaten verletzt die Souveränität der Völker. Schließlich wollen die nicht mit ihrer Arbeit fremde Staaten finanzieren. Dieses Recht haben auch die Nehmerländer. Trotz Finanzhilfen wehren sie sich – verständlicherweise – gegen ihre Entmündigung. „Das Kontrollinteresse der Geber ist wohlbegründet, aber unverbesserlich demokratiewidrig, staatswidrig, souveränitätswidrig“, so der Staatsrechtler. Erst wird den Griechen Geld von anderen Staaten aufgezwungen, und dann wird ihnen auferlegt, wie sie ihren Staat zu führen haben. Man nimmt ihnen ihre Souveränität. Also ihre Freiheit. 
4. Warum mussten wir die D-Mark aufgeben? 
Sie war schlicht zu stark. Der Erfolg der Bundesbank wurde der Mark zum Verhängnis. Der ehemalige französische Präsident François Mitterrand wollte die Wiedervereinigung Deutschlands zunächst verhindern. Aber noch mehr wollte er: die D-Mark loswerden. Also verlangte er für die Zustimmung zur Wiedervereinigung von Kanzler Helmut Kohl die Einheitswährung. „Wäre die D-Mark eine Schwachwährung gewesen, bestünde sie noch heute“, urteilt der Autor Bruno Bandulet. Frankreichs Absichten zeigten sich bei den deutsch-französischen Besprechungen von 1988. Jacques Attali, Mitterrands außenpolitischer Berater, erkärte: „Um eine Balance zu erhalten, möchten wir über die deutsche Atombombe reden.“ Darauf antworteten die Deutschen: „Sie wissen doch, wir besitzen gar keine Atombombe.“ Woraufhin Attali sagte: „Ich meine die Deutsche Mark.“ Kohl wollte partout die Wiedervereinigung. Also opferte er das Stärkste, was Deutschland hatte: die D-Mark. 
5. Verliert Deutschland seine Top-Bonität? 
Die Gefahr ist groß. „Eine Transferunion, vor der jetzt viele warnen, braucht die EU nicht mehr zu werden“, sagt Bandulet. „Sie ist schon eine.“ Seit der Ära Kohl hat es sich eingebürgert, dass Streit in Europa damit gelöst wird, dass Deutschland das Scheckbuch zückt. Zwischen 1976 und 2008 hat ein EU-Mitglied mehr Nettobeiträge an die EU geleistet als alle anderen Nettozahler zusammen: Deutschland. Politiker rechtfertigen die Zahlmeister- Rolle damit, dass Deutschland als Exportnation am stärksten vom Euro profitiert. Tatsächlich ging auch schon lange vor der Gemeinschaftswährung der Großteil der deutschen Ausfuhren nach Europa. Das Regelwerk des ESM sieht vor, dass alle Euro-Länder bürgen und Bareinlagen leisten müssen. Theoretisch. Denn wer kein Geld hat, für den springen die anderen Euro-Länder ein. Je mehr Staaten nicht mehr zahlungsfähig sind, desto mehr bleibt an Deutschland hängen. Die Bundesrepublik wird also zum Kreditgeber der letzten Instanz. Werden die Finanzspritzen immer größer, muss Deutschland irgendwann eine höhere Neuverschuldung eingehen, um die Schulden Europas abzusichern. Damit ist die Top-Bonität dahin.
 Übersicht: Fünf Experten reden Klartext
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