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Zehn
EU-Außenminister, darunter Michael Spindelegger, wollen die EU in einen
Bundesstaat nach Vorbild der USA umwandeln. Die "Zukunftsgruppe" will
das politische System umgestalten.
Wien.
Sie waren die Verlierer des Lissabon-Vertrags. Die EU-Außenminister
büßten mit der neuen europäischen Rechtsgrundlage ihren fixen Platz beim
EU-Gipfel ein. Nun, da sie entmachtet sind, haben zehn von ihnen eine
völlig neue demokratische Struktur für die Europäische Union erarbeitet.
Es ist ein bundesstaatliches Modell ähnlich jenem der Vereinigten
Staaten von Amerika – ein parlamentarisches Zweikammersystem mit einem
direkt gewählten EU-Präsidenten. Das Modell würde die derzeit
dominierenden Staats- und Regierungschefs entmachten und ein
staatsähnliches Demokratiesystem für die EU schaffen.
Die „Zukunftsgruppe“, die vom deutschen Außenminister Guido Westerwelle (FDP) initiiert wurde und der auch Außenminister Michael Spindelegger (ÖVP) angehört, geht vom derzeitigen politischen System der EU aus, will es aber völlig umgestalten. So soll der Präsident der Kommission zum direkt gewählten Regierungschef aufgewertet werden, der sich sein Regierungsteam selbst zusammenstellt. Da bei ihm die Entwicklung von neuen Gesetzen und deren Umsetzung zusammenliefen, wäre er künftig der einflussreichste Politiker Europas.
In Österreich wurde dieses Modell bereits in den 1990er-Jahren vom damaligen Bundesrat und mittlerweile verstorbenen Manfred Mautner-Markhof entwickelt. Es ist eine Ironie der Geschichte, dass Mautner-Markhof damals bei Außenminister Wolfgang Schüssel (ÖVP) mit seinem Vorschlag kein Gehör fand. Jetzt ist es ein Nachfolger Schüssels, der diese Idee gemeinsam mit Amtskollegen forciert.
Die Außenminister von Österreich, Belgien, Dänemark, Italien, Deutschland, Luxemburg, den Niederlanden, Polen, Portugal und Spanien haben seit dem Frühjahr regelmäßig getagt. Am gestrigen Dienstag stellte die Zukunftsgruppe ihre Vorschläge Kommissionspräsident José Manuel Barroso, Ratspräsident Herman Van Rompuy, EZB-Chef Mario Draghi und Euro-Gruppenchef Jean-Claude Juncker vor. Das nun der „Presse“ vorliegende Papier ist ein Zwischenbericht, dem noch weitere Verhandlungen folgen werden.
Westerwelle hatte bereits im März bei einem ersten Treffen in Berlin eine deutliche politische „Vertiefung“ der EU gefordert und war dafür scharf kritisiert worden. Spindelegger betonte damals, dass sich Österreich einer neuen EU-Vertragskonstruktion nicht verschließen dürfe.
Ihr gemeinsames Papier fordert nicht nur eine Zentralisierung der Macht, sondern auch eine stärkere Einbindung der nationalen Parlamente in den europäischen Entscheidungsprozess. Sie sollen stärker als bisher mit dem Europäischen Parlament zusammenarbeiten.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.06.2012)
Die „Zukunftsgruppe“, die vom deutschen Außenminister Guido Westerwelle (FDP) initiiert wurde und der auch Außenminister Michael Spindelegger (ÖVP) angehört, geht vom derzeitigen politischen System der EU aus, will es aber völlig umgestalten. So soll der Präsident der Kommission zum direkt gewählten Regierungschef aufgewertet werden, der sich sein Regierungsteam selbst zusammenstellt. Da bei ihm die Entwicklung von neuen Gesetzen und deren Umsetzung zusammenliefen, wäre er künftig der einflussreichste Politiker Europas.
Neue Länderkammer
Statt dem derzeit mächtigen Europäischen Rat (EU-Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs) sowie den regelmäßigen Ratstagungen der nationalen Fachminister soll in Brüssel eine Länderkammer gleichberechtigt zum Europaparlament eingerichtet werden. Ähnlich der USA mit ihrem Senat und Repräsentantenhaus würde die EU dadurch eine neue parlamentarische Balance erhalten.In Österreich wurde dieses Modell bereits in den 1990er-Jahren vom damaligen Bundesrat und mittlerweile verstorbenen Manfred Mautner-Markhof entwickelt. Es ist eine Ironie der Geschichte, dass Mautner-Markhof damals bei Außenminister Wolfgang Schüssel (ÖVP) mit seinem Vorschlag kein Gehör fand. Jetzt ist es ein Nachfolger Schüssels, der diese Idee gemeinsam mit Amtskollegen forciert.
Die Außenminister von Österreich, Belgien, Dänemark, Italien, Deutschland, Luxemburg, den Niederlanden, Polen, Portugal und Spanien haben seit dem Frühjahr regelmäßig getagt. Am gestrigen Dienstag stellte die Zukunftsgruppe ihre Vorschläge Kommissionspräsident José Manuel Barroso, Ratspräsident Herman Van Rompuy, EZB-Chef Mario Draghi und Euro-Gruppenchef Jean-Claude Juncker vor. Das nun der „Presse“ vorliegende Papier ist ein Zwischenbericht, dem noch weitere Verhandlungen folgen werden.
Euro „irreversibel“ machen
In diesem Papier begründen die Außenminister die Notwendigkeit einer neuen demokratischen Struktur für die EU mit der aktuellen Krise und dem Bestreben, die Währungsunion „irreversibel“ zu machen. Ihre Vorschläge gehen in Richtung eines aufgewerteten politischen Bundesstaats mit mehr gemeinsamen Kompetenzen, die bisher in Kernbereichen nationaler Politik angesiedelt waren. So sprechen sich die zehn Außenminister für einen gemeinsamen europäischen Grenzschutz aus. Sie befürworten die Ausweitung der gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik bis hin zu einer EU-Armee. Und sie treten für mehr direkte Kontrolle der nationalen Haushalte ein, wie sie zuletzt die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel mit ihren Initiativen für eine „Fiskalunion“ gefordert hat.Westerwelle hatte bereits im März bei einem ersten Treffen in Berlin eine deutliche politische „Vertiefung“ der EU gefordert und war dafür scharf kritisiert worden. Spindelegger betonte damals, dass sich Österreich einer neuen EU-Vertragskonstruktion nicht verschließen dürfe.
Ihr gemeinsames Papier fordert nicht nur eine Zentralisierung der Macht, sondern auch eine stärkere Einbindung der nationalen Parlamente in den europäischen Entscheidungsprozess. Sie sollen stärker als bisher mit dem Europäischen Parlament zusammenarbeiten.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.06.2012)
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