Prof. Dr. iur. K. A.
Schachtschneider
1. Die Mitgliedschaft Österreichs in der Europäischen
Union ist mit der Bundesverfassung unvereinbar. Sie verletzt die
unabänderlichen Strukturprinzipien Österreichs, nämlich das demokratische Prinzip, das Rechtsstaatsprinzip, das
Sozial(staats)prinzip und das Bundesstaatsprinzip, die nicht zur Disposition der Politik, auch nicht der des
Bundesvolkes stehen, weil das die
Freiheit und Gleichheit, aber auch die Brüderlichkeit/Solidarität der
Österreicher aufheben würde, also die Verfassung, die mit dem Menschen geboren
ist.
2. Das Bundesverfassungsgesetz über den Beitritt
Österreichs zur Europäischen Union, dem die Österreicher am 12. Juni 1994 zugestimmt haben, konnte die
Bundesverfassung rechtens nicht
ändern. Eine Änderung der Strukturprinzipien und Baugesetze der
Bundesverfassung hat nicht zur
Abstimmung gestanden. Es ist nur über den Beitritt zur Europäischen Union
entschieden worden, aber nicht einem
Beitritt zugestimmt worden, der die unabänderlichen Strukturprinzipien der Österreichischen Republik mißachtet.
Der Beitrittsvertrag Österreichs vom 26. April 1994, der am 1. Januar 1995
wirksam wurde, ist somit rechtswidrig und nichtig. Die weitere Integrationspolitik Österreichs hat das Unrecht nicht geheilt. Der
Vertrag von Lissabon führt zu weiteren
Verletzungen der unabänderlichen Strukturprinzipien und Baugesetze, vor allem des demokratischen Prinzips.
3. Nach dem demokratischen Prinzip darf die Republik
Österreich ihre existentielle Staatlichkeit oder existentielle Aufgaben und Befugnisse des Staates nicht auf eine
Europäische Union übertragen, die
keine eigenständige demokratische Legitimation und keine originäre Hoheitsgewalt hat. Die Gründung des existentiellen
Unionsstaates aber setzt eine sich dafür öffnende neue Verfassung Österreichs voraus, die nur durch
Referendum des Österreichischen Volkes gegeben werden kann.
4. Die Politische Klasse akklamiert ohne ernsthaften
Diskurs der Staatswerdung Europas und versucht die Öffentlichkeit durch Propaganda und medienwirksame
Feierlichkeiten zu beruhigen. Ohne
hinreichenden Diskurs in der Öffentlichkeit und insbesondere in den Parlamenten
des Bundes und der Länder ist die
europäische Staatsgründung demokratiewidrig, nicht anders als der Unionsstaat, der gegründet werden soll.
5. Als vertraglicher Bundesstaat ist die Europäische
Union mit Aufgaben und Befugnissen eines existentiellen Staates ausgestattet, ohne daß diese durch ein
Europäisches Volk, das sich zu
einem existentiellen Staat verfaßt
hat, legitimiert wird. Die Völker der Mitgliedstaaten können die gemeinschaftliche
Ausübung der übertragenen Hoheitsrechte nur legitimieren, wenn das Prinzip der begrenzten Ermächtigung eingehalten
wird. Allein dieses Prinzip ermöglicht die demokratische Verantwortbarkeit der Unionspolitik durch die nationalen
Parlamente. Die darüber hinaus
gehenden weiten und offenen Ermächtigungen der Union mißachten das demokratische Prinzip der Republik Österreich auch insoweit,
als dieses Prinzip in einem Gemeinwesen der Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit unabänderlich ist.
6. Die Wirtschafts- und Währungsunion hat in der
Europäischen Union eine neoliberale Wirtschaftsverfassung der Märkte und des Wettbewerbs geschaffen. Die damit
verbundene Entstaatlichung ist mit
dem Sozialprinzip, zumal mit dessen Prinzip der wirtschaftlichen Stabilität,
das die Pflicht zur wirksamen Beschäftigungspolitik
einschließt, unvereinbar. Auch das Sozial(staats)prinzip
ist in Österreich, obwohl es nicht explizit im Bundesverfassungsgesetz genannt ist,
ein unabänderliches Strukturprinzip. Aufgrund der Grundfreiheiten
(Warenverkehrs-, Dienstleistungs-,
Niederlassungs-, Kapitalverkehrsfreiheit und Arbeitnehmerfreizügigkeit) hat der Gerichtshof der Europäischen Union die
Deregulierung der mitgliedstaatlichen Wirtschaftordnungen erzwungen. Seine Judikatur hat die Wirtschaft den
europäischen und global integrierten
Märkten und dem räumlich, sachlich und vor allem ethisch entgrenzten Wettbewerb
überantwortet. Sie läßt der
staatlichen Beschäftigungspolitik entgegen dem Stabilitätsprinzip der
Bundesverfassung (gesamtwirtschaftliches Gleichgewicht) keine wirkliche Chance.
Insbesondere die Kapitalverkehrsfreiheit führt zum Niedergang des
Wirtschaftsstandortes Österreichs, aber auch anderer Mitgliedstaaten, vor allem Deutschlands. Die
Finanzmarktkrise hat jedem die verheerenden
Wirkungen des demokratiewidrigen globalen Kapitalismus vor Augen geführt.
7. Die Haushaltskontrolle der Union ist mit der
demokratischen Budgetverantwortung des nationalen Parlaments, welche untrennbar mit der Wirtschaftshoheit des existentiellen
Staates verbunden ist, nicht vereinbar.
8. Europäischer Rat und Rat bestimmen die Grundzüge der
Wirtschaftspolitik auch Österreichs
gemäß der Wirtschaftsverfassung der Union, aber zu Lasten der österreichischen
Wirtschaftsverfassung und, soweit das geboten erscheint, auch zu Lasten der
österreichischen Wirtschaftsinteressen. Diese Grundzüge sind die Grundlage der
multinationalen Überwachung der Wirtschaftspolitik.
9. Das Herkunftslandsprinzip/das Prinzip der
gegenseitigen Anerkennung der nationalen Rechtsordnungen entdemokratisiert
weitgehend die Lebensverhältnisse der Mitgliedstaaten, etwa im
Lebensmittelrecht, im Dienstleistungs- und Arbeitsrecht, weil nicht die eigenen
Gesetze des Bestimmungslandes, sondern
die des Herkunftslandes maßgeblich (geworden) sind.
10. Der demokratisch in keiner Weise legitimierte
Gerichtshof der Europäischen Union versteht sich als Motor der Integration. Er hat die Rechtsprechung in
Grundsatz-, insbesondere in Grundrechtefragen mittels der von ihm
durchgesetzten unmittelbaren und vorrangigen Anwendbarkeit des Unionsrechts,
aber auch durch die Umwandlung der Grundfreiheiten in grundrechtsgleiche subjektive Rechte an sich gezogen
(usurpiert) und die nationale Verantwortung für das Recht entwertet. Er hat damit auch die nationale
Politik entmachtet. Auf den Vorrang des gesamten Unionsrechts, einschließlich des sekundären und tertiären
Unionsrechts, vor dem gesamten Recht der Mitgliedstaaten,
sogar vor deren Verfassungsgesetzen, weist die 17. Erklärung zum Vertrag von Lissabon ausdrücklich in. Sie ist
ständige Praxis des Gerichtshofs seit 1963. Das widerspricht dem
Maastricht-Urteil des deutschen Bundesverfassungsgerichts und ist mit der existentiellen Staatlichkeit der
Mitgliedstaaten unvereinbar.
11. Der Grundrechteschutz gegenüber den Rechtsakten der
Union läuft, seit der Gerichtshof der Europäischen Union die Grundrechteverantwortung hat, weitestgehend
leer. Der Gerichtshof hat nicht einen
einzigen Rechtsetzungsakt der Union für grundrechtewidrig erklärt. Der Vorbehalt des deutschen Bundesverfassungsgerichts, daß
der Wesensgehalt der Grundrechte im allgemeinen unangetastet bleiben müsse, ist praktisch ohne Bedeutung.
12. Der Grundrechteschutz ist in schlechte Hände
geraten, weil der Gerichtshof der Europäischen Union für den Grundrechteschutz weder demokratisch legitimiert ist
noch die erforderlichen Kenntnisse
der nationalen Rechtsordnungen hat, um den Rechten der Menschen Schutz zu geben. Die Europäische Grundrechtecharta schwächt
den Grundrechteschutz. Die Sozialpflichtigkeit des Eigentums steht genauso wenig in der Charta wie ein Recht auf
Arbeit. Die Medienfreiheit etwa
ist nur zu achten, die Lehrfreiheit ist nicht genannt, u.a.m.
13. Die Grundrechtecharta erlaubt für den Kriegsfall und
den Fall unmittelbarer Kriegsgefahr die Todesstrafe. Diese kann nach den
verteidigungspolitischen Ermächtigungen auch von der Union eingeführt werden. Um einen „Aufruhr“ oder „Aufstand“ „rechtmäßig
niederzuschlagen“, darf trotz des Rechts
auf Leben getötet werden.
14. Der Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts
ist ein existentielles Staatsgebiet. Dessen Sicherheit zu gewährleisten übernimmt mehr und mehr die Europäische
Union, ohne das wirklich
leisten zu können. Die Europäische Staatsanwaltschaft und der Europäische
Haftbefehl greifen tief in die nationale
Strafhoheit ein. Die Union soll nach dem Vertrag von Lissabon in den wichtigsten Bereichen auch Strafvorschriften
vorschreiben können.
15. Die Mitgliedstaaten verlieren durch Integration der
Streitkräfte in die Gemeinsame Verteidigung weitgehend die Verteidigungshoheit. Missionen außerhalb der Union
zur Friedenssicherung, Konfliktbewältigung und
Stärkung der internationalen Sicherheit können und werden Kriege sein, zumal die Missionen den Terrorismus
auch in Drittländern bekämpfen können sol‑
len. Eine (humanitäre) Intervention
dieser Art ist durch das völkerrechtliche Gewaltverbot untersagt. Die Union aber spricht sich das Recht zum
Kriege zu. Die Neutralität Österreichs wird auf bewaffnete Angriffe auf das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates
beschränkt und damit weitestgehend
obsolet.
16. Die
finanzpolitische Generalklausel des Art. 311 AEUV ermöglicht es der Union, europäische Steuern zu erheben oder weitere Kategorien der
Mittelbeschaffung einzuführen, ohne daß die nationalen Parlamente dem zustimmen müßten. Im vereinfachten
Änderungsverfahren des Art. 48 Abs. 6
EUV ist der Europäische Rat ermächtigt, den Kern der Verfassung, nämlich alle
Regelungen des Dritten Teils des Vertrages über die Arbeitsweise der Union
(AEUV), der den Binnenmarkt,
die Wirtschafts- und Währungsunion, die Beschäftigungs- und Sozialunion, den Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts und
die meisten anderen Politikbereiche umfaßt, ganz oder zum Teil zu ändern, ohne daß die nationalen Parlamente oder
gar Völker dem zustimmen müßten. Auch das Europäische Parlament und die
Kommission sind nur anzuhören. Zwar
dürfen die Zuständigkeiten der Union nicht überschritten werden, aber diese
Zuständigkeiten sind in Art. 3 bis 6 AEUV
äußerst weit gefaßt. Für die mitgliedstaatliche Zustimmung genügt die der Bundesregierung, weil der Beschluß des
Europäischen Rates kein Staatsvertrag ist, wie ihn Art. 50 Abs. 1 Ziff. 2 und Abs. 4 B-VG (jetzt) voraussetzt.
17. Ausblick: Neue Staatsverträge müssen ein
europäisches Europa schaffen, das demokratische, rechtsstaatlich und sozial ist, das die Freiheit, Gleichheit und
Brüderlichkeit der Menschen und Völker
wahrt, das die Europäische Union nicht zu einem zentralistischen Einheitsstaat
entwickelt, sondern eine
Bundesstaatlichkeit wahrt, in der die Völker selbst über ihr Schicksal bestimmten. Insbesondere muß die Wirtschaftsverfassung sozial werden, so daß
die Menschen nicht weiter ausgebeutet
werden können. Die gegenwärtige Union ist so organisiert, daß sie zur Diktatur
entarten kann. Nur in einer Republik der Republiken können die Europäer frei
und europäisch leben.
18. Der Verfassungsgerichtshof ist aufgerufen, dem Recht
der Österreicher zum Siege zu verhelfen. Er muß der Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit, der Demokratie,
dem Rechtsstaat und dem Sozialstaat,
aber auch dem Bundesstaat Rechtsschutz geben. Wenn er die Verfassungswidrigkeit der Integrationsverträge festgestellt hat, kann er der Politik zwei
Jahre Zeit einräumen um zu neuen Verträgen
mit der Europäischen Union zu finden. Sonst muß Österreich aus der Union ausscheiden.
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